Organisierte Kriminalität

Die Mafia in Deutschland

Zwei Jugendliche nehmen an einer Demonstration gegen die Mafia Organisation 'Ndrangheta in der Stadt Reggio Calabria, in Kalabrien, Süditalien teil. |
Protest gegen 'Ndrangheta in Italien. Auch in Deutschland ist die kalabrische Mafia-Organisation tätig © picture alliance / dpa / Franco Cufari
Von Maike Albath · 15.04.2017
Die organisierte Kriminalität boomt - auch in Deutschland. Zwei neue Bücher befassen sich mit dem Phänomen und plädieren für eine beherztere Politik. Besonnen das eine, pathetisch das andere. Doch lesenswert sind beide, sagt unsere Kritikerin.
Deutschland ist ein Paradies – vor allem für die organisierte Kriminalität. Die Wirtschaft boomt, Baufirmen expandieren, die Bürokratie funktioniert, und wer eine Wohnung in bar bezahlt, erregt kein Aufsehen. Dass sich in der vermeintlich ruhigen Bundesrepublik kriminelle Strukturen besser etablieren können als anderswo, zeigen zwei neue Bücher. Der Journalist Olaf Sundermeyer beleuchtet in seinem konzisen Lagebericht "Bandenland" die Schattenseite der offenen EU-Grenzen und zeigt, wie reisende Banden aus Osteuropa und arbeitsteilig agierende Clans systematisch Einbruchsserien durchführen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Einbrüche um ein Drittel gestiegen, hinzukommen Auto- und Fahrraddiebstähle.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Olaf Sundermeyer: "Bandenland"© C.H Beck Verlag

Die Polizei ist unterbesetzt, die Aufklärungsquote niedrig

Eine kriminelle Karriere gelte in bestimmten Milieus als normale Laufbahn mit hohem Sozialprestige, schreibt Sundermeyer, zumal die Risiken, für die Straftaten zur Rechenschaft gezogen zu werden, gering seien. Die Polizei ist unterbesetzt, die Aufklärungsquote niedrig. De facto herrsche häufig Straflosigkeit, so Sundermeyer, und das Vertrauen in staatliche Strukturen sinke. Gerade deshalb plädiert Sundermeyer – ohne rechtspopulistischen Schaum vorm Mund – für eine neue Sicherheitsdebatte und einen offenen Umgang mit den Folgen von Migration. Er dringt auf die Stärkung des Polizeiapparats, die Verbesserung der Gesetze und internationale Zusammenarbeit.

Hören Sie hier ein Gespräch mit Olaf Sundermeyer über sein Buch:

Wie notwendig die Einrichtung einer schlagkräftigen europäischen Anti-Mafia-Behörde wäre, bestätigt die Lektüre von "Die Mafia in Deutschland". Die organisierte Kriminalität italienischer Provenienz operiert mit hochbeweglichen Zellen und macht sich die Freiräume der Globalisierung zunutze. Während in Italien die Beweislastumkehr gilt, man die legale Herkunft größerer Geldsummen belegen muss und das Eigentum von Mafiaangehörigen sofort beschlagnahmt werden darf, biete Deutschland enorme Freiheiten. Ob im Bauwesen, bei Immobilien, Importfirmen, Lebensmittelläden oder Restaurants, überall könne Geld aus unlauteren Quellen investiert werden.

Pflichtlektüre für jeden politisch wachen Menschen

Auf der Grundlage zahlreicher italienischer und deutscher Gerichtsverfahren und Recherchen in beiden Ländern skizzieren David Schraven und Maik Meuser die Aktivitäten verschiedener ´Ndrangheta-Clans in Deutschland. Die ´Ndrangheta, die kalabrische Variante der Mafia, ist mittlerweile die mächtigste Organisation unter den mafiösen Vereinigungen und erwirtschaftet mit mehr als 50.000 Mitgliedern einen Umsatz von 53 Milliarden pro Jahr. Da sie bis heute auf Blutsverwandtschaft beruht, sind Kronzeugen immer noch selten. Die Journalisten nutzen die beklemmenden Aussagen der in Baden-Württemberg geborenen Maria G. als erzählerische Klammer ihres Berichts. Die Mutter von fünf Kindern schildert anschaulich, nach welchen Regeln ein Clan funktioniert.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
David Schraven und Maik Meuser: "Die Mafia in Deutschland"© Econ Verlag
So gründlich die Autoren auf sachlicher Ebene gearbeitet haben – stilistisch hapert es mitunter. Es schleicht sich ein dröhnendes Pathos ein, was bei diesem ohnehin brisanten Sujet nicht notwendig gewesen wäre, außerdem "schmiert" jemand seine Waffe, statt sie zu ölen, mal ist von "kalabresischen" mal von "kalabrischen" Familien die Rede, ein einzelner Mafioso wird als "Mafiosi" tituliert. Die Qualität des Buches, das auch ein Verzeichnis aller Clans umfasst, steht dennoch außer Frage.
Beide Bände sind Pflichtlektüre für jeden politisch wachen Menschen.

Olaf Sundermeyer: Bandenland. Deutschland im Visier von organisierten Kriminellen
C.H. Beck, 2017
175 Seiten, 14,95 Euro

David Schraven, Maik Meuser: Die Mafia in Deutschland. Kronzeugin Maria G. packt aus
Econ, 2017
284 Seiten, 18 Euro

Mehr zum Thema