One Spark Start

Mit einem Auftritt zum Star

Ein Schlagzeug steht auf einer blau beleuchteten Bühne.
Beim One Spark Start geht es um Aufmerksamkeit - und um Geld. © picture-alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Carsten Rochow · 15.09.2014
Keine Kunst ohne Kohle: Am Wochenende fand das erste Live-Crowdfunding Festival Europas in Berlin statt. Künstler stellten ihre Projekte vor und buhlten um ein Stück vom 35.000-Euro-Kuchen.
"Das ist großartig, so viele Menschen hier", schwärmt am Ende eines langen Tages ein sichtlich begeisterter Travis Todd, der Mann, der One Spark, das Live-Crowdfunding-Festival nach Europa geholt hat. Mit seiner Kreativ- und Start-Up-Szene ist Berlin der richtige Standort für ein solches Event, sind sich der US-Amerikaner und sein Team sicher. One Spark Start: Berlin ist der kleine Bruder vom viel größeren Original aus Jacksonville, Florida, das 2013 zum ersten Mal dort stattgefunden hat. Die Berliner Ausgabe des Live-Crowdfunding Festivals ist der erste Schritt, jenseits des großen Teichs Crowdfunding für kreative Projektbetreiber, potenzielle Investoren und interessierte Besucher erlebbar zu machen.
Einen Tag vor der Veranstaltung besuche ich Freddy Knop - 37, freier Komponist und Mastering Engineer aus Berlin in einer großen Altbau-Wohnung im Bezirk Charlottenburg. Sein Projekt heißt Belongings - "Habseligkeiten" wäre wohl die passendste Übersetzung. Damit wird er bei One Spark Start: Berlin antreten, um Geld für die Produktion eines Albums zu sammeln.
"Belongings ist mit der Idee verbunden, einen Ort, der für meine Kindheit und Jugend wichtig war, nämlich die Wohnung meines Vaters, akustisch in Musik zu verwandeln, also all die Objekte, die dort von Leuten, die in den Jahren da gelebt haben, hinterlassen wurden - Möbel, Schallplatten, diverse Küchenutensilien, Noten und Musikinstrumente - all das aufzunehmen und dem Album sozusagen als klangliches Material zugrunde zu legen, die Wohnung wie ein Musikinstrument zu begreifen."
Mit all diesen Klängen füttert er seinen Sampler und ist dann in der Lage über dicke, quadratische Gummiknöpfe, diese Geräusche wie ein Instrument zu spielen.
Damit die Menschen auch einen visuellen Eindruck von seiner Arbeitsweise bekommen, wird Freddy einen großen Monitor an seinem Stand aufbauen, über den ein kurzer Videoclip in Schleife flimmert. Darin sehen wir ihn beim Experimentieren, Aufnehmen und Spielen. Die alte Erika und ein Telefon mit Wählscheibe nimmt er auch mit - als klangvolles Anschauungsmaterial.
Als Teilnehmer des ersten Live-Crowdfunding Festival Europas darf Freddy sich jetzt Creator - also Schöpfer - nennen und auf einen Teil der Crowdfunding-Summe hoffen.
Am nächsten Tag schlage ich gegen halb zehn morgens vor der Platoon Kunsthalle am Fuße der Schönhauser Allee in Berlins Mitte auf. Der Himmel ist grau. Es droht zu regnen. Die Kunsthalle wurde bausteinförmig aus 34 armeegrünen Frachtcontainern vor zwei Jahren errichtet. Im Eingangsbereich ist eine Bar. Die Inneneinrichtung besteht hauptsächlich aus Bierkästen, die als Tische, Stühle und Bänke fungieren. Es herrscht allgemeines Durcheinander.
Die 50 Stände der Creators verteilen sich auf Flächen vor der Halle an der Straße, in der Halle und hinten im Außenbereich. Hier legt Freddy letzte Hand an seinen Stand an. Weil alles funktioniert, hat er ein positives Grundgefühl.
Freddy: "Also ich glaube, dass das Projekt möglicherweise ganz gut in den Crowdfunding-Kosmos passt, und in diese Location vielleicht auch passt. Insofern würde ich mir schon einen Platz unter den ersten Drei erhoffen!"
Sein Projekt Belongings find ich wirklich sehr inspirierend.
Vorstellung im Minutentakt
Kurz nach zehn wird das erste Live-Crowdfunding Festival Europas in der Halle vor noch eher kleinem Publikum ganz unprätentiös eröffnet. Wir werden über den organisatorischen Ablauf informiert. Um abstimmen zu können, müssen sich Besucher vor Ort registrieren. Nur so können sie für das favorisierte Projekt auch Geld einzahlen, das dem Creator direkt zukommt.
Dann geht's Schlag auf Schlag! Alle acht Minuten stellt sich ein neues Projekt vor. Nur die musikalischen Beiträge dürfen eine viertel Stunde dauern.
Wieder draußen bleibe ich bei einem Stand mit dem Namen Berlin Music Campus hängen. Projektleiter Matthias Jung erklärt mir worum es geht.
