Opulentes Großprojekt

Von Jörg Taszman · 16.12.2008
Es ist ein Mammutwerk und einer der ambitioniertesten deutschen Filme des Jahres: Die Großproduktion "Buddenbrooks" von Heinrich Breloer. Am Dienstag war Weltpremiere in Essen, und vor allem die Darsteller überzeugten: ein glänzend aufgelegter Armin Mueller-Stahl und eine überraschend zeitlos spielende Iris Berben.
Eine klassische Literaturverfilmung von Luchino Visconti oder Sergej Bondartschuk denkt man zu Beginn der episch angelegten Buddenbrooks. Heinrich Breloer setzt in seinem ersten, reinen Spielfilm ganz auf elegante Kamerabewegungen, stilvolle Intérieurs, eine gediegene Ausstattung und prachtvolle Kostüme.

Auch die Darstellerriege kann sich sehen lassen. Da sind Armin Mueller-Stahl als Familienoberhaupt Jean Buddenbrook; Iris Berben als seine Ehefrau Bethsy oder aber der Newcomer Mark Waschke als Sohn Thomas und die etablierten Jungstars August Diehl und Jessica Schwarz als die beiden Problemkinder Christian und Tony.

Die Buddenbrooks sind eine klassische Lübecker Kaufmannsfamilie Mitte des 19.Jahrhunderts. Da zählt vor allem das Geschäft. Das muss auch die Tochter Tony erfahren, als ein Mann um ihre Hand anhält, den sie nicht ausstehen kann.

Auszug aus dem Film:

Bethsy: "Du bist jetzt alt genug. Es ist die Gelegenheit, dein Glück zu machen. Und für die Firma Buddenbrook wäre dein Ja-Wort..."

Tony: "Nein, niemals."

Bethsy: " Jetzt vergreifst du dich aber im Ton."

Tony: "Er ist mir widerlich verstehst Du ?"

Jean: "Ja. Tom wird einmal die Firma übernehmen und eine Heirat mit einem Kaufmann ist für dich der vorgeschriebene Weg."

Tony: "Ja, das weiß ich. Aber ausgerechnet Grünlich. Schon diese Warze. Und wie er redet."

Tony wird sich fügen, und es ist der Beginn des Abstiegs der Buddenbrooks, den Heinrich Breloer minutiös filmt. Auf die Opulenz des Beginns folgen strenger komponierte Bilder in immer düsteren Farben und die letzte halbe Stunde ist dann sehr melancholisch geraten. Heinrich Breloer ist Literaturwissenschaftler und Thomas-Mann-Experte. Im Interview kann er ganze Passagen aus dem Buch und dem Film zitieren. Da kann eine Antwort schon einmal bis zu zehn Minuten dauern. Warum er aber das Wagnis eines Spielfilms einging, erklärt er so:

"Sollte man nochmal Thomas Manns Biografie erzählen vor der Zeit der 20er-Jahre? Und dann gab es plötzlich die Möglichkeit, die Rechte der Buddenbrooks zu bekommen. Dann wurde es plötzlich veröffentlicht und ich wusste, wenn ich es jetzt nicht mache, dann werde ich es lange nicht mehr machen und der Erfolg von Speer und.den Manns haben mich einfach vor die Tür gestellt, dass die Möglichkeit da war und ich dadurch gehen konnte. Und wenn sich so eine Gelegenheit bietet, darf man sie im Leben nicht vorüber gehen lassen."

Wie so oft bei teuren Literaturverfilmungen bleibt die Kritik nicht aus. So werfen einige Feuilletonisten Breloer eine reine Bebilderung vor. Dieser Vorwurf ist jedoch nur teilweise berechtigt. Auffallend ist, dass Breloer gegen Ende seines Mammutwerks ein wenig die filmischen Ideen ausgehen. Das große Sterben, das romangetreu inszeniert wurde, hätte man auch knapper und prägnanter umsetzen können.

Das große Plus sind die Schauspieler und ein großartig aufgelegter Armin Mueller-Stahl, der die deutsche Großproduktion mit seinen Hollywoodfilmen vergleicht:

"Gemessen an Amerika ist das hier ein ganz kleiner Film. Also der große Film ist zwischen 200 und 300 Millionen. Man hat mir keine Auskunft gegeben, wie teuer der wirklich ist. Sie gehen sozusagen von einer Möglichkeit, alles auszuprobieren in einer Szene, was auszuprobieren ist, die Kamera die ändert unentwegt den Blickpunkt und der endliche Film wird dann am Schneidetisch komponiert. Hier manchen wir auch keinen Fernsehfilm, sondern einen Spielfilm (...) aber wir haben keine Zeit. Wir haben die 'Buddenbrooks' gedreht, wie man eigentlich eine Serie dreht."

Armin Mueller-Stahl gibt aber auch zu, lange gezögert zu haben, weil ihm die Figur des Jean Buddenbrook eigentlich zu einseitig war. Eine dankbarere Rolle hat da August Diehl als Christian, der sich nicht der Familiendoktrin unterwirft, ein Lebemann und Schuldner wird und mit einer "einfachen" Schauspielerin zusammenlebt.

Die große Überraschung ist Iris Berben als Bethsy, die versucht auch nach dem Tod ihres Mannes die auseinanderbrechende Familie zusammen zu halten. Iris Berben spielt diese Frau als eine Bewahrerin der konservativen Werte so überzeugend und zeitlos, dass man sie gerne öfter wieder auf der großen Leinwand sehen möchte. Im Gespräch ist sie erfrischend uneitel und stolz auf das Erreichte:

"So war das, dass man ein Buch stemmen muss, das einfach eine Biografie hat, nämlich bereits dreimal verfilmt worden zu sein. Ein Nobelpreisträger in unterschiedlicher Wahrnehmung von den Menschen, die es gelesen haben oder lesen mussten. Ich kenne das als Pflichtlektüre, in der ich es als Zumutung (...) - wenn sie so wollen - und Jahre später merkst du dann erst, wie sehr man auch diese Sprache vermisst. Das waren ja auch ganz viele Berge und Hürden, die wir nehmen mussten und viele Fragen. Aber mutige Leute wie ein Breloer und die Produzenten die sagen: Wir gehen damit ins Kino."

Kaum einer vermag vorauszusagen, ob die 16 Millionen Euro teure Buddenbrooks-Verfilmung die hohen Kosten wieder einspielen wird. Heinrich Breloer ist natürlich nicht Visconti oder Bondartschuk. Aber auch wenn dieser Film nicht durchgehend überzeugen kann, ist es wichtig, dass das deutsche Kino sich auch wieder an epische filmische Herausforderungen wagt, um international mitzuhalten und nationale Standards zu setzen.