Originalton

Das Schreiben

Die Nahaufnahmen einer Schreibfeder.
Bodo Morshäuser: "Die Handschrift gehört der Notiz." © picture-alliance/ dpa / Hans Wiedl
Von Bodo Morshäuser · 27.08.2014
Kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen: "Originalton" heißt ein täglicher Bestandteil unserer Sendung "Lesart" - kurze Texte, um die wir Schriftsteller bitten. In dieser Woche befasst sich Bodo Morshäuser mit dem "Kerngeschäft" eines Autors.
Alles beginnt mit dem Einfall. Es geht weiter mit der Notiz. Die Notiz muss ausgeschrieben werden. Eingeschrieben in den Text, der entsteht. Das Schreiben ist zwar die Kernbeschäftigung, aber auch nur ein Teil des großen Schreibprozesses. Wenn geschrieben wird, herrscht Ruhe. Meistens jedenfalls. Wenn geschrieben wird, ist alles an seinem Ort. Ich habe es an Stehpulten versucht. Geht nicht. Ich habe es in der Natur versucht, ein Schreibbuch auf dem Oberschenkel. Geht höchstens für die allererste Niederschrift. Früher gab es diese unglaublich wichtige Frage: Schreibst du mit der Hand oder mit der Maschine? Darin verbarg sich die Weltanschauungsfrage, ob man Natur oder Plastik ist, tief oder hohl.
Früher, viele Jahre lang, als Schreibmaschinen noch einen Lärm machten, als säße man in einer Maschinenhalle, habe ich alles mit der Hand geschrieben. Dann habe ich es abgetippt. Habe es mit Handschrift verbessert. Es wieder abgetippt. Undsoweiter. Seit ich mit Computern arbeite, vertraue ich einer ersten Fassung auch dann, wenn sie nicht mit der Hand geschrieben ist. Bald fand dann die gesamte Arbeit am Rechner, wie man früher sagte, statt. Dabei ist es geblieben. Die Handschrift gehört der Notiz, der Text wird vor dem Bildschirm geschrieben, verbessert, überarbeitet, zusammengekürzt - alles. Ich genieße das. Ich finde es unglaublich komfortabel.
Schreiben heißt nicht, stillzusitzen
Habe ich vor dem Schreiben recherchiert, so muss ich das Ergebnis lesen können. Und zwar auf eine Weise, dass es am Schreibtisch beim Schreiben händelbar wird. Rechts und links des Computers liegen irgendwelche Papiere. Oder Listen. Oder Statistiken. Oder Landkarten. Oder Beziehungsgeflechte von Personen, über die ich schreibe. Manchmal liegen da selbst angefertigte Zeichnungen von Schauplätzen. Auf einer Wandtafel stehen zentrale Begriffe. Schreiben heißt also: Gut sitzen, gut Ruhe haben, das richtige Material rechts und links, und einen ziemlich klaren, am besten ganz und gar ausgeschlafenen Kopf.
Schreiben heißt nicht, stillzusitzen. Es ist wie bei den Einfällen. Es kann unglaublich nützlich sein, aufzustehen und irgendwelche Sachen in der Wohnung zu machen, bei denen ich aus anderen Perspektiven an das denke, was ich eben geschrieben habe und was danach gleich geschrieben werden soll. Manchmal muss ich alles stehen und liegen lassen und zum Schreibtisch rasen, um den perfekten Satz aufzuschreiben, den ich eben vor mich hin gesagt habe. Aus dem entsteht der nächste Satz. Und der nächste. Und der nächste.
Bodo Morshäuser
Bodo Morshäuser© Privat
Der Schriftsteller Bodo Morshäuser, gebürtiger Berliner, ist auch ein gestandener Radiomann. In den 70er-Jahren arbeitete er für den RIAS und den Sender Freies Berlin. Anfang der 80er Jahre verfasste und moderierte er regelmäßig Sendungen der Reihe Plattensprünge im SFB-Jugendfunk. Noch heute verfasst er Radioerzählungen, Features und Rezensionen.
Als Autor wurde Morshäuser bekannt mit Romanen wie "Die Berliner Simulation", "Blende" oder "Der weiße Wannsee". In diesem Jahr erschien sein Roman "Und die Sonne scheint", eine Selbstbeobachtung über das Leben mit einer Krebserkrankung.
Mehr zum Thema