Osteuropa

Russlands Solo

Wladimir Putin blickt nachdenklich drein.
Russlands Präsident Wladimir Putin © Alexei Druzhinin, dpa picture-alliance
Von Gesine Dornblüth · 19.04.2014
Ob Wladimir Putin in seiner Zeit in Dresden Doppelkopf gelernt hat, wissen wir nicht. Aber Russland spielt es gar nicht schlecht. Die anderen Mitspieler, die EU, die USA und die Ukraine, sehen mit Schrecken, wie Russland mit wunderbarem Blatt ein Solo spielt und einen Stich nach dem anderen macht.
Erst kassiert Russland vom Mitspieler Ukraine die Krim. Russisches Militär auf der Halbinsel und viele russischstämmige, sowjetnostalgische Bewohner machten es möglich. Dann besetzen prorussische Gruppen die strategisch wichtigen Gebäude der größten Städte in der Südostukraine. Die Übergangsregierung in Kiew schickt Militär, doch das ist - zumindest bisher - nicht in der Lage, das Blatt zu Kiews Gunsten zu wenden, die Aktivisten zu entwaffnen.
Im nächsten Stich könnte es um Transnistrien gehen, ein Separationsgebiet der Republik Moldau, an der Grenze zum unruhigen Südosten der Ukraine. Transnistrien hat Russland gebeten, es als unabhängigen Staat anzuerkennen und in die Russische Föderation aufzunehmen. Das offizielle Moskau bremst, schließt eine Anerkennung Transnistriens aber nicht aus. Russisches Militär ist bereits da.
Wenn beim Doppelkopf jemand ein Solo spielt, kommt es darauf an, dass die anderen drei gut zusammen spielen. Die USA und die EU haben auch Trümpfe. Ihre Sanktionen zeigen erste Wirkung, doch ob sie Russland zum Einlenken bewegen, ist offen. Es gibt ein positives Zeichen: Außenminister Sergej Lawrow hat am Donnerstag in Genf gemeinsam mit den Chefdiplomaten der USA, der Ukraine und der EU Schritte vereinbart, um die Situation in der Ukraine zu deeskalieren. Demnach soll auf Gewalt verzichtet werden, illegal bewaffnete Gruppen sollen entwaffnet, besetzte Gebäude geräumt werden. Das hat Explosionskraft aus dem Konflikt genommen.
"Neurussland" - ein Wort aus der Zarenzeit
Aber am selben Tag sprach Präsident Putin in Moskau in einer Fernsehshow mit dem Volk, und er bezeichnete den Südosten der Ukraine als "Neurussland". So hieß die Region, nachdem sie von Zarin Katharina der Großen erobert und zum russischen Gouvernement gemacht worden war. Die Sowjetführer übergaben das Gebiet der Ukraine. Weshalb, wisse nur Gott, so Putin in der Fernsehshow. Es ist verständlich, wenn in Kiew bei diesen Worten die Alarmglocken klingeln. Zumal Russland noch weitere Trümpfe in der Hand hält. Nicht nur das grüne Licht des Föderationsrates für einen Militäreinsatz, sondern vor allem auch den Gaspreis. Von der Ukraine verlangt Russland den höchsten in ganz Europa.
Beim Doppelkopf zeigt sich oft erst am Ende, wer gewinnt: Dann nämlich, wenn demjenigen, der das Solo spielt, die Trümpfe ausgehen. Russlands letzter Trumpf heißt China. Ein schwacher Trumpf.
Russland braucht Investitionen aus Europa
Wenn die EU und die USA Russland isolieren, so ist in Moskau in diesen Tagen oft zu hören, werde man sich eben nach Fernost umorientieren. Russland baut längst seine Beziehungen zu China aus. Doch so einfach ist das nicht. Es wird Jahre dauern, die Pipelines zu errichten, die russisches Gas nach China bringen sollen, und Preise wie in Europa sind dort nicht zu erzielen. Zudem wird Russland seine Industrieanlagen nicht ohne europäische Investitionen modernisieren können. Dies aber ist nach wie vor nötig.
Geopolitik ist kein Kartenspiel. Doch auch beim Zocken um die Ukraine gilt: Selbst wer viele Trümpfe in der Hand hat, kann am Ende noch verlieren.