Orson Welles

Am Anfang war ein Zauberkasten

Orson Welles als Harry Lime im Thriller "Der Dritte Mann" aus dem Jahr 1949.
Orson Welles als Harry Lime im Thriller "Der Dritte Mann" aus dem Jahr 1949. © Imago / AD
Von Mathias Schulenburg · 06.05.2015
Schauspieler, Regisseur und Zauberer: Orson Welles galt als multimedialer Illusionskünstler. Der Film verdankt ihm zahlreiche Innovationen, die zum großen Teil bis heute Bestand haben. Vor 100 Jahren wurde der US-Amerikaner geboren.
Dieses Spektakel, 1938 - eine fiktive Radioreportage über Aliens vom Mars, die die Ostküste der USA überfallen, machte den jungen Amerikaner Orson Welles endlich bekannt. Anderntags berichtete die Presse von Panik in der Bevölkerung. Welles musste sich rechtfertigen:
"Das war für uns ein Schock, dass H.G. Wells alter Klassiker, Vorbild für so viele Stories und sogar Comic Strips, bei den Hörern solche Reaktionen auslöste. Die Invasion von Mars-Monstern war für uns nur ein Märchen."
In der Tat: Die behauptete Massenpanik, weiß man heute, war vor allem eine Zeitungsente, die den jungen Rundfunk, eine wachsende Konkurrenz zu den Printmedien, als Nachrichteninstanz in Misskredit bringen sollte.
Orson Welles wurde am 6. Mai 1915 in Kenosha/Wisconsin geboren; der Vater war Industrieller, die Mutter Pianistin. Als Orson vier Jahre alt war, schenkte ihm die Mutter einen Zauberkasten, der ihn wohl zur Illusionskunst führte, zu Magie, Film und Theater.
Mehr Erfolg in Europa
Sein Debüt als Theaterschauspieler hatte er 1931 am Gate Theatre in Dublin, wo er, gerade 16 Jahre alt, den Hamlet gab. Nach rastlosem Hin und Her wieder in Amerika, gründete er 1937 sein Mercury Theatre, dessen Ensemble auch die Invasion vom Mars gespielt hatte.
Die RKO Pictures nahmen ihn, gerade 24 Jahre alt, als Regisseur für einen Film seiner Wahl unter Vertrag - es wurde "Citizen Kane". François Truffaut urteilte: "Alles, was im Kino nach 1940 Bedeutung hat, ist von 'Citizen Kane' beeinflusst." Der Film zeigt in Rückblenden Erinnerungen des sterbenden Zeitungsmagnaten Charles Foster Kane, dargestellt von Orson Welles, der seiner verlorenen Kindheit nachtrauert, die er an zwei gänzlich wertlosen Gegenständen festgemacht hat, einem alten Kinderschlitten mit der Aufschrift Rosebud und einer Schneekugel.
Die Kritik reagierte großenteils enthusiastisch; kommerziell aber wurde das Unternehmen ein Misserfolg. Die Europäer waren für Welles' Kunst stärker empfänglich, weshalb es ihn auch immer wieder nach Europa zog.
"Der Dritte Mann" war der wohl populärste Film, in dem Orson Welles eine Rolle spielte. Er stellte den Schurken Harry Lime dar, dem Welles beim Dreh zur Überraschung der Regie Worte in den Mund legte, die später als sogenanntes Kuckucksuhr-Zitat berühmt wurden:
"In Italien hatten sie in den 30 Jahren unter den Borgias nur Krieg, Terror, Mord und Blut. Aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und das Resultat? Die Kuckucksuhr."
Ein leidenschaftlicher Magier
Die Schweizer werden hier bis heute nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Kuckucksuhr eine Schwarzwälder Errungenschaft ist. Der Zauberkasten der Mutter trug weiter Früchte, Welles war auch als gereifter Mann ein leidenschaftlicher Magier. Er zersägte Marlene Dietrich auf der Bühne, bei lebendigem Leibe, so sauber, dass sie sofort wieder zusammenwuchs, ohne sichtbare Blessuren. Er holte eine Ente aus dem Nichts, um sie, die rücklings auf seiner ausgestreckten Hand lag, mit einem stechenden Blick zu hypnotisieren.
Orson Welles starb im Oktober 1985 in Los Angeles an Herzversagen. Seine Asche ruht in einem von Blumen bedeckten Brunnenschacht nahe Ronda in Spanien, auf dem Gelände seines langjährigen Freundes Antonio Ordóñez, einst Stierkämpfer. Mehr geht eigentlich nicht.
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