Matthias Jung: "Studenten mit Künstler zu vernetzen, und die in gemeinsamen Teams zusammenzustellen, und die an Projekten arbeiten zu lassen. Z.B. ein Videostudent von der Hochschule aus Berlin in dem Fall arbeitet mit einer Künstlerin zusammen. Und zusammen entsteht ein Video im Rahmen des Berlin Music Campus, und das ist die Förderung, die wir anbieten für Künstler und für Studenten."
Die Nachwuchsarbeit in Berlin ist gesichert.
In der Halle spielen unterdessen The New Beans aus Buenos Aires, jetzt in Berlin, die Geld für Instrumente und eine Albumproduktion brauchen. Der Sound ist, naja, gar nicht mal so gut, was aber an der Containerarchitektur der Kunsthalle liegt.
Die Halle ist noch überschaubar gefüllt. Der Geräuschpegel auch ohne Band groß. Jeder will Aufmerksamkeit für sein Projekt erhaschen. Es wird viel erklärt und genetworked. Draußen links direkt neben der Halle auf einem Streifen Rasen musiziert die Band Somebody Else leidenschaftlich. Dort bildet sich die erste Traube Zuschauer - eine kleine Crowd.
Nur ein paar Schritte weiter und ich steh wieder vor Freddy Knops Stand. Inzwischen ist es mittags. Einigen Besuchern scheint die Idee hinter Belongings jedenfalls zu gefallen.
Freddy: "Es sind in erster Linie Leute, die durch die Objekte angezogen werden, die ich hier mit hab, diese alte Schreibmaschine und dieses alte Telefon. Das triggert irgendwie so Kindheits- und Jugenderinnerungen, und dann nähert man sich dem Stand. Und das Filmmaterial hat auch so eine gewisse magnetische Wirkung, so also, bin eigentlich zufrieden bis jetzt."
Freddy kommt zu der Erkenntnis, dass Start-Ups aus Wissenschaft und Technik im Rahmen dieses Live-Crowdfunding-Festivals wohl bessere Strukturen vorfinden, als künstlerische Projekte.
Beim Pressetermin verteidigt One Spark Gründer Elton Rivas jedoch das Konzept.
Elton Rivas: "Wir haben früh eine sehr strategische Entscheidung getroffen, Kunst, Musik und kulturell Kreative neben Unternehmen mit einzubeziehen. Du hast hier Investoren, die auf kommerziell vielversprechende Ideen treffen. Und du hast die Crowd, die übrigens Musik liebt, und die wahrscheinlich eher für die Musik abstimmt. Wir glauben also, dass sich das ausgleicht."
Inzwischen stehen Somebody Else auf der Bühne, die Band, die im Garten die ganze Zeit Party macht. Freddy und ich sind uns jetzt schon sicher, dass die wohl den Publikumspreis abstauben wird. Auf ihren poppigen Soul und den Sänger, der in der Stimme etwas vom King of Pop Michael Jackson hat, scheinen sich viele einigen zu können.
Nach dem Auftritt treff ich den sympathisch bescheidenen Bandleader Tino Kowalewsky von Somebody Else. Im Berliner Jazzclub Quasimodo hat er vor einem Jahr den New Yorker Sänger Fisal Campbell kennengelernt und die siebenköpfige Band aus der Taufe gehoben. Durch One Spark Start Berlin wollen sie eine neues Publikum gewinnen. Mit anderen Projekten in einer Art Wettbewerb zu stehen, sieht er überhaupt nicht als Problem.
Tino Kowalewsky: "Ja, also ich empfinde keine Konkurrenz, wirklich keine. Ich hab in unserem Umfeld hier eigentlich eher Zusammenarbeit, dass wir zusammen Versuchen Aufmerksamkeit zu erreichen. Das empfinde ich auch bei One Spark so."
Und damit hat er recht. Denn das, was ich als strenge Geschäftsveranstaltung mit Anzugträgern und wichtigen Geschäftsgesprächen erwartet hatte, entpuppt sich als lockerer, absolut familientauglicher Nachmittag mit viel Musik, guter Stimmung, freundlichen und interessierten Besuchern. Das vielseitige Angebot an Ideen und Projekten reicht von künstlerisch über sozial bis wissenschaftlich, technisch und wirtschafltich. Das ist keine Fachmesse, sondern ein Erlebnisfestival. So was findet man nicht oft an nur einer Stelle an einem Tag. "One Spark" heißt "ein Funke" - dieser Funke ist wohl auf viele Teilnehmer und Besucher übergesprungen.
Gleich hat Freddy Knop seinen Auftritt auf der Bühne in der Halle.
Freddy: "Ich bin jetzt doch ein bisschen nervös. Ich hoffe, dass irgendwie ein paar Leute gibt, die auch zuhören. Es ist recht laut hier. Und ich glaub, das war der Startschuss gerade."
Freddy gibt alles. Seine Finger springen auf den Gummitasten seines Samplers umher und ordnen die gesammelten Sounds zu Songs. Leider geht ein guter Teil von Freddys audiophilen Samples im allgemeinen Gemurmel unter. Seine Freunde und Familie unterstützen ihn aber so gut es geht.
