Palmöl und Baumwolle fürs Kaiserreich

27.05.2013
Der versierte Kolonialhistoriker Peter Sebald erzählt die Geschichte der vermeintlichen Musterkolonie Togo, wo die Deutschen eine Eisenbahn bauten und die Eingeborenen zu "Pflichtarbeit" heranzogen.
Als die ersten Deutschen im späten 19. Jahrhundert an den breiten Stränden Westafrikas auftauchten, hatte die Region schon eine lange, leidvolle Geschichte europäischer Kolonisation hinter sich. Nun kamen die Deutschen hinzu und reklamierten den noch kolonialherrenlosen Streifen Strand zwischen den heutigen Staaten Ghana und Benin für sich. Nach und nach eroberten sie das Hinterland hinzu, und so entstand die deutsche Kolonie Togo, die noch heute weitgehend deckungsgleich mit dem Staat Togo ist.

Diese Inbesitznahme schildert Peter Sebald in seinem Buch "Die deutsche Kolonie Togo 1884-1914". Er durchmisst dabei die 30 Jahre währende Kolonialzeit, die mit dem Protektoratsvertrag von 1884 offiziell begann und mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 abrupt endete.

Dazwischen ist viel passiert. Peter Sebald erzählt davon, wie die Deutschen erste Expeditionen ins Hinterland unternahmen, bis heute bindende Grenzziehungen quer durch alte Stammesgebiete vornahmen und wie sie ihre Verwaltung auf- und ihre Siedlungen ausbauten. Einheimische Widerständler unterwarfen sie mit Waffengewalt; gelegentlich reichte es schon, die Überlegenheit der deutschen Waffen bloß vorzuführen, wie etwa das seit 1897 gebräuchliche Maschinengewehr.

Peter Sebald schildert außerdem, wie die Deutschen befahrbare Straßen und drei Eisenbahnstrecken im Land bauten, um vor allem Palmöl, Palmkerne und Baumwolle von den Plantagen zum Hafen transportieren zu lassen, von wo aus die Güter ins Deutsche Reich verschifft wurden.

Weil die ökonomische Bilanz der Kolonie Togo eindrucksvoll ausfiel – auch im Vergleich zu den anderen deutschen Kolonien –, wurde Togo in Berlin sehr bald schon die "Musterkolonie" genannt. Außerdem gab es aus Togo keine größeren Aufstände zu vermelden, selbst wenn die Kolonialherren natürlich auch dort kräftig prügelten und punktuell sogar mordeten. Darauf weist der versierte Kolonialhistoriker Peter Sebald ebenso hin wie auf die Tatsache, dass der wirtschaftliche Erfolg der Kolonie nicht nur grundsätzlich auf Landraub beruhte, sondern auch darauf, dass die Einheimischen Geldstrafen und Steuern entrichten und "Pflichtarbeit" ableisten mussten.

Die Detailfülle des Buches ist seine Stärke und seine Schwäche zugleich. Sebald, der 1988 bereits ein 800-Seiten-Werk zu Togo publiziert hat, ist es offenbar schwergefallen, Informationen wegzulassen. So fehlt dem Text manchmal der rote Erzählfaden bei gleichzeitiger Überfülle an Informationen, was die Lektüre schwierig macht. Die überblicksartigen Darstellungen zu kolonialadministrativen, politischen und wirtschaftlichen Fragen hätten ausgedünnt werden können, um einige Kolonialpersönlichkeiten oder ausgewählte Quellentexte wie etwa Briefe ausführlicher vorzustellen. So hätte der Leser die Möglichkeit gehabt, weniger in die Breite, sondern mehr in die Tiefe zu blicken.

Sehr gelungen ist aber wieder einmal die reiche Ausstattung mit Karten und historischen Fotos, für die die Publikationen zur Kolonialgeschichte aus dem Christoph-Links-Verlag bekannt sind.

Besprochen von Katharina Borchardt

Peter Sebald: Die deutsche Kolonie Togo 1884-1914. Auswirkungen einer Fremdherrschaft
Christoph Links Verlag, Berlin 2013
205 Seiten, 29,90 Euro
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