P.G. Wodehouse und Butler Jeeves

Der Diener als Ratgeber, Philosoph und Freund

Der englische Schriftsteller P.G. Wodehouse in Paris im Jahr 1945.
Der englische Schriftsteller P.G. Wodehouse in Paris im Jahr 1945. © picture alliance / dpa
Von Ruth Fühner · 18.11.2016
Der britische Schriftsteller P.G. Wodehouse hat unzählige Romane und Kurzgeschichten geschrieben, die den Snobismus der britischen Adelsgesellschaft karikieren. Darin hat eigentlich nur einer den Durchblick: der Butler Jeeves. Vor 100 Jahren tauchte er das erste Mal auf.
"I think the first day he came to me, I’ve looked at him as a sort of guide, philosopher and friend."
Ratgeber, Philosoph, Freund – schon bei seinem ersten Auftritt wird klar: Jeeves ist das Idealbild eines Kammerdieners. Das berechtigt ihn nicht nur, tiefe Skepsis gegenüber violetten Socken und auffällig gemusterten Anzügen auszudrücken. Es verpflichtet ihn auch, seinen Herrn aus jedem denkbaren Schlamassel zu retten.
Erstmals tauchte Jeeves am 18. November 1916 im Titel einer Kurzgeschichte auf: "Jeeves takes Charge" oder "Jeeves übernimmt das Ruder". Im Verlauf der drei Dutzend Short Stories und elf Romane, die noch folgen sollten, schließen sich die Lücken in Jeeves' Lebenslauf allmählich.
Zu seinen mindestens elf Arbeitgebern zählten ein gewisser Lord Worplesdon, den er wegen inakzeptabler Abendgarderobe verließ, oder Lord Brancaster, der seinen Papagei mit portweingetränkten Körnerkeksen fütterte. Gegenwärtig ist Jeeves bei dem exzentrischen, aber beschränkten Adligen Bertram Wooster angestellt, dem Ich-Erzähler der Geschichten. Der erfährt den Vornamen seines Dieners übrigens erst sehr spät, nämlich in einem Roman von 1971, als er Jeeves im Gespräch mit einem alten Bekannten belauscht.
"'Hallo Reggie', sagte er, und ich erstarrte in meinem Sessel, völlig überwältigt von der Offenbarung, dass Jeeves' Vorname Reginald war …"

Unerschöpfliches Reservoir an Zitaten und Anspielungen

Anders als sein Dienstherr, der den saloppen Ton der britischen Internatsschüler nie abgelegt hat, drückt sich Jeeves ausgesprochen gewählt aus. Er verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir an Zitaten und Anspielungen, ist aber auch fähig, das Funktionieren des Aktienmarktes so geduldig zu erklären, bis Bertie es schließlich mit eigenen Worten darlegen kann:
"Ganz recht, Sir. Rem acu tetigisti."
"Rem ...?"
"Acu tetigisti, Sir. Eine lateinische Wendung. Wörtlich bedeutet sie: du hast die Sache mit der Nadel berührt, doch eine idiomatische Übersetzung würde wohl lauten ..."
"...den Nagel auf den Kopf getroffen?"
"Genau, Sir."
"Jawohl, jetzt begreife ich. Sie haben Licht in die Sache gebracht!"
Unzählige missliche Situationen haben Jeeves und Wooster zu bestehen - mit dominanten Tanten, Erbschleichern und einer unfähigen Obrigkeit. In ihren umwerfend witzigen Dialogen treiben sie eine Gesellschaftskomödie voran, die die rückwärts gewandte Sehnsucht nach einer heilen Welt des Britischseins gnadenlos ironisiert.
Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit sind rein zufällig. Das gilt auch für eine so unsympathische Figur wie Roderick Spode.
"Wissen Sie, Spode, Sie bilden sich wer weiß was darauf ein, dass es Ihnen gelungen ist, ein paar Schwachköpfe um sich zu scharen, die mit ihren schwarzen Shorts das Londoner Stadtbild verschandeln. Und wenn diese Bagage 'Heil Spode!' kräht, glauben Sie, die Stimme des Volkes zu hören. Aber da sind Sie auf dem Holzweg! Wenn Sie mal richtig hinhören, sagt die Stimme des Volkes nämlich: Seht euch bloß diesen behämmerten Spode mit seinen Halbmasthosen an! Der hat doch 'n Schatten auf der Morelle!'"
Unüberhörbar spielt der Autor P.G. Wodehouse hier auf den britischen Faschistenführer Oswald Mosley an. Daraus allerdings sollte man nicht auf seine politische Haltung schließen.

Wodehouse nahm Politik nicht ernst

P.G. Wodehouse, der neben den Jeeves- und Wooster-Geschichten noch eine Unmenge anderer humoristischer Bücher und Musical-Libretti aus dem Ärmel schüttelte, nahm die Politik so wenig ernst wie das Leben überhaupt. Das zeigte sich während des Zweiten Weltkriegs. Während eines Frankreichaufenthalts von den Deutschen festgenommen und später luxus-interniert im Berliner Hotel Adlon, ließ er sich für fünf launige Radioansprachen über seine Gefangennahme einspannen, die die deutsche Propaganda in die - damals noch neutralen - USA und nach Großbritannien ausstrahlte:
P.G. Wodehouse: "Meine Erfahrung als Knastinsasse zusammenfassend, muss ich sagen, dass ein Gefängnis für einen Besuch ganz in Ordnung ist, aber ich würde dort nicht leben wollen, selbst wenn man mir diesen Ort schenken würde."
Die Nazis missverstanden Wodehouses schrulligen Humor als Kritik an der britischen Lebensart – seine Landsleute aber waren, wie zu erwarten, not amused. Nur knapp entging Wodehouse nach dem Krieg einem Prozess wegen Landesverrats.
Seine letzten 30 Lebensjahre verbrachte er im amerikanischen Exil, wo er 1975 starb. Noch in seinem Todesjahr adelte die Queen, eine glühende Verehrerin seiner Bücher, P.G. Wodehouse zum Sir.
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