Danach raus auf dem Weg zu seinem Stand wertet er seinen Auftritt aus.
Freddy: "Ja, war krass gegen die ganze Atmosphäre so anzuspielen. Es war sehr, sehr laut. Und ich hab auch keinen wirklichen Druck gespürt, so im Bassbereich, das war ein bisschen so für einen selbst. Aber, ach, ich weiß nicht, ich glaub, ich bin ganz zufrieden so. Ich weiß nicht, ob man so viel mehr hätte rausholen können."
So langsam wird es voll im Hinterhof zwischen Kunsthalle und Imbissbuden. Die Band Somebody Else schmeißt weiter ihre eigene Party. Und die ersten Leute geben ihre Stimmen bei den Helfern in den orangefarbenen T-Shirts und iPads ab. Jessy, 23, aus dem Saarland hat sich festgelegt.
Jessy: "Freddy Knop, das ist ein wahnsinnig toller Berliner Komponist, der mit Fieldrecordings und Sounds arbeitet, und der jetzt ne Platte produzieren will und mastern will. Und der's auch vollkommen verdient hat."
In der Halle stellen sich weitere Projekte vor: kompostierbare Ökotoiletten, ein Digitales Regal, eine Plattform, auf der man den richtigen Fotografen zum passenden Ereignis und Geldbeutel findet, ein bewusstseinserweiterndes Labyrinth, ein Projekt das älteren Menschen das Internet erklärt und immer wieder Musik.
Am Ausgang lerne ich die Medienwissenschaftlerin und Kuratorin Karin Wehn kennen. Sie ist generell am Konzept des Crowdfunding interessiert und wollte wissen, wie das in Form eines Festivals funktioniert.
Karin Wehn: "Ich fand es sehr spannend, also die Art, wie sich die Leute sich präsentieren. Und ich fand auch die Ideen sehr interessant die vorgetragen worden sind. Die waren ja aus ganz verschiedenen Bereichen, Kunst, Wissenschaft, Gesundheit, Innenarchitektur."
Der 29-jährige Wahlberliner Joschka Rugow, teilt diese Begeisterung.
Joschka Rugow: "Ich find's wirklich sehr gelungen. Ich find' die Atmosphäre total angenehm. Ich find' auch einige Konzepte sehr spannend. Könnte etwas größer sein, bisschen mehr Auswahl geben noch an Teilnehmern."
Joschka arbeitetet für eine Crowdinvesting-Plattfrom und hat auch keine Bedenken, was das Nebeneinander von Geschäftsideen und Kunst angeht.
Joschka Rugow: "Letztlich ist ja vieles im kulturellen Bereich auch technologiegetrieben, also find ich das überhaupt nicht problematisch, gar nicht."
Publikumspreis für Somebody Else
Der Abend ist angebrochen. Der Musiker und Soundsammler Freddy Knop hat inzwischen schwere Beine, aber erklärt weiterhin interessierten Besuchern freundlich sein Projekt Belonings. Die Band Somebody Else scheint Energie aus sich selbst zu beziehen, denn sie spielt und spielt. Die Projektpräsentationen auf der Bühne in der Halle sind inzwischen beendet. Vorm Showdown gibt es noch eine passionierte Rede über die Gegenwart und Zukunft des Crowdfunding. Dann beginnt die Award Zeremonie. In jeder der fünf Kategorien wurde je ein Jury- und ein Publikumspreis ermittelt. Letzterer wird zuerst verliehen. Freddy steht gespannt im Publikum, als die Kategorie Musik dran kommt.
Das war zu erwarten. Aber auch verdient. Somebody Else erhalten einen überdimensionalen Scheck im Wert von 337 Euro. Bei 50 Projekten ist es verständlich, dass der Betrag doch ziemlich gering ausfällt. Aber der Jurypreis ist mit 1000 Euro dotiert und beinhaltet eine Reise nach Jacksonville zum großen One Spark nächstes Jahr.
Doch auch hier geht Freddy leer aus. Der Preis geht an Berlin Music Campus, das Projekt, das Künstler mit Studenten kurzschließt.
Dann endet die Preisverleihung mit dem Hinweis, dass jeder Projektbetreiber, für den abgestimmt wurde, seinen Anteil aus dem Crowdfund bekommt.
Freddy Knop zieht trotzdem ein positives Fazit. Er hat viele interessierte Leute getroffen. Der Vertreter eines Musiksoftwareherstellers war auch dabei, und er ist zuversichtlich, dass sich aus diesen neuen Kontakten in Zukunft etwas entwickeln kann. Außerdem wandern 302 Euro in seine Tasche. Aber jetzt im Moment zählt nur eins.
Freddy: "Ich werd mir jetzt erstmal ne Zigarette schnorren, glaub ich, und dann werd ich relativ schnell nach Hause irgendwie wagerecht sein und kurz reflektieren, was da heute alles irgendwie passiert ist. Morgen geht das Leben wieder relativ normal weiter.