Ostdeutsche Musik

Ein Jahr Ostrockmuseum in Kröpelin

Von Michael Frantzen · 01.07.2016
Deutschlands einziges Ostrock-Museum liegt auf dem flachen Land in Mecklenburg. Seit 20 Jahren tobt in Kröpelin der Dorfrock. Von Veronica Fischer bis Karat hatten sie schon alle Ostrock-Größen zu Gast.
Silly, Puhdys, Karat, CITY, Stern Combo Meißen, Kreis, Pankow, Berluc, Nina Hagen, Veronica Fischer, Klaus Renft … - nur mal so als Beispiel. Die Liste anspruchsvoller Ostrock-Bands ist lange nicht vollständig. Und alle sind auch nicht in Deutschlands einzigem Ostrockmuseum vertreten.
Egal, die Exponate sind alle Originale, die Ausstellung ist nicht ostalgisch angelegt. Um nach Kröpelin zu gelangen, muss man nicht über sieben Brücken gehen, die Ortschaft liegt auf dem flachen Land, in Mecklenburg. Seit 20 Jahren tobt dort der Dorfrock. Von Veronica Fischer bis Karat hatten sie schon alle Ostrock-Größen zu Gast.

Das Manuskript im Wortlaut:
Peters: "Der Ost-Rock – das war eben unsere Zeit."
Kropp: "Renft. Berlock. Stern Meißen. Lift. Ute Freudenberg."
Peters: "Karat. Ja: Silly. City."
Alle friedlich vereint – in Deutschlands erstem "Ost-Rock Museum".
Kropp: "Gehen wir hoch? Ok. Ich geh mal vor."
Das ist Rüdiger Kropp. Seines Zeichens: Bürgermeister von Kröpelin. Und: Alt-Rocker.
Kropp: "Irgendwo is das für mich ne Weltanschauung immer noch."
Der Ost-Rock.
Kropp: "Zur Einstimmung haben wir denn unser Logo hier an der Wand: Ost-Rock-Museum Kröpelin. Und interessant is ja: Wir haben das alte Emblem der DDR. Und das wird durchstoßen durch diese Fly-Gitarre. Die Gitarre is ja ein Symbol für Rock-Musik."
Tief im Osten, in den Weiten Mecklenburgs. Montagnachmittag, kurz nach drei. Draußen, auf der schnurgeraden Hauptstraße, macht ein niederländisches Touristen-Pärchen gerade Bekanntschaft mit den Fahrkünsten des durchschnittlichen Kröpeliners; drinnen, im "Ost-Rock-Museum", taucht Kropp – in Personalunion Rathaus- und Museumschef – ein in die wunderbare Welt von City und Co.
Kropp: "Das ist der große Flur im Ost-Rock-Museum. Hier haben wir mit einer Wandtapete die Geschichte des Ost-Rocks. Es geht ganz früh los: 1949."

Renft-Sänger "Monster Kuno Klaus" als Jugendidol

Kropp stapft los – vorbei an der Zeittafel. Die 50er und 60er sind schnell abgehakt, das interessiert ihn nicht so sehr. Die 70er umso mehr. Der Mann mit dem kleinen Wohlstandsbauch bleibt stehen: Da! Das Foto von "Renft" – das war seine Jugend. Lange Haare, Mittelscheitel, Schlaghosen: Seine Eltern – erinnert er sich – hätten eine mittlere Krise bekommen, als er plötzlich rumlief wie sein großes Idol "Monster Kuno Klaus", der Renft-Sänger.
Kropp: "Diese Unangepasstheit. Dieses... ja, sich nicht zu unterwerfen. Sie haben sich nich verbogen. Zum Beispiel die Ballade vom kleinen Otto: Hol mich nach Norden oder ich flieh. Die Deutsch-Mark, die harten, die ließen auf sich warten. Da ging er an die Autobahn und fuhr ungefährdet bis nach Wittenberge. Da sprang er in nen Elbe-Kahn. Das is eindeutig die Aufforderung: Entweder hier wird es anders oder ich gehe."
"Monster Kuno Klaus" ließ den Worten Taten folgen. Mitte der 70er ging er in den Westen, nachdem die DDR-Oberen Renft verboten hatten. Zu politisch. Kropp dagegen blieb. Machte Wehrdienst bei der NVA.
Kropp: "Ich weiß nur (lachend gesagt): Ich bin dann in die Kaserne gegangen, hatte ne bunte Plastiktasche von C&A in der Hand und hatte da eine Renft-Schallplatte drin. So! Bin dann gar nicht weitergekommen in der Kaserne."
Wegen der Renft-Scheibe.
Kropp: "Man hat die Platten, die es gab, eingezogen. Alle. So wie bei Manfred Krug auch. Wenn die Politiker gesagt haben: Den verbieten wir. Oder den weisen wir aus: Dann war auch gleichzeitig: Dann wurden die Platten aus den Geschäften geholt. Es gab den Mann dann im Plattenregal nicht mehr. In den Zeitungen nicht mehr. In den Medien nicht mehr."
Dankert: "Wenn mich einer fragen würde: Puhdys oder Renft – dann würde klar das Pendel zu Renft ausschlagen."
Tönt es vom anderen Ende des Museums.
Dankert: "Mich hat nen Spruch mal gestört: Die Puhdys haben gesagt: Wir wollen nur Musik machen. Und Renft wollten die Welt verändern. Und damit waren se durch – die Puhdys."

