Oper

"In Israel gibt es keine Operntradition"

Besucher des israelischen Opernfestivals in Masada, inmitten der Negev-Wüste in Israel. Im Mittelpunkt der größten Kulturveranstaltung in Israels Geschichte steht dabei eine Neuinszenierung der Verdi-Oper «La Traviata». zu dpa «Die Wüste musikalisch zum Leben erwecken» vom 12.06.2014; ACHTUNG: Nur zur redaktionelle Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Oper und bei vollständiger Nennung der Quelle «Yossi Zwecker/Israeli Opera»
Die Wüste musikalisch erwecken: Opernfestival in der Negev-Wüste © picture alliance / dpa / Yossi Zwecker/Israeli Opera
Von Franziska Stürz · 20.06.2014
Vor vier Jahren wagte die Oper Tel Aviv erstmals ein Open Air Festival zu Füßen des legendären Berges von Masada. In diesem Jahr wird ein weiterer historischer Ort bespielt: der Hof der Kreuzfahrerfestung der alten Hafenstadt Akko. Und die Bewohner spielen mit.
Pariser Flair in der Wüste von Masada: Mit Sonnenuntergang füllt sich das liebevoll arrangierte Zugangsareal vor der riesigen Zuschauertribüne am Fuß des erleuchteten Berges mit über 7.000 Besuchern. Zu französischen Chansons aus dem Lautsprecher bieten Buden mit dem Schriftzug "Boulangerie", "Brasserie" und "Café" Erfrischungen an. Ein kleiner Arc de Triomphe und künstliche Kamelienspaliere stimmen das Publikum ebenfalls ein auf Zeit und Ort von Verdis La Traviata - nur der Sand in den Schuhen und der heiße Wind erinnern einen, dass man sich über 400 Meter unter dem Meeresspiegel am Toten Meer befindet, das ähnlich wie Violetta an Schwindsucht leidet.
Pro Jahr sinkt der Wasserspiegel über einen Meter, und die Menschen der Region sehen ihre touristische Einnahmequelle und eines der weltweit größten Naturwunder hilflos und mit großer Sorge verdunsten. Aber Regisseur Michal Znaniecki hat ein weiteres Bindeglied zwischen Masada und La Traviata gefunden: im Text von Violettas erster großer Arie nennt sie Paris eine Wüste
Emotionale Wüste kann überall sein
Ja, die emotionale Wüste kann überall sein, und so kämpft sich die junge Aurelia Florian als international vielversprechende Violetta in roter Krinoline hustend durch den Sand, in dem die Symbole von Paris halb versunken sind. Per Videoprojektion verrinnt unaufhaltsam die Zeit in Gestalt einer alten Uhr - das ist nun kein neues Bild mehr, aber dennoch schafft es Regiseur Znaniecki, das intime Element dieser Oper auch auf der belebten riesigen Freiluftbühne im Fokus zu behalten. Getragen wird der Abend von einer überragenden Protagonistin, die sicherlich bald mehr von sich reden machen wird. Einen Festvertrag an der Bayerischen Staatsoper hat Aurelia Florian bereits angeboten bekommen.
Das festivaltaugliche sängerische Niveau verdankt diese Produktion dem künstlerischen Leiter und Dirigenten Daniel Oren, dabei hat Oper in Israel noch lange nicht denselben Stellenwert wie bei uns, betont Hanna Munitz, die Festival-Initiatorin und Intendantin der Oper Tel Aviv:
Munitz: "In Israel gibt es keine Operntradition. So haben wir in den letzten Jahren versucht, Oper für jeden im Land zugänglich zu machen. Und auch, Leute anzuziehen, um ihnen das schönere Gesicht Israels zu zeigen. Zum Bespiel Akko, das ist eine ziemlich problematische Stadt mit einem hohen Anteil arabischer Bevölkerung und eine arme Stadt. Kulturarbeit steht da nicht gerade an erster Stelle. wir möchten die Menschen in der Stadt halten. Sie sollen stolz sein auf den Ort, wo sie leben und arbeiten."
Skurriler Moment: Ruf des Muezzins bei der Premiere
Zumindest für einen Teil der weiblichen Bewohner Akkos ist die neue Don Giovanni Produktion die Gelegenheit zum ersten mal auf der Bühne zu stehen und Oper hautnah zu erleben. Für die Regisseurin Dedi Baron war es ein besonderes und wichtiges Element ihrer Arbeit:
Baron: "Wir haben viele Frauen aus Akko als Statisten genommen, weil - Don Giovanni - viele Frauen. Ich wollte nicht Modelle oder so aus Tel Aviv, sondern diese Integration wollte ich unbedingt. Und das war eine tolle Arbeit zusammen! Sie waren so glücklich und wir auch mit diesem Dialog. Und das war nicht folkloristisch oder so, sondern ihr seid jetzt auf der Bühne und wir machen Rehearsal genau wie man in der Oper macht und wir haben sie fotografiert und so ein Video gemacht von allen Gesichtern - alte Frauen, junge Frauen, alle von überall - jede hat ihre Persönlichkeit und das sieht man auch , und ich glaube, die Frauen da haben richtig tolle Arbeit gemacht."
Es ist ein skurriler Moment, als der Ruf des Muezzins bei der Premiere in Akko das Rezitativ zwischen Don Giovanni und Leporello für ein paar Minuten unterbricht. So etwas hat der alte Burghof der Kreuzfahrerfestung in seiner fast tausendjährigen Geschichte wohl noch nicht erlebt, doch er ist eindeutig prädestiniert für ein neues Leben als stimmungsvolle Freiluftbühne im noch jungen Israeli Opera Festival.
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