Donnerstag, 28. März 2024

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Saisonstart in der 2. Fußball-Bundesliga
Hansa Rostocks Risikospiele

Der einstige DDR-Fußballmeister Hansa Rostock hat sich aus der dritten wieder in die zweite Liga empor gearbeitet. Zwölf Risiko-Heimspiele haben die Hanseaten - Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Fans werden befürchtet. Verein, Stadt und Polizei haben sich auf die neue Saison vorbereitet.

Von Silke Hasselmann | 24.07.2021
17.7.21: Testspiel FC Hansa Rostock gegen Eintracht Braunschweig im Ostseestadion in Rostock. Im Bild: Fans von Hansa Rostock.
Beim Testspiel gegen Eintracht Braunschweig vor einigen Tagen waren wieder Fans im Ostseestadion in Rostock. (IMAGO / Fotostand)
"Ich glaube, das sieht man heute in der ganzen Stadt. Das sieht man heute auf der Tribüne. Ich weiß, wir haben Corona. Ich weiß, wir haben Hygiene. Aber das kannst du einfach den Fans nicht nehmen, der Stadt nicht nehmen. Seit zehn Jahren Warten darauf, aufzusteigen, und heute ist es gelungen. Das kann man gar nicht beschreiben."
...sagt Robert Marin im NDR-Fernsehen am 22. Mai im Rostocker Ostseestadion nach dem 1:1 gegen Lübeck. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga war perfekt, und der Vorstandsvorsitzende des 1. FC Hansa Rostock sah viel mehr feiernde Fans in der Südkurve als Zuschauer insgesamt zugelassen waren. Er brachte dafür ebenso Verständnis auf wie die Ordnungsbehörden der Stadt. Dass jedoch an diesem Tag das benachbarte Leichtathletik-Stadion von Hansa-Fans so stark verwüstet wurde, dass dort Wettkämpfe ausfallen mussten, trübt bei so manchem Rostocker die Vorfreude auf die Zweitligasaison.
"Naja, das ganze Drumherum nervt mich natürlich tierisch. Das beginnt sicherlich mit den Straßenabsperrungen. Hört da auf, wo Fans in Stadien anderer Sportarten eindringen und mit Pyrotechnik nicht nur verunstalten, sondern zerstören."

Rostocker Fanszene ist sei vielen Jahren berüchtigt

Tatsächlich ist das Abfackeln von Bengalos und Zünden anderer Pyrotechnik bei Heimspielen Standard, das Zeigen von Hassbotschaften auf riesigen Schmähtransparenten keine Seltenheit. Auch über Rostock und das direkte Umland haben die FCH-"Ultras" wie -"Suptras" ungezählte Graffiti-Spuren hinterlassen. Die organisierte Fanszene von Hansa Rostock steht seit vielen Jahre berechtigt in dem Ruf, besonders viele Fan-Feindschaften mit anderen Klubs zu pflegen. Die Polizei ging zuletzt von bis zu 350 sogenannten C-Fans aus, die mit einer Gefährderansprache rechnen müssen. Doch laut dem Rostocker Senator für Ordnung und Sicherheit, Chris Müller–von Wrycz Rekowski, gibt es in der organisierten Hansa-Fanszene keine klar abgrenzbaren Personengruppen.
"Sondern es sind verschiedenen Gruppen, auch regional ganz unterschiedlich. Fußball hat auch eine politische Dimension erfahren. Auch die organisierten Fanszenen, die sie vorher nicht hatten. Wir erleben also auch politische Gruppierungen. Wir erleben auch Menschen, die sich richtig in Vereinen organisieren. "Fanszene Rostock e.V." ist einer der Ultra-Vereine. Insofern ist das eine ganz bewegliche Masse. Und da kommen dann immer mal wieder auch die sogenannten erlebnisorientierten Jugendlichen hinzu, die sich sagen: 'Oh, da ist ein Fußballspiel. Da gucken wir mal, da ist Trouble.'"

Senator sieht Fans auch als Teil einer Protestbewegung

Die meisten seien sehr jung, ergänzt der SPD-Lokalpolitiker, der die organisierte Hansa-Fankultur auch als Teil von Jugend- und Protestkultur empfindet.
"Also der Profifußball hat mit der Kommerzialisierung auch eine starke Polarisierung erfahren. Am Ende mit Jugendfanbewegungen, die gesagt haben: 'Das ist unser Sport, das ist unser Verein und nicht derjenigen, die die Gelddruckmaschinen haben!' Und wie Jugendkultur so ist - das ist Protestkultur. Was uns bewegt, ist, dass der Protest sich im Rahmen hält. Jetzt die Herausforderung: Andere Mannschaften, andere Gegner, lange Pause. Keiner kann so richtig einschätzen, was das Potenzial ist."

Die meisten Heimspiele gelten mindestens als Problemspiele

Die Bundes- und die Landespolizeiinspektionen in Rostock haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das sich an jenes aus Drittligazeiten anlehnt. Auch da gab es heikle Begegnungen. Nun stuft die Polizei 12 der 17 Zweitliga-Heimspiele von Hansa Rostock als Problem-, Risiko- oder sogar Hochrisikospiele ein. Der heutige Auftakt gegen den Karlsruher SC zählt dazu.
Doch während die anderen Zweitligagastgeber an diesem ersten Spieltag Corona-bedingt zumeist keine Gästefans in ihre Stadien lassen, haben die Rostocker den KSC-Anhängern 1.000 der insgesamt 14.500 zugelassenen Tickets zur Verfügung gestellt. Man darf gespannt sein, wer sich an das verhängte Pyro-, Glasflaschen- und Alkoholverbot vor und im Ostseestadion hält. Die anreisenden Fangruppen werde man bereits am Bahnhof trennen, so der Leiter der Polizeiinspektion Rostock, Achim Segebarth.
"Weil ein Aufeinandertreffen insbesondere bei Risikospielen doch mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Beteiligten oder teilweise auch Unbeteiligten verbunden ist, so dass es hier polizeilich absolut geboten ist, die Fanströme so zu kanalisieren, dass man sich dann begegnet. Aber dieser Begegnungsort ist das Stadion."

Stadt erwartet vom Verein mehr Engagement bei der Sicherheit

Im Stadion selbst ist allein der FC Hansa Rostock zuständig für Ordnung und Sicherheit. Die Stadt erwarte vom Fußballclub mehr Investitionen in Sicherheit und mehr Personal für die Beschäftigung mit der Fanszene, so Vize-Oberbürgermeister Müller-von Wrycz Rekowski. Schließlich werde die mecklenburgische Hansestadt nun bundesweit wieder mehr beachtet. Und welchen Begegnungen fiebert der frühere Hansa-Vorstandschef mit größter Freude beziehungsweise Sorge entgegen?
"Also sicherheitstechnisch ist das gar keine Frage. Das sind die beiden Spiele gegen den 1. FC St. Pauli. Da stehen sich die beiden Fan-Szenen extrem feindlich gegenüber. Hat eine lange Tradition. Viele Spiele, viele Ereignisse – da ist nie eine Fan-Freundschaft entstanden. Vielleicht auch ein unterschiedlicher politischer Blick auf manche Dinge. Das wird eine Riesenherausforderung sein. Sportlich freue ich mich natürlich, dass wir mal gegen Schalke 04 spielen. Wer hätte das gedacht? Hansa Rostock gegen Schalke 04?!"