Ein Festival nur für Ost-Bands

Bei dem Mann, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass in der Mecklenburger Provinz heute der Puls des Ost-Rocks schlägt. Reinhard Dankert lacht an diesem schwülen Sommertag. Von wegen Provinz. Er ist das schon gewohnt; dass viele aus allen Wolken fallen, wenn sie hören: Ein Ost-Rock-Museum?! Auf dem platten Land?! In einer 5000-Seelen-Gemeinde, wo es gefühlt mehr Kühe gibt als Menschen?! Ganz schön bizarr. Bis sie mitbekommen, dass um die Ecke, in Schmadebeck, seit über 20 Jahren "Dorfrock" stattfindet – ein Festival nur für Ost-Bands; sie feststellen, dass Dankerts Begeisterung für Renft und wie-sie-alle-heißen schier grenzenlos ist. Überhaupt Renft. Dankert strahlt: Was für eine Band! Umso härter traf ihn das Verbot damals.
Dankert: "Man hat ja als Jugendlicher sowie so diesen Gerechtigkeitsfimmel. Das war wirklich ausgeprägt. Dass ich sage: Mensch, das kann man doch nicht machen. Die wollen doch nur Musik machen. Ein paar kritische Worte kann doch ein so starkes System ruhig aushalten. Im Staatsbürgerkunde-Recht haben wir nachgefragt, warum das denn so ist? Und warum man kein West-Rock hören kann? Man wurde dann automatisch abgestempelt. Man war sozusagen jemand, der das Regime kritisierte. Und subversiv sozusagen unterwandert. Das war völliger Quatsch. Wir waren einfach nur neugierig."
Dankert blieb: Neugierig. Und sich treu. Auch später, als es hieß, er solle mal lieber in die SED eintreten, sonst könne er das mit dem Schiffs-Elektronik-Studium vergessen. Über Umwege ergatterte er einen Studienplatz – trotz fehlenden Parteibuchs. Studierte: Vier Jahre lang. Bis er einen Job beim Institut für Meereskunde in Warnemünde fand. Forschung im Labor und draußen auf der Ostsee: Er habe sein Glück kaum fassen können. Sinniert der Mann von der Küste. Doch Mitte der 80er fingen die Probleme an.
Dankert: "'83 hab ich mein Seefahrtsbuch verloren. Ich hatte den Kontakt zu einer Ausreise-Antragstellerin nicht abgebrochen. Dann kam noch ne Scheidung dazu. Da war ich das Seefahrtsbuch los. Normalerweise wird man dann nach einem Jahr wieder, wenn nichts passiert is, man hat sich stabilisiert... dann kriegt man das Seefahrtsbuch wieder."
Dankert bekam nichts wieder. Er hatte jetzt ein Problem, ein ziemlich großes. Ohne Seefahrtsbuch konnte er nämlich nicht weiter raus auf die Ostsee – forschen. Der Mann mit dem grauen Rauschebart seufzt leise. Keine leichte Zeit. Die Kündigung. Die Suche nach einem neuen Job. Der Rock war da ein gutes Ventil, Frust abzubauen. Schon als Jugendlicher hatte er sich seine erste E-Gitarre gekauft – für 235 Ostmark. Für ihn war der Ost-Rock immer etwas Besonderes.
Dankert: "Es gab ja die besondere Situation, dass wir unter einer Käseglocke groß geworden sind. Die Mauer war da. Die ideologische Abtrennung vom Westen war da. Es gab diesen Kalten Krieg. Es war eben DDR-Rock-Musik. Da sie nicht so viel nachspielen durften, haben se eigene Titel gemacht. Und da sie alle Hochschul-Abschluss haben mussten für das Profi-Dasein, haben sie diese Titel auch sehr durchkomponiert. Dadurch ist eine ziemlich eigenen Kunstform entstanden."

