Originalton

Ausgerechnet Neukölln, Teil 3

Das Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn in der Hasenheide im Berliner Stadtteil Neukölln
Schon vor über 200 Jahren errichtete Friedrich Ludwig Jahn in der Hasenheide den ersten öffentlichen Sportplatz. © picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke
Von Daniel Schreiber · 01.10.2014
Hyde Park, Central Park, Tiergarten? Ach was! Der beste Park der Welt ist die Hasenheide in Berlin-Neukölln, meint Daniel Schreiber.
Wie Neukölln hat auch die Hasenheide einen schlechten Ruf. Den hatte sie schon immer und wahrscheinlich wird sich auch nichts daran ändern. Dabei hat sie einen eigentlich ganz adretten Namen. Den hat sie, weil Ende des 17. Jahrhunderts Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hier ein Hasengehege anlegen ließ. Das alles sich nahtlos in das neue deutsche Biedermeier einfügen und für ein gutes Image sorgen. Das tut er aber nicht, im Gegenteil.
Trotz ihrer Größe von 50 Hektar wirkt die Hasenheide eher wie ein kleiner Park. Auch landschaftsgärtnerisch macht sie nicht viel her. Dem sonst so verlässlichen Lenné war hier die Puste ausgegangen. Die Nationalsozialisten setzten während ihrer Olympia-Umbauarbeiten noch eins drauf und errichteten mitten im Park einen Riesenbunker. Weder hält sie internationalen Vergleichen stand - gegen den Bois de Boulogne, den Hyde Park oder den Central Park ist sie ein Witz - noch kann sie es mit anderen Berliner Parks aufnehmen. Sie war nie ein Tiergarten. Und auch gegen das benachbarte Tempelhofer Feld mit seinen schicken Buckminster-Fuller-Kugeln und seinen Urban-Gardening-Hochbeeten kann sie nichts ausrichten. Trotzdem ist sie der beste Park der Welt.
Ich selbst habe die Hasenheide auch lange nicht gemocht, obwohl ich fünf Minuten entfernt wohne. Wenn ich es schaffte, mir die Turnschuhe zum Joggen überzuziehen, tat ich das vor allem, um bei den unzähligen dortigen Drogendealern ein bisschen Haschisch zu kaufen. Oder einen Kaffee in der Hasenschänke zu trinken - einem heruntergekommenen, graffitiverschmierten 50er-Jahre-Kiosk mit Plastikstühlen und Eis am Stiel.
Erst als ich mich von einer schweren Lungenentzündung erholte, lernte ich den Park lieben. Es war ein für Berlin überraschend sonniger Juni. Die mickrigen Pflänzchen im Rosengarten hatten gerade zu blühen begonnen. Ich ging jeden Tag wie ein alter Mann spazieren und schaute mir die Leute an. Auf der FKK-Wiese tummelten sich nackte Arbeitslose, die Drogendealer standen faul im Schatten der Bäume, in der Nähe des mit Enten bevölkerter künstlichen Teichs feierte eine arabische Großfamilie ein kleines Fest, Kindergärtner bugsierten Horden von Dreijährigen durch den Streichelzoo, gesundheitsbewusste Studenten drehten glücklich ihre Joggingrunden um den Park und ein paar Hindus legten ein paar Blumenkränze vor der Baustelle des Tempels ab, an dem sie noch Jahre bauen würden.
Ich war damals in einer recht morbiden Stimmung, immerhin wäre ich fast gestorben. Bei den meisten stellte ich vor, auf welche Art und Weise sie einmal sterben würden. Doch irgendwann schlug die Stimmung um. Es begann, mich regelrecht glücklich zu machen, in den Park zu kommen und mir die Menschen anzuschauen. Alle möglichen Menschen schienen ihren ganz eigenen, gewöhnlichen Beschäftigungen nachzugehen. Es schien hier so viel Leben zu geben.
Nicht lange danach hörte ich mit dem Trinken auf und heute gehöre ich nun wirklich zu den Menschen, die fröhlich ihre Joggingrunden durch die Hasenheide drehen. Und einmal im Jahr pflücke ich dort Holunderblüten und mache ein Gelee draus. Nach all den Jahren habe ich auch endlich herausgefunden, was mit dem Bunker passiert ist. Berliner Trümmerfrauen haben ihn nach dem Krieg abgetragen zu einem fast 70 Meter hohen Berg aufgeschüttet. Die sogenannte Rixdorfer Höhe ist der höchste Punkt Neuköllns. Sie ist heute dicht mit Bäumen bewachsen, ideal zum Hoch- und Runterlaufen. Ich hatte keine Ahnung gehabt.
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