Origineller Einblick in die Welt der Religionen

Von Michael Hollenbach · 02.10.2010
Die Sonderausstellung im Hygiene-Museum spannt einen weiten Bogen von einer Art Voodoo-Kult bei den alten Römern bis zu aktuellen Konflikten um Kopftuch oder Kruzifix. Zu sehen ist sie noch bis zum Evangelischen Kirchentag im Juni.
Obwohl die Ausstellung "Kraftwerk Religion" sich nur auf drei Räume verteilt, vermitteln die 300 Exponate aus Museen und Bibliotheken aus aller Welt einen tiefen und oft originellen Eindruck in die Welt der Religionen. Kuratorin Petra Lutz erhebt nicht den Anspruch, umfassend über die Religionen informieren zu wollen, sondern setzt auf interessante Schlaglichter. Zum Beispiel zum Islam mit einer arabischen Spielzeugpuppe: nicht blond, sondern mit Kopftuch, nicht sexy, sondern verhüllt:

"Fulla ist eine Puppe, die durchaus aussieht wie eine Barbie-Puppe, aber sie ist in islamischer Weise gekleidet, diese Fulla ist sehr verbreitet in muslimischen Ländern, wo Barbies eher nicht so angesagt sind, und hier steht es auch als Beispiel dafür, dass wir durch die Puppen, mit denen wir spielen, bestimmte Rollenbilder mitgeteilt kriegen."

In einem Bereich, der dem Heiligen gewidmet ist, finden sich zahlreiche Kruzifixe - so etwas wie religiöser Ausschussware der Postmoderne:

"Was macht man eigentlich mit heiligen Dingen, die man nicht mehr braucht? Zum Beispiel diese Art Kreuze, wie sie in vielen katholischen Haushalten zu finden sind, die werden in letzter Zeit ganz verstärkt in Museen abgegeben, weil Leute, die erben, das mit dieser Form des Glaubens nicht mehr verbinden, und die haben dann ein Problem, weil man kann so ein Kreuz auch nicht einfach wegwerfen."

In der Ausstellung geht es auch um aktuelle Konflikte wie eben beim Kruzifix in der Schule oder der Frage, ob muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen. In kurzen Videoeinspielungen kann man kontroverse Statements hören:

"Mein Standpunkt ist, dass in einem aufgeklärten Land wie Deutschland, Frauen mit und ohne Kopftuch ihren Beruf ausüben können." - "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frauen, die Kopftuch tragen, dass aus eigenem Willen machen." - "Ich bin davon überzeugt, dass wir auch immer mehr Menschen bedürfen, die für ihren Glauben eintreten und das auch zeigen."

Bei einem anderen Teil der Ausstellung, die neben den Exponaten und Texten sehr stark mit Videos und Audioinfos arbeitet, geht es um Streit in religiösen Gemeinschaften: Zum Beispiel um die Kontroverse um das Kondom in der katholischen Kirche, die Selbstmordattentate im Islam oder das Scheidungsrecht im orthodoxen Judentum:

"Das Männer und Frauen sehr unterschiedlich behandelt, was dazu führt, dass orthodox verheiratete Frauen sich gegen den Willen des Mannes nicht scheiden lassen können, weil sie von ihm einen Scheidungsbrief brauchen."

Wie zum Beispiel in Israel, wo es kein säkulares Scheidungsrecht gibt.

Bei den Exponaten zum Thema "Eintritt in eine Religionsgemeinschaft" sind das
Taufkleid von Thomas Mann, eine Beschneidungswindel eines jüdischen Jungen und die Taufschale von Friedrich Nietzsche zu sehen. Und beim Thema Tod und Sterben war die Qual der Auswahl besonders schwer, meint Kuratorin Petra Lutz. Unter anderem hat man sich für ein Flugblatt vom Februar 1546 entschieden, das über den Tod des Reformators Martin Luther informierte:

"In dem Moment, wo er gestorben ist, gingen auch schon die Flugblätter rundum, dass er glücklich gestorben ist, weil das ganz zentral war, dass er nicht in letzter Minute vom Teufel geholt wurde oder in den Schoß der katholischen Kirche zurückgegangen ist."

In dem letzten Ausstellungsraum fällt der Blick auf spielerisch an die Wand geworfene Sinnfragen:
"Was kommt nach dem Leben? Wieso Kreuzen sich Parallelen im Unendlichen? Dürfen wir alles, was wir können? Soll ich alles verschenken? Wie kommt das Böse in die Welt? Was ist das Wichtigste im Leben? Wohin gehen wir? Haben wir noch eine Chance? Wann beginnt meine Zukunft? Wie komme ich hier heraus? Was hat das Leben mit mir vor? Ist Gott gut oder allmächtig? Gibt es die einzig wahre Liebe? Wie bringe ich Gott zum Lachen?"

Klaus Vogel, der Direktor des Deutschen Hygiene-Museum, verbindet mit der Ausstellung "Kraftwerk Religion" vor allem zwei Hoffnungen:

"Die eine Hoffnung ist, dass wir mehr Gelassenheit in Sachen Religion erzeugen können bei denen, die die Ausstellung gesehen haben, und das andere ist so einfach und doch so schwer - wir hoffen, dass wir zeigen können, dass Religion tatsächlich ein Bestandteil in der Moderne ist hier und heute."

Zum Thema:Homepage des Deutschen Hygiene-Museums