Anstehen vor dem Plattenlade

Ab und zu schaut Dankert im Ostrock-Museum vorbei – seinem Baby. Organisieren, meint er, das kann er. Der Anfang 60-Jährige ist in Schwerin, der Landeshauptstadt, gut vernetzt. Er kennt die richtigen Leute. Für die SPD saß er mehrere Jahre lang im Landtag, bis die Landesregierung ihn zum Datenschutzbeauftragten machte. Spannende Materie. Meint er. Schließlich ist der Gebrauch personenbezogener Daten ein lukratives Milliarden-Geschäft – und anfällig für Missbrauch. Doch Dankert winkt ab. Hier im Museum interessiert ihn eigentlich nur eines: Die Musik. Seine Musik.
Dankert: "Ich kenn die Titel alle. Können von mir aus oben anfangen. City is fast normal. Weil die immer diese Gradwanderung zwischen Protest und Anpassung gut hingekriegt haben. Stern Combo Meißen ist vielleicht in der Anfangsphase nicht so bekannt gewesen."
Dankert: "Kampf um den Südpol is eigentlich mein Favorit, nach wie vor."
Kropp: "Wir sind jetzt hier im Plattenladen. Und zwar haben wir einen Plattenladen nachgestaltet."
Zurück zu Dankerts Mitstreiter Rüdiger Kropp – und einem weiteren Museums-Highlight.
Kropp: "Wir haben ein großes Wandposter hier. Das ist der Schallplattenladen in Rostock. In der Kröpeliner Straße. Und dort sehen wir eine lange Schlange von Menschen, die anstehen. Ich kenne einen guten Freund, der hat sich das angeguckt und gesagt: "Ja, genauso war’s. Ich hab schräg gegenüber gearbeitet. Jeden Dienstag gab es Platten und nicht mal die Verkäufer wussten welche. Dann is man einfach rüber gegangen und hat sich einfach angestellt." Der Jörg, der gute Freund, der guckt sich die Wandtapete an...(geht zur Tapete) ... und guckt hier auf diese Person und sagt: Ja, das bin ich."
Das braune Abspielgerät aus Gera, die Riesen-Lupe, mit der die Schallplattenverkäufer sehen konnten, ob eine Platte Kratzer hatte, die Joe Cocker Platte vom DDR-Label Amiga: Alles Originale.
Kropp: "Ganz oben steht da schon: 'Joe Cocker ist ausverkauft'" Und wir haben ja ein Museum, das man begehen kann und erleben kann. Und wenn wir mal hier rumgehen...(geht um die Ecke)...dann sehen wir Joe Cocker. Und wo isser?! Unterm Ladentisch."
Peters: "Das war heiß begehrt."
Ergänzt Museums-Mitarbeiterin Elke Peters. Die Frau mit dem blonden Haar kennt das noch von früher. Aus ihrer Zeit als DDR-Bibliothekarin in Kröpelin. In der Stadtbibliothek konnten die Leute nicht nur Bücher und Zeitschriften ausleihen, sondern auch Schallplatten.

