Österreich

Heini gegen Goliath

Heinrich "Heini" Staudinger, österreichischer Schuhfabrikant, streitet sich mit der Finanzaufsicht.
Heinrich "Heini" Staudinger, österreichischer Schuhfabrikant, streitet sich mit der Finanzaufsicht. © Oranus Mahmoodi
Von Oranus Mahmoodi · 15.01.2014
Der österreichische Schuhfabrikant Heinrich "Heini" Staudinger hat für seinen Betrieb über drei Millionen Euro durch Crowdfunding gesammelt. Das sei ein Bankgeschäft, mahnt die Finanzmarktaufsicht. Er soll das Geld zurückzahlen - aber Heini will nicht nachgeben. "Robin Hood der Kleinunternehmer", "Finanzrebell" und "Messias aus dem Waldviertel" wird er seitdem genannt - seine Schuhfabrik ist seit dem Krach mit der Finanzmarktaufsicht eine Pilgerstätte für Menschen, die eine alternative Form des Wirtschaftens suchen.
"Grüß euch und herzlich willkommen in Schrems in der Schuhwerkstatt"
Julia Staudinger führt eine Gruppe von Forschern über das Betriebsgelände der kleinen Schuhfabrik. Die steht im niederösterreichischen Schrems, inmitten einer flachen, öden Landschaft, in die sich kaum ein Tourist verirrt.
Von der Straße aus sieht man die Produktionshalle, an der eine gelbe Banderole hängt. In grünen, roten und schwarzen Buchstaben steht da: "Wir sind das Volk! Bürgerrecht vor Bankenrecht!"
"Dort drinnen arbeiten ungefähr 50, 60 von den insgesamt 150 Mitarbeiterinnen und sie produzieren am Tag - würd ich sagen - 400 Paar Schuhe im Moment."
"Wir sind auf einem ganz simplen Betriebsausflug",
...erklärt Josef Hochgerner. Er ist der Leiter des Forschungsinstituts für "Soziale Innovation" in Wien.
Die Sozialwissenschaftler besuchen die Schuhfabrik, weil man hier "soziale Innovationen sehen kann", meint Hochgerner. Innovativ sei vor allem das Finanzierungmodell. Ausgedacht hat sich das Heinrich Staudinger, der Chef der Schuhfabrik, den alle hier nur "Heini" nennen. Er bat Freunde, Bekannte, Kunden und Mitarbeiter um ein Darlehen für Investitionen, zu einem Zinssatz über dem banküblichen Niveau. So bekam er drei Millionen Euro zusammen.
Über die wirtschaftliche Situation der Fabrik und der 35 Geschäfte in Österreich, Deutschland und der Schweiz informierte er die Anleger in Briefen. Das Ganze funktionierte jahrelang gut.
"Damit macht sich die Firma unabhängig von Banken und sie hat gerade in der Zeit der Finanzkrise - seit 2008 - mit diesem Modell völlig kontrakonjunkturell unglaublich expandieren können - die Belegschaftszahl verdoppelt beispielsweise."
Verwaltungsstrafe von 2000 Euro
In der Werkshalle arbeiten etwa 30 Personen. Markus Bauer, der jahrelang arbeitslos war, steht an einer Maschine und "zwickt" Schuhe, er klebt also Leder auf die Fußbetten.
Anfang 2012 bekommt sein Chef plötzlich Post von der Finanzmarktaufsicht. Er betreibe eine Art Bankgeschäft, wirft die FMA ihm vor. Das sei ohne Bankenkonzession illegal. Staudinger wird mit einer Verwaltungsstrafe von 2000 Euro belegt. Die bereits eingesammelten 3 Millionen Euro soll er zurückzahlen.
Staudinger wehrt sich, legt Berufung ein und schiebt gleich noch eine Beschwerde beim Verfassungsgericht nach. Und bekommt dafür in der Öffentlichkeit viel Applaus. Weil sich die Leute fragen: Warum geht die FMA in Zeiten, in denen Banken mit Unsummen an Steuergeldern gerettet werden müssen, ausgerechnet gegen einen Unternehmer vor, der seinen Betrieb voranbringt?
Dass Heini Staudinger in der Sache hart geblieben ist, hat seinem Unternehmen nicht geschadet. Im Gegenteil, sagt Schuster Bauer.
"Die Auftragslage wird immer mehr, das ist deutlich zu spüren."
Die Forschergruppe aus Wien verlässt die Werkshalle, überquert den Hof. Sie hat um 15 Uhr einen Termin mit dem Schuhrebell.
Julia Staudinger: "Da werden wir schauen, ob der Heini Zeit hat."
Gegenüber der Fabrikhalle in einem großen Raum mit etwa 60 Stühlen sitzt er ihnen wenig später gegenüber.
Einen roten und einen grünen Schuh
Der 60-jährige ist leger gekleidet, graue Locken umrahmen sein Gesicht. Er trägt eine rote Jeansjacke und am linken Fuss einen roten, am rechten einen grünen Ökoschuh aus eigener Produktion.
Die Forscher wollen von ihm wissen, wie alles anfing, wie es zu dem Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht kam.
"Das mit der Kreditgeschichte ist so etwas wie eine Selbsthilfeaktion und man sagt 'Not macht erfinderisch'' - und dass ich von den Banken den Kreditrahmen gekürzt bekommen habe, das war nicht mein Wunsch - im Gegenteil - ich habe mich sehr darüber geärgert, aber das war der Ausgangspunkt darüber nachzudenken, wie ich da unabhängiger werde."
Später sitzt Heini Staudinger in der Kantine vor einem Teller Suppe. Er wirkt entspannt und doch kämpferisch. Vor Gericht hat er gerade eine Niederlage einstecken müssen. Staudinger wird aufgefordert, sein Finanzierungsmodell in eine legale Form umzuwandeln, z.B. eine Genossenschaft zu gründen. Tut er das nicht, muss er die geliehenen drei Millionen zurückzahlen.
Staudinger hat sich längst entschieden - und bleibt aufsässig:
"Ich bin kein Verbrecher, ich bin kein Betrüger, das, was ich gemacht habe, mache ich in aller Offenheit seit zehn Jahren, mit großem Erfolg und der Zufriedenheit aller Beteiligten."
Dass ihm der Chef der österreichischen Finanzmarktaufsicht bereits mit Gefängnis gedroht hat, das lässt ihn scheinbar kalt:
"Wenn unsere Gesellschaft glaubt, dass so ein Mensch wie ich ins Gefängnis gehört, wenn sie dies machen, dann habe ich endgültig gewonnen. Man muss sich vorstellen, welche Banker in Europa auf freiem Fuss unterwegs sind und ich dann im Gefängnis... - darauf freue ich mich aus ganzem Herzen."
Vor etwa einem Jahr haben über 1000 Sympathisanten vor dem Wiener Kongress mit Staudinger demonstriert - dagegen, dass nur die Banken das Monopol haben, Kredite