Pädophile im Netz

Warum "Cyber-Grooming" so erfolgreich ist

Ein Mann arbeitet an der Tastatur eines Laptops.
Viele der Täter sind selbst noch Kinder - sie kennen sich aus im Netz © dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Thomas-Gabriel Rüdiger im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 28.09.2016
"Cyber-Grooming" nennt man es, wenn Pädophile im Netz nach Opfern suchen: Sie nehmen Kontakt zu ihnen auf und erschaffen eine Vertrauensbeziehung. Und sie sind verdammt erfolgreich damit. Im Interview enthüllt der Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger die dunklen Seiten des Netzes.
"Grooming" nennen Experten das Vorgehen von Tätern, die sexuellen Missbrauch vorbereiten. Es gibt mittlerweile auch Cyber-Grooming: Dabei machen sie sich im Internet an Kinder und Jugendliche heran. Sie geben sich jünger aus, als sie sind, bauen nach und nach Vertrauen bei ihren Opfern auf und belästigen sie dann sexuell. Im ARD-Drama "Das weiße Kaninchen", das heute um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen ist, spielt Devid Striesow einen solchen Täter.
Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe und er sagt: "Es gibt kein Kind, das im digitalen Raum aufwächst, das nicht mindestens ein Mal mit so einem Täter konfrontiert wird." Grooming ist also ein extrem verbreitetes Phänomen − auch wenn das Kind das gar nicht unbedingt registrieren muss, wenn es nicht erfolgreich ist. "Die Fallzahlen in den polizeilichen Kriminalstatistiken steigen seit fünf Jahren massiv an."

Schon die Frage nach einem Bild im BH ist strafbar

Dabei sind die Täter eher jung: 65 Prozent von ihnen sind unter 30. Es sind die Digital Natives, die sich da tummeln − also junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. "Jeder dritte Tatverdächtige, gegen den sich eine Anzeige richtet, ist sogar selber ein Kind oder ein Jugendlicher", sagt Rüdiger. "Das hat etwas damit zu tun, dass wir als Gesellschaft uns nie einen Kopf gemacht haben, wie wir Normen in den digitalen Raum vermitteln wollen." Jeder 14-Jährige kann eine 12-Jährige über einen beliebigen Messenger anchatten und sie um ein BH-Bild bitten −laut Gesetz fällt das aber schon unter Grooming und ist damit strafbar.
Der virtuelle Kontakt kann dabei für Kinder genauso einschneidend sein wie ein Missbrauch in der realen Welt, sagt Rüdiger. Ihm seien Fälle bekannt, in denen Kinder mit ihrem Selbstmord drohten, weil die Täter nicht aufhörten, sie zu erpressen.
Doch wie können Eltern ihre Kinder schützen? "Sie sollten sich nicht von ihren Kindern zeigen lassen, wie sie soziale Medien zu nutzen haben, sondern Eltern sollten sich selbst einarbeiten, damit sie erste Risiken verstehen", sagt Rüdiger. Wenn eine Anzeige erstattet wird, ist die Aufklärungsquote aber relativ hoch, sie liegt bei 85 Prozent.
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