Opernkomödie

Vorn knallig bunt, dahinter zerrissen

Regisseur Christian Stückl während einer Premierenfeier von "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen in 2012.
Regisseur Christian Stückl © picture alliance / dpa / Barbara Gindl
Von Jörn Florian Fuchs · 30.04.2014
Zwischen Liegestühlen und Cocktails wird die Titelheldin "Mirandolina" in Christian Stückls Opernversion am Münchner Cuvilliés-Theater heftig umworben. Mária Celeng spielt und singt wunderbar expressiv, Stückl zeigt ihre Zerrissenheit.
Schreiend gelb leuchtet einem das Programmheft zu "Mirandolina" entgegen und auch der Blick auf die Bühne des Cuvilliés-Theaters bereitet vorübergehend Augenschmerzen. Denn auch hier ist alles gelb bemalt und ausgeleuchtet. Wenn dann die ersten Protagonisten in fantastisch bunten, fantasievollen Kostümen hinzu kommen, wird schnell klar, dass wir es mit einer Arbeit von Christian Stückl und seinem Ausstatter Stefan Hageneier zu tun haben. Stückl liebt ja das Knallige, Effektvolle, was bei diesem eher leichten Öperchen gut passt.
Bohuslav Martinů schrieb selbst den Text zu "Mirandolina", Vorlage ist ein Komödienreißer von Carlo Goldoni. Die Titelheldin erbt ein Gasthaus, wird von mehreren Männern heftig umworben, entscheidet sich schließlich für den 'Cavaliere', doch dieser hat mit Frauen leider nicht viel am Hut. Schlussendlich heiratet sie ganz 'unstandesgemäß' – ihren Diener. Rund zwei Stunden lang darf man sich ohne allzu viel Denkarbeit dem Klamauk hingeben, wobei Stückl im letzten Akt der munteren Schnurre die Temperatur erfreulicherweise ein wenig absenkt, indem er die Wunden der Männer und auch Mirandolinas Zerrissenheit fast ein wenig psychoanalytisch herausarbeitet. Mária Celeng spielt und singt die resolute Wirtin wunderbar expressiv und beherrscht auch zarte, lyrische Töne.
Abgründe im Urlaubsparadies
Angesiedelt ist das Ganze in irgendeinem asiatischen Urlaubsparadies der Gegenwart. Trotz Swimmingpool, Liegestühlen und vielen Cocktails wähnt man sich ab und an jedoch eher in der Hölle. Denn die zwar lustig anzusehenden Hahnenkämpfe der Werbenden, die koketten Spielchen Mirandolinas, sie sind unter der Oberfläche eigentlich ziemlich traurig. Um die Gastgeberin herumzukriegen, stopft man sich Bananen in die Badehose, schimpft als gewöhnlicher Bürger auf den Adel oder schwört augenzwinkernd ewige Treue. Dass die Bühne insgesamt leicht angeschrägt ist und manch einer mal stolpert, wirkt nur folgerichtig. Als vermeintliche Urlaubsunterhaltung tauchen irgendwann zwei thailändische Tänzer auf, doch auch hier ist Vorsicht geboten: rasch verwandeln sich leichtfüßige Pirouetten in sehr handgreifliche Aggressionen.
Bohuslav Martinů hat für die umfangreichen Verwicklungen und Turbulenzen eine kräftige, oft an Rossini erinnernde Musik geschrieben, die aber bei den Orchesterkoloraturen nicht ganz so überdreht wirkt. Auch das von Rossini häufig eingesetzte, vokale Überagieren fehlt. Die Partien sind hier singbarer, eher zu bewältigen. Momentweise hört man im Orchester Dissonanzklumpen à la Béla Bartók. Alexander Prior dirigierte eine Kammerfassung des Stücks, die Musiker des Bayerischen Staatsorchesters trugen - passend zur Urlaubsatmosphäre - weißes Hemd beziehungsweise weiße Bluse.
Ebenbürtige junge Sänger
Alle Sänger dieser Produktion sind noch ganz frisch auf dem Markt, sie kommen vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. Mirandolina vokal ebenbürtig sind vor allem Joshua Stewarts schmelziger 'Conte' und Andrea Borghinis kraftvoll timbrierter 'Cavaliere'. Das Publikum im kleinen Cuvilliés-Theater wollte Ensemble und Regieteam kaum von der Bühne lassen. Und wir sind gespannt, welche der jungen Sänger wir bald an einem großen Haus erleben dürfen.
Informationen der Bayerischen Staatsoper zur Inszenierung von "Mirandolina"
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