Österreich

"Sicherheitspolitisches Denken gehört nicht ins Islamgesetz"

Ein pakistanischer Muslim liest den Koran während des Fastenmonats Ramadan in Peshawar.
Der Islam gehört zu Österreich - doch ist das neue Gesetz auch gerecht? © picture alliance / dpa / Bilawal Arbab
Von Stefan May · 28.06.2015
In Österreich ist das seit über 100 Jahren geltende Islamgesetz überarbeitet worden. Längst war es nicht mehr zeitgemäß. Kirchenrechtler halten es für vorbildlich, doch neben viel Zustimmung gab es auch Kritik.
Schon lange hatte die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, kurz IGGiÖ, Vorstöße für ein neues Islamgesetz gemacht. Deren Präsident Fuat Sanac zeigt sich nach eigenen Worten zwar nicht hundertprozentig zufrieden mit den neuen Bestimmungen, aber zumindest mit der damit geschaffenen gesetzlichen Grundlage: 25 Jahre habe es etwa bisher gedauert, bis ein muslimischer Friedhof genehmigt wurde, zehn Jahre für die Anstellung eines Religionslehrers. Geistliche in Gefängnissen, Krankenhäusern und beim Militär konnten dort nur mit Sondervertrag arbeiten. Das ist nun gelöst. Hauptkritikpunkt aber war das Verbot einer Grundfinanzierung durch das Ausland, sagt Sanac:
"Das betrifft eine türkische Organisation, ATIB, also in Deutschland heißt die DITIB, dass sie die Imame direkt aus der Türkei nicht mehr bezahlen dürfen. Also sie werden ihr Gehalt hier bekommen. Und diese Gelder müssen über eine Stiftung fließen. Das ist nicht schwer, aber ist bisschen beleidigend für einen oder anderen, ja. Am Ende haben wir alle begriffen, dass es eine rote Linie nicht nur der Regierung oder Koalitionsparteien, sondern des Staates war. Von oben bis unten: Alle waren dagegen. Sie wollen also, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht als Beamte eines Landes hierher kommen, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wollen sie, dass die Gelder vom Ausland deklariert werden, was ich auch verstehe. Und dass die Imame hier bezahlt werden, damit sie auch Steuer bezahlen, damit sie auch sozial versichert werden."
Kirchenrechtler kritisiert Misstrauensvorschuss
Der Wiener Kirchenrechtler Richard Potz sieht zwar die Tatsache, dass ein Islamgesetz geschaffen wurde, als vorbildlich für andere Länder an, nicht aber die inhaltliche Ausgestaltung für die 560.000 Muslime in Österreich:
"Sie haben ein bissel einen Misstrauensvorschuss bekommen. Es steht zum Beispiel drinnen etwas, was selbstverständlich ist, dass das staatliche Recht Vorrang haben muss vor dem innerreligionsgesellschaftlichen Recht. Das gilt natürlich für alle Religionsgesellschaften, steht in keinem anderen Gesetz, steht nur bei den Muslimen drinnen. Das Gesetz macht auf mich den Eindruck, dass man die Möglichkeiten, die sich jetzt im österreichischen religionsrechtlichen System ergeben und die in anderen Gesetzen teilweise auch zu finden sind, nicht nur ausreizt, dass man an zwei, drei Stellen die Grenzen dessen, was in einem grundrechtlich abgesicherten Religionsrecht möglich ist, überschritten hat."
Problematisch sieht Potz die Bestimmung, dass die Muslime aufgefordert werden, ihre Lehre darzustellen. Dies von einer bereits anerkannten Glaubensgemeinschaft zu verlangen, erinnere ihn fatal an eine rückwirkende Geltung von Gesetzen. Anderes, wie die Feiertagsregelungen und das religiöse Schlachten, wurde eins zu eins von dem auch aus der Monarchie stammenden Israelitengesetz in das neue Islamgesetz aufgenommen. Die Gesetzesväter dürfte aber auch Furcht vor Hasspredigern und Dschihadisten umgetrieben haben. Allerdings, so Professor Potz:
"Ein Religionsgesetz wie dieses ist kein Sicherheitspolizeigesetz. Das heißt, man hätte stärker meines Erachtens differenzieren sollen zwischen der religionsfreiheitsrechtlichen Grundlegung mit einem gewissen Grundvertrauen gegenüber der muslimischen Gemeinschaft. Und etwas anderes sind sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, die man durchaus verschärfen kann. Aber es hat keinen Sinn in ein so ein Gesetz sozusagen dieses sicherheitspolizeiliche Denken hineinzuziehen. Das halte ich für legistisch verfehlt."
Wird der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet?
Präsident Sanac hingegen zeigt sich zufrieden mit den Bestimmungen, die seine Organisation stärken. Denn bisher konnten schon zwei Personen einen Moschee-Verein gründen und zum Dschihad aufrufen, ohne dass es eine Handhabe dagegen gab:
"Wir werden von allen Seiten attackiert: Was macht die islamische Glaubensgemeinschaft? Aber ich habe überhaupt kein Recht über sie. Deswegen habe ich gesagt: Ab jetzt dürfen die Moscheen nicht mehr ohne Genehmigung der islamischen Glaubensgemeinschaft gegründet werden."
Es ist durchaus denkbar, dass sich noch der österreichische Verfassungsgerichtshof mit dem Islamgesetz wird beschäftigen müssen. Doch in der islamischen Glaubensgemeinschaft, in der es turbulent zuging, als der Gesetzesentwurf vorgestellt wurde, ist wieder Ruhe eingekehrt. Dort wird jetzt die eigene Verfassung an die neuen Bestimmungen angepasst und die geforderte Glaubenslehre formuliert. Und Präsident Sanac meint:
"Mit Stolz kann man in Österreich sagen: Ich bin ein österreichischer Muslim. Das macht mich glücklich."
Mehr zum Thema