Organspende – ja oder nein?

Moderation: Gisela Steinhauer · 02.06.2012
12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Jeden Tag sterben Patienten, die vergeblich auf eine neue Niere, eine neue Leber oder ein neues Herz gehofft haben. Ein neues Gesetz soll das jetzt ändern. Aber was bringt die Neuregelung?
12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Jeden Tag sterben drei Patienten, die vergeblich auf eine neue Niere, eine neue Leber oder ein neues Herz gehofft haben. Denn die Spendenbereitschaft ist nach wie vor gering, nur ein Viertel der Bundesbürger besitzt einen Spenderausweis. Ein neues Gesetz zur Organspende soll dies ändern.

Das Gesetz sieht eine "Entscheidungslösung" vor: Jeder Bürger ab 16 Jahren wird von seiner Krankenkasse angeschrieben und aufgefordert, sich zur Organspende zu erklären – ob er dafür, dagegen oder noch nicht entschieden ist. Einen Zwang zur Entscheidung soll es nicht geben.

Kaum ein Wissenschaftler kennt die Problematik so umfassend, wie Eckhard Nagel. Der Mediziner und Philosoph ist Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen, von 2001 bis 2010 war er Leiter des Transplantationszentrums am Klinikum Augsburg und ist Mitglied im Nationalen Ethikrat.

Unermüdlich wirbt er in Vorträgen und Gesprächen dafür, dass sich mehr Menschen für einen Organspendeausweis entscheiden. Dem Mediziner geht die Entscheidungslösung nicht weit genug: "Ich hätte mir eine Entscheidungspflicht gewünscht." Für Eckhard Nagel ist es "eine gesellschaftliche Aufgabe", sich mit der Organspende auseinanderzusetzen. Allerdings müsse jeder die Möglichkeit behalten, sich für oder gegen eine Spende auszusprechen. "Nur eine umfassende Information und eine ausreichende Bedenkzeit helfen weiter. Wir wollen und dürfen niemanden überrumpeln, sondern die Entscheidung zur Organspende muss höchst selbst getroffen werden."

Alexandra Manzei steht der Neuregelung skeptisch gegenüber: "Das ist eine Lösung, die dem Problem nicht gerecht wird", sagt die Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin von der Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar. Der eklatante Mangel an Organen könne auch damit nicht behoben werden. "Zum einen gibt es gar nicht so viele Hirntote, offiziell 4000. Und selbst wenn man von allen offiziellen Hirntoten eine Zustimmung hätte, müssten deren Organe über Eurotransplant über sechs Länder verteilt werden."

Die ehemalige Krankenschwester, die jahrelang Komapatienten und potenzielle Organspender auf der Intensivstation versorgt hat, ist eine Kritikerin der Hirntod-Diagnose, die als Grundlage für eine Transplantation dient. Deshalb hat sie auch keinen Organspendeausweis. Ihre Überzeugung: "Hirntote sind Sterbende".

Den Menschen müsse klar gesagt werden, was Hirntod bedeute, dass das Gehirn zwar irreversibel ausgefallen sei, aber die Organe noch funktionstüchtig seien. "Das ist es ja, worunter viele Angehörige leiden. Sie sehen diese Patienten, die genauso aussehen, wie zu dem Zeitpunkt, wo sie 'nur' bewusstlos waren. Es bewegt sie: 'Hat er etwas gespürt? Warum bekommen Hirntote Narkotika, wenn sie doch für tot erklärt werden?' Das kann man den Menschen nicht verschweigen. Und ich denke, da liegt auch der Grund, dass viele zurückschrecken."
http://www.ethikrat.org/ueber-uns/mitglieder/eckhard-nagel
"Organspende – ja oder nein?"

Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Alexandra Manzei und Eckhard Nagel. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:

Über Prof. Dr. Alexandra Manzei: http://www.pthv.de/pflegewissenschaft-dozenten/prof-manzei.html?style=medium

Über Prof. Dr. Eckhard Nagel: http://www.ethikrat.org/ueber-uns/mitglieder/eckhard-nagel

Zum Thema Organspende:
http://www.dso.de/
Mehr zum Thema