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Françoiz Breut
Mix aus Bristol-TripHop und Nouvelle Chanson

Die französische Musikerin Françoiz Breut hat nach vier Jahren Pause ein neues Album herausgebracht. Durch die Zusammenarbeit mit dem Portishead-Gitarristen Adrian Utley ist eine hörenswerte Symbiose aus Bristol-Triphop und Chanson entstanden.

Von Cornelius Wüllenkemper | 12.03.2016
    Wer Françoiz Breut zum Gespräch trifft, sitzt einer kleinen, quierligen Frau mit dunkler Kleidung und hellrot geschminkten Lippen gegenüber. Ein wenig wirkt die 1969 in Nordfrankreich geborene Sängerin wie eine Kindfrau: ausgelassen und melancholisch, kokett und zerbrechlich zugleich. Gleich im Opener ihres neuen Albums "La Conquête", also "Die Eroberung", geht es um die Fragilität echter Gefühle.
    "Ich glaube nicht wirklich, dass echte Gefühle vom Aussterben bedroht sind. Zum Glück, denn dann würde sich das Leben nicht mehr lohnen! Aber echte Gefühle sind etwas sehr Zerbrechliches. In 'La Conquête' geht es um Liebe, ohne die man nicht leben kann, und deswegen muss sie beschützt werden, wie ein einsamer Stern im Weltall. Das ist eine meiner merkwürdigen Ideen. Aber ich stelle mir vor, dass die Liebe dort in Sicherheit und das Leben einfacher ist."
    Verrückte Ideen und eine Portion Selbstironie
    Offenheit für verrückte Ideen und eine gute Portion Selbstironie, das sind laut Breut die wichtigsten Zutaten für ihre Musik. Nach einer ausführlichen Tournee, die die Französin erstmals auch in die USA führte, machte sie sich 2013 wieder an die Arbeit: Sie schrieb Texte und setzte sie mit ihrem Gitarristen Stéphane Daubersy in luftig komponierte und oft spärlich instrumentierte Songs um. Als Produzenten für das Album "Zoo" gewannen sie einen alten Bekannten: Adrian Utley, den Gitarristen des TripHop-Duos Portishead aus Bristol. Der hatte sie zwei Jahre zuvor auf sein Festival "All Tomorrow‘s Parties" eingeladen.
    "Adrian war von unseren Demo-Aufnahmen begeistert und sagte sofort zu. Wir wollten, dass er dem Album mit seinen Mitteln einen ganz bestimmten Sound verpasst. Wir hatten nur zwei Wochen Zeit, die Songs mit meiner Band im Studio einzuspielen, das hat uns ziemlich unter Druck gesetzt. Erst bei der Abmischung habe ich entdeckt, was man mit Studiotechnik und Verstärker-Simulatoren alles zustande bringt, von der Drum-Machine bis zum Vintage-Sound. Da ist eine Menge passiert, das war faszinierend!"
    Gitarre und Synthesizer, dazu Bass-Fragmente und ein minimalistischer Beat. Ein intimer Sound zwischen Folkmusik und Chanson. Dazu singt Breut mit ihrer unverwechselbar reservierten, ebenso melodischen wie melancholischen Stimme hintergründig verträumte Texte. Der Albumtitel "Zoo" ist einem Song entliehen, in dem Breut von der mangelnden Natürlichkeit in unserer vernunftbestimmten Lebenswelt erzählt. Als Illustratorin von Kinderbüchern hat Breut ihre Welt auf dem Albumcover selbst entworfen: ein Park, bevölkert von Fantasie- und Fabelwesen.
    Musikalisch hat sich Françoiz Breut mit dem Portishead-Produzenten eindeutig nach vorne bewegt, zugleich waren die Aufnahmen in Bristol für sie eine Rückkehr in ihre Vergangenheit.
    "Ich bin in Cherbourg direkt am Ärmelkanal aufgewachsen. Wir fuhren damals regelmäßig mit der Fähre nach England, um da unsere Platten zu kaufen. Im Radio hörten wir die BBC-Sendungen von John Peel – das hat mich musikalisch sehr geprägt. Während der Aufnahmen in Bristol habe ich gemerkt, dass England noch immer ein Stück Zuhause für mich ist. Dieses Album ist für mich auch eine Art Rückkehr zu einer wichtigen Phase in meinem Leben."
    Selbstdarstellung
    Breuts Songs wirken so wie ihre Live-Auftritte: zurückhaltend, feinsinnig, nachdenklich. Das Stück "Le jardin d’Eden" erzählt von der Vertreibung aus dem Paradies, in "Loon-Plage" bedauert Breut die Zerstörung eines Strandes am Ärmelkanal, auf dem sie als Mädchen ihren Träumen nachhing. Im Song "Ecran Total", also "Vollbild", singt sie über eine Welt, in der Selbstdarstellung das Wichtigste ist.
    "Mit Interviews tue ich mich heute nicht mehr so schwer wie früher. Aber alles was mit Fernsehen und Bildern zu tun hat, macht mir Angst. Als ich früher Platten hörte, wusste ich so gut wie nichts von den Bands, es gab da ein Geheimnis, und das machte es spannend. Das ist heute nicht mehr möglich, alles wird aufgezeichnet und verbreitet. Ich achte darauf, nicht zu viel von mir preiszugeben. Mir geht es um die Musik, die ich mit dem Publikum teilen möchte. Die große Show, das ist einfach nicht mein Ding."
    Und tatsächlich strahlt "Zoo" eine ganz besondere Intimität aus. Vielleicht ist es der musikalische Minimalismus und die melancholische Zerbrechlichkeit, die aus dieser Kreuzung zwischen Bristol-TripHop und Nouvelle Chanson das bisher rundeste Album von Françoise Breut gemacht haben.