Für DDR-Rockplatten brauchte es gute Beziehnungen

Peters: "Ob es Karat, ob es die Puhdys gewesen sind: Wir waren ja immer froh, wenn wir so eine ergattert haben. Dass wir gute Beziehungen haben mussten, um diese DDR-Rockplatten zu bekommen."
Kropp: "So! Dann gehen wir in die nächste Ecke. Wir haben ja jeden Quadratmeter ausgenutzt. Das ist der sogenannte Kommissionsraum, den wir hier nachgestellt haben. Es is ja so gewesen, dass die Bands, die Künstler, alles vorlegen mussten. Und dann kam die Entscheidung: Ja oder Nein. Könnt ihr spielen oder nicht. Wir haben hier auch sehr viele Original-...(blättert)...Ausweise zum Beispiel. Jeder Musiker, der hier in der DDR auftreten wollte, musste eine Prüfung ablegen. Hat daraufhin seinen Musiker-Ausweis bekommen."
DJs bekamen auch einen Ausweis. Wobei: Die hießen gar nicht DJs im Arbeiter- und Bauernstaat, sondern:
Gerstmann: "Staatlich geprüfter Schallplatten-Unterhalter der DDR."
Weiß Frank Gerstmann zu berichten. Alias DJ Tonart.
Gerstmann: "Franks Beatkiste – eine Sendung rund um das Thema Ost-Beat. In der Tradition der legendären Wertungssendung Beatkiste auf 'Stimme der DDR' …"
Einmal im Monat legt Gerstmann auf – im Internet-Radio Warnow-Rostock – zu "Franks Beatkiste". Beat wie in: Ost-Beat. Ost-Rock: Den Begriff mag er nicht so gerne. Weil: Das ist:
Gerstmann: "Eine Erfindung des Westens, ja, ja. Der abschrecken sollte, am Anfang, nach der Wende. Aber relativ schnell eine Art Qualitätssymbol geworden is. Oder zumindest eine Marke."
Ergo bleiben wir bei: Ost-Rock. Frank Gerstmann nickt. So genau nimmt er es da nicht. Hauptsache der Beat stimmt. Das war bei ihm schon früher so, zu DDR-Zeiten, als er sich vieles vorstellen konnte, nur nicht, dass einmal einige seiner Rocker-Devotionalien in einem "Ost-Rock-Museum" landen würden. Rock aus dem Osten: Für den Mann, der heute hauptberuflich chronisch-psychisch-Kranke betreut, war das immer eine Frage der Haltung; der richtigen.
Gerstmann: "Es war für mich das, was anders klang als Schlager. Oder diese unsäglichen Orchester-Geschichten von James Last und Konsorten. Also, James Last war als Teenie mein musikalisches Feindbild. Er hat ja auch in fürchterlich weichgespülten Orchester-Versionen so was wie "Smoke on the water" gebracht. Und wenn ich das gehört habe, dann is mir immer ganz schlecht geworden. Es musste nen bisschen krachen. Die Gitarren mussten krachen. Es musste eben beaten."
Gerstmann: "So. Ich mach mal lauter. (Rock-Musik)

Staatlich geprüften Schallplatten-Unterhalter der DDR

Der Rock hat Gerstmann sein ganzes Leben begleitet, der Ost-Rock. Für ihn war das Hobby und Berufung zugleich. Gute Musik auflegen. Deshalb auch sein Abschluss 1988 – zum "staatlich geprüften Schallplatten-Unterhalter der DDR."
Gerstmann: "Da war ich Schwimm-Meister in einem Freibad. Ich wollte auch dort im Freibad, wenn man badet, schön Musik laufen lassen. Ich hab ja schon Jahre vorher... hab ich als Schwarz-Mucker, wie man so sagt... klar hab ich schon Disco gemacht vorher. Schwarz-Mucker heißt einfach: Man hat keine Einstufung. Und spielt trotzdem. Na klar hab ich bei allen möglichen Veranstaltungen da gespielt. Auch Geld bekommen. Aber alles schwarz natürlich."
Lange vorbei. Die DDR auch. Geblieben ist die Musik. City und Co – sie sind immer noch populär. Im Osten.
Gerstmann: "Das hat mit Identität zu tun. Wir sind schon zwei Mal nach Bayern gefahren, weil wir uns Haindling angehört haben. Ein grandioser Musiker. Und dann stelle ich mir manchmal vor: OK, was is mit einem, der in Bayern groß geworden is, wenn man dem plötzlich über Nacht sein Bayern einfach wegnehmen würde? Er würde sich an seine Musik, mit der er groß geworden is, auch irgendwie festhalten und sagen: Damit identifiziere ich mich. Und so ist es sicher auch mit dem Ost-Rock."
Trebeß: "Wir haben das gehört. (Polkehn) Oh ja."
Zwei ostdeutsche Dozenten, eine Meinung: Hanka Polkehn und Achim Trebeß müssen lachen. Soll vorkommen. Es ist Mittwochvormittag, kurz vor halb elf. Wismar, die Fakultät für Gestaltung der Hochschule.
Trebeß: "Natürlich kannte man die Sachen. Und was mir immer sehr spezifisch gewesen is für den Ost-Rock, ist die Haltung zum Publikum. Die ist sicherlich anders, als das in anderen Ländern gewesen war. Also, ne Möglichkeit, Wünsche, Träume, Kritiken auszudrücken, die ne Verbindung geschaffen hat, zum Publikum."
Polkehn: "Denke, es hat auch viel mit der Literatur zu tun, der Ost-Literatur. Dass es hochkarätigste Autoren waren. Und Komponisten, die für die zum Teil geschrieben haben. Das alles is, glaube ich, so nen unverwechselbarer Charme."
Polkehn und Trebeß haben zusammen mit einer Handvoll Studierenden das Ausstellungskonzept für das Ostrock-Museum entwickelt. Kostenlos. Finanziell war da nichts zu holen, meint Trebeß lachend. Aber wann bekommt man schon die Chance, ein komplettes Museum selbst zu gestalten. Ergo halfen die Wismarer Wissenschaftler den Kröpeliner Alt-Rockern auf die Sprünge; schufen ein interaktives Museum zur Geschichte des Ostrocks, von denen einige sagen, seine letzte Stunde habe mit der Wiedervereinigung geschlagen. Trebeß schüttelt den Kopf. Stimmt nicht.
Trebeß: "Ich glaube, dass die Rolle, die der Ost-Rock heute spielt, auch wieder ne politische Bedeutung hat. Dass es eine Reaktion ist auf das recht einseitige Verhältnis, dass man in der Bundesrepublik zur DDR hat. Dass über den Ost-Rock etwas wieder mehr spürbar und sichtbar werden kann, was auch DDR gewesen ist."

Geschichte konserviert, ohne Nostalgie

Renft, Stern Combo Meißen, Veronika Fischer: Imke Wendt – eine der beteiligten Studierenden – kennt die Ost-Rocker allenfalls von den Schallplatten ihrer Eltern. Die Innenarchitektur-Studentin ist ein Nachwende-Kind. Ost-West: Für sie: Längst kein Thema mehr. Einerseits. Andererseits findet sie es wichtig, dass es einen Ort gibt, an dem die Geschichte des Ostens nicht nur konserviert, sondern erlebbar gemacht wird.
Wendt: "Ohne halt in die sogenannte Ostalgie zu verfallen. Ohne das irgendwie ins Lächerliche zu ziehen. Oder Sachen zu verschweigen, die einfach da waren."
Wie zum Beispiel: Das rote Telefon. Im Kommissionsraum.
Kropp: "Jetzt können wir mal, wenn das geht, Walter Ulbricht anrufen. (wählt auf Telefon Nummer) (Ulbricht vom Band): "Is es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Yeah, Yeah, Yeah oder wie das alles heißt, ja?! Sollte man doch Schluss machen."
Von wegen! Dachte sich Rüdiger Kropp schon damals. Es ist spät geworden. Kropp schaut auf seine Armbanduhr: Gut eine viertel Stunde noch – dann schließt das Museum. Eigentlich müsste er schon längst zurück im Rathaus sein, in seinem Büro; Akten wälzen. Die letzten Karten rausschicken für das "Dorfrock"-Festival. Da kümmert er sich auch noch drum. Beim letzten Mal kamen knapp tausend Fans. Kröpelins Ober-Rocker steuert den Ausgang an, ehe er stehen bleibt. Der "Reliquien-Raum": Wäre eigentlich schade, den einfach links liegen zu lassen. Also hin zum silbernen Hut von Fritz Puppel, dem City-Sänger. Den blauen Fellstiefeln von Knorkator mit den 15 Zentimeter hohen Absätzen; den Devotionalien all derer, die schon gerockt haben - bei "Dorfrock".
Kropp: "Hier haben wir ganz kurz unsere Philosophie aufgeschrieben – des Dorfrocks. Also das D steht für "Dorfrock ist Kult". Das O: "Ostrock-Bands live." Das R: "Rockspektakel auf dem Dorf". Ganz wichtig: Das F für "familiäre Atmosphäre". Das R: "Richtig rockig feiern". Ganz wichtig das O: "Ohne Playback." Und dann das C: "Chance für Nachwuchs-Bands." Und das letzte ist der Buchstabe K: "Kein Kommerz."
Kropp schließt die Tür. Vorhin hat er erfahren, dass der Fördermittelbescheid vom Land da ist. Ein Lächeln huscht über seine Lippen. Sie bekommen die versprochenen 7215 Euro. Nicht die Welt, aber genug, um weiter die Werbetrommel zu rühren - für Rock made in the GDR.
Kropp: "Ja, das is eigentlich so die Kurz-Geschichte von dem Museum."
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