Opernhäuser des Jahres

Großer Erfolg mit kleinem Budget

"Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" an der Oper Frankfurt
"Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" an der Oper Frankfurt © Foto: Monika Rittershaus
Von Holger Hettinger · 30.09.2015
Die Opernhäuser des Jahres stehen in Frankfurt und Mannheim - das hat eine Umfrage unter 50 Musikkritikern ergeben. Die Wahl ist ein Beleg, dass man auch ohne viel Geld erfolgreich sein kann, meint Holger Hettinger. Doch genau das könnte auch ein fatales Signal sein.
Je nach Lager kann man das Votum der Kritiker ganz unterschiedlich deuten: Von der rein künstlerischen Position betrachtet, ist die Kür des Nationaltheaters Mannheim und der Oper Frankfurt zum "Opernhaus des Jahres" ein Beleg dafür, dass die Paarung von künstlerischem Wagemut und neugieriger Repertoiregestaltung bei höchster haushälterischer Zurückhaltung zum Erfolg führen kann. Gerade dem Nationaltheater Mannheim ist in der vergangenen Saison der Nachweis geglückt, dass man mit Bordmitteln ohne teure Gäste Herausragendes leisten kann.
Die eindringliche Produktion von Franz Schrekers "Fernem Klang", bei der die über 20 Partien mit Sängerinnen und Sängern des hauseigenen Ensembles besetzt worden waren, war einer der künstlerisch beglückendsten Beiträge zum Repertoire. Schön, dass die Mannheimer mit ihrer künstlerischen Arbeit in den Schlagzeilen waren – und nicht mit ihren Haushaltssorgen: Die finanzielle Hängepartie rund um den Doppelhaushalt der Jahre 2010/2011 hat bei den Beteiligten tiefe Narben und Gräben hinterlassen. Das ist die eine Perspektive.
Die andere ist die der kommunalen Finanzexperten – die dürften nämlich frohlocken: prima! Geht doch! Die finanziellen Aderlässe haben der künstlerischen Qualität nicht geschadet, Mannheim hat sich in den vergangenen Jahren knirschende Haushalte zusammengespart – und bekommt jetzt einen Preis. Die Debatte genau darüber dürfte die eine oder andere Wahnsinnsarie in den Schatten stellen. Ein fatales Signal, womöglich.
Akzente gesetzt und den Nachwuchs gefördert
Polemik beiseite: Die Auszeichnung ist ein schönes Beispiel dafür, dass ein ausgewogener Spielplan, stilistische und künstlerische Bandbreite, eine pfiffige Mischung aus Altem und Neuem, populären und entdeckenswerten Opern allemal auszeichnungswürdig sind. Gerade Frankfurt ist hier richtungsweisend mit seinem ebenso unaufgeregten wie verlässlich qualitätvollem Betrieb; auch zahlt sich hier aus, dass Intendant Bernd Löbe und sein Team mit dem "Fokus"-Festival Akzente setzen sowie vorbildliche Nachwuchsarbeit betreiben. In Frankfurt mag man die Auszeichnung als trutziges "Dennoch" deuten – vor der Saison hat Intendant Loebe noch geklagt, das Ensemble würde "totgeschrieben, totgeschrien". Vitalfunktionen: positiv.
Die Auszeichnungen von Marlis Petersen und Georg Nigl als Sängerin beziehungsweise Sänger des Jahres sind ein Indiz dafür, dass es nicht nur auf stimmliche Virtuosität ankommt, sondern dass die Darstellerqualitäten eine wichtige Rolle spielen. Gerade ein Sänger wie der Wiener Bariton Georg Nigl, der sich durch Wolfgang Rihms "Jakob Lenz" hindurchberserkert, steht wie kaum ein anderer für den Einsatz hochexpressiver Körperlichkeit als Kommunikationselement von der Bühne ins Publikum.
Und auch die Auszeichnung "Ärgernis des Jahres" erzählt viel über den Betrieb – diese zweifelhafte Ehre wurde den Bayreuther Festspielen zuteil, wegen der "Hügelverbot"-Debatte um Eva Wagner-Pasquier über undurchsichtige Besetzungsänderungen bis hin zu Missständen in den Bayreuther Archiven. Die versammelte Musikkritik hat auf den Grünen Hügel geschaut wie der Gaffer auf einen Autounfall – dort kann man ja auch selbst bei blutigster Szenerie den Blick kaum abwenden. Die Intrige, das Gerücht, der Geschwisterkampf – das sind, so scheint's, immerwährende Themen - sowohl vor als auch hinter Opernbühne.
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