Oper

Strauss in Weimar

Theaterplatz von Weimar befindet sich das neoklassizistische Deutsche Nationaltheater mit dem Goethe- und Schiller- Denkmal
Das Deutsche Nationaltheater in Weimar © picture alliance / Klaus Nowottnick
Von Uwe Friedrich · 31.10.2014
In Weimar hat Regisseurin Vera Nemirova Strauss' "Rosenkavalier" auf die Bühne gebracht. Sie hat das Stück aus der Barockzeit in die bürgerliche Gesellschaft während des Ersten Weltkriegs verlegt - und überzeugend besetzt, meint Uwe Friedrich.
In Weimar haben einst der Dichter Hugo von Hofmannsthal und der Universalgelehrte Harry Graf Kessler die Handlung des "Rosenkavaliers" entworfen: Eine Fürstin in den besten Jahren spürt, dass sie ihren Liebhaber Octavian bald an eine jüngere verlieren wird, dieser verliebt sich in Sophie, welche wiederum dem Baron Ochs auf Lerchenau versprochen ist, der sich als skrupelloser Schürzenjäger erweist.
Es gibt also einen direkten Bezug zur Klassikerstadt Weimar, den Bühnenbildner Tom Musch mit leichten Anklängen an den Jugendstil Henry van de Veldes sichtbar macht. Auf einer betont kulissenhaften Drehbühne verlegt er gemeinsam mit der Regisseurin Vera Nemirova die Handlung aus dem Fantasie-Wien der Barockzeit in eine nicht näher definierte Adelsgesellschaft kurz vor dem Untergang im Ersten Weltkrieg.
Ausflüge ins "Regietheater"
Die Adelstitel gelten noch etwas, das Bürgertum drängt aber bereits deutlich nach oben, alle spüren, dass etwas zu Ende geht und noch niemand weiß, was danach kommt. Bereits im Vorfeld hat Vera Nemirova gesagt, dass die Innovationsanforderungen des so genannten "Regietheaters" eine Fessel sein kann, und so beschränkt sie sich in ihrer Weimarer Inszenierung des "Rosenkavaliers" auf eine insgesamt konventionelle Arbeit, allerdings mit einigen neuen Akzenten. So wertet sie die stumme Rolle des Leopold, "Bastard" des Ochs, zu einer eigenständigen Person auf. Häufig wird er als debiles Anhängsels des groben Landadligen gezeigt, hier aber emanzipiert er sich vom herablassenden Vater, um schließlich sein Glück in der Großstadt zu suchen.
Währenddessen sitzen Sophie und Octavian zum Finale als dezent gelangweiltes Ehepaar auf dem Sofa und trinken Tee, ihre Ehe scheint sich nicht sehr aufregend zu gestalten. Zuvor zeigte Vera Nemirova die Gesellschaft recht derb durchsexualisiert und schreckte auch vor Kalauern nicht zurück. So hat die alternde Jungfer Marianne Leitmetzerin schon mal die Hand in der Hose ihres Arbeitgebers Faninal, um ihn zu den eigentlich harmlos auf die Ankunft des Rosenkavaliers gemünzten Worte "Er kommt" zu befriedigen. Der eine oder andere Lacher ist damit garantiert, doch bleiben diese Ausflüge ins "Regietheater" ebenso folgenlos wie die Überreichung der silbernen Rose aus einem Geigenkasten oder die insgesamt arg harmlos arrangierte und einfallslos beleuchtete Beisl-Szene im dritten Akt.
Groß gedacht und groß geschrieben
Generalmusikdirektor Stefan Solyom lässt die Weimarer Staatskapelle mächtig aufdrehen. Das liegt einerseits in der Partitur begründet, die groß gedacht und groß geschrieben ist, andererseits lässt sich das durchaus subtiler und feiner abgestimmt denken. Der famose Uwe Schenker-Primus hat damit als Faninal die wenigsten Probleme, lässt sich nicht zu übermäßiger Lautstärke verleiten und zeigt einen Karrieristen, der bedenkenlos das Glück seiner Tochter für den eigenen sozialen Aufstieg opfern würde, bis er von der Marschallin doch noch eines Besseren belehrt wird.
Johanni van Oostrum trifft den melancholischen Sehnsuchtston der verzichtenden Frau in jeder Phrase, kann die Stimme aufblühen lassen, gestaltet den Text hintergründig wissend und singt dabei mit großer Ausstrahlung. Katarina Giotas braucht als Rosenkavalier Octavian einige Zeit, um sich in den Fluss der Musik hineinzufinden, während Elisabeth Wimmer das aufmüpfige Mädchen Sophie vom ersten Ton an zwischen Unsicherheit und Koketterie oszillieren lässt. Die kleinen Rollen sind überzeugend besetzt, der Kinderchor kräht angemessen, die Lakaien wuseln, und so ist "Der Rosenkavalier" auch in Weimar ein großes Erfolg.
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