Oper

Superlativer Ritt nach Walhall

Der Generalmusikdirektor (GMD) der Komischen Oper Berlin, Kirill Petrenko, dirigiert am 28.03.2006 in der Komischen Oper Berlin während einer Probe der Komödie "Der Rosenkavalier..." von Richard Strauss.
Der Dirigent Kirill Petrenko © dpa/iClaudia Esch-Kenkel
28.11.2015
Aufreger und Hingucker auch im dritten Jahr war der aktuelle Ring in Bayreuth mit Kirill Petrenko am Pult und in der Inszenierung von Frank Castorf . Wir beginnen an diesem Abend den Zyklus mit der "Walküre" in einer Aufnahme aus dem vergangenen Sommer fort.
Die Bayreuther Festspiele sind ein Ereignis, das in der Sommerferienzeit stattfindet, wenn Politiker und andere Kulturinteressierte Zeit und Muße für lange Musiktheaterabende haben. Wir bieten an dieser Stelle die Gelegenheit, das sommerliche Feeling vom Grünen Hügel bei uns im Programm in kondensierter Form nachzuerleben. Wir werden die Aufnahme des kompletten Bayreuther Rings an diesem und den folgenden Samstagen ausstrahlen. Nicht zuletzt weil dieses Mammutwerk in jede Jahreszeit passt.
Nicht nur Frank Castorf, der die Handlung aus Richard Wagners Nibelungenreich nach Kalifornien und an den Berliner Alexanderplatz verlegt, ist der Meinung: Fricka, Freia, Wotan, Loge, Fasolt und ihre Freunde sind Menschen wie Du und ich von heute - verletzend und verletzlich, hemdsärmlig und erfolgsorientiert, rechthaberisch, die Umwelt ausblendend, egoistisch und egozentrisch, forsch und angstvoll. Diese Figuren werden in mythischer und irdischer Verzahnung zu- und gegeneinander gestellt. Richard Wagner verzichtet außerdem nicht darauf, das ganze noch philosophisch aufzuladen.
Selbst wer Richard Wagners Ring oft hört, kann dem Werk jedes Mal neue Seiten abhorchen, wird neue Einblicke gewinnen, wird durch die Auseinandersetzung mit dem Stoff und der Musik bereichert. Drei Jahre in Folge hat Kirill Petrenko, Münchner Staatsopernmusikdirektor und zukünftiger Chef der Berliner Philharmoniker, den Ring in Bayreuth dirigiert. Er war immer der Liebling des Publikums - zusammen mit seinem Orchester und den Solistinnen und Solisten, während Frank Castorf und sein Regieteam den Unwillen vieler Wagner-Liebhaber ertragen mussten.
Im nächsten Jahr wird Marek Janowski dieselbe Inszenierung als Dirigent übernehmen. Er gilt ebenso wie Petrenko als Wagner-Experte. Das hat er nicht zuletzt hier im Programm mit seinem konzertanten Zyklus mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin bewiesen. Mit Frank Castorf hat er sich schon über dessen Grundideen ausgetauscht. Letztlich spielt es für das Klangerlebnis ja keine Rolle, ob man das Rheingold nun für das eigentliche Edelmetall oder - wie Frank Castorf - für das Schwarze Gold unserer Tage hält, das der Welt stetige Bewegung ermöglicht.
Minutenlanges Tremolo auf einem Ton – so beginnt die Walküre. Die Wirkung - ein Gefühl der Finsternis, eine Welt aus Unheil und Angst werden geschaffen. Dann mischen sich dumpfe Bässe dazu – es wird in Lautstärke permanent geschoben und gezogen. Pauken und Bläser fahren wie Blitze dazwischen! Ein Sturm der Elemente, die zum Sturm der Herzen wird. Schöner Wohnen bei den Hundings, wir werden in ein aufgeladenes zwischenmenschliches Verhältnis geradezu gezogen.
Man könnte Wagners Walküre als die eigentliche Musiktragödie des Rings betrachten, ein "Superlativ von Leid, Schmerz und Verzweiflung", wie Wagner selbst bekannte, alles ist auf leidenschaftliche Erkenntnis der Willens- und Machtlosigkeit getrimmt. Die Begegnung von Siegmund mit Siglinde ist schicksalhaft und wird bei Wagner zum Strom beseelter Innigkeit – der ganze 1. Akt ist im Grunde eine mächtige Steigerung blühender Melodik. Der Mittelakt wirkt dann eher wie Besänftigung des Dramatischen – Brünnhilde erscheint – ihre Kennung sind die Hojotoho-Rufe, die man sein Leben lang nicht vergisst – Wotan philosophiert über Vergangenes, die Walküre entscheidet sich wider Wotan.
Bayreuther Festspiele
Festspielhaus
Aufzeichnung vom 28. Juli 2015
Richard Wagner
"Die Walküre"
Erster Tag des Bühnenfestspiels "Der Ring des Nibelungen"
Siegmund - Johan Botha, Tenor
Hunding - Kwangchul Youn, Bass
Wotan - Wolfgang Koch, Bariton
Sieglinde - Anja Kampe, Sopran
Brünhilde - Catherine Foster, Sopran
Fricka - Claudia Mahnke, Mezzosopran
Gerhilde - Allison Oakes, Sopran
Ortlinde - Dara Hobbs, Sopran
Waltraute - Claudia Mahnke, Mezzosopran
Schwertleite - Nadine Weissmann, Mezzosopran
Helmwige - Christiane Kohl, Sopran
Siegrune - Julia Rutigliano, Mezzosopran
Grimgerde - Simone Schröder, Alt
Rossweiße - Alexandra Petersamer, Mezzosopran
Orchester der Bayreuther Festspiele
Leitung: Kirill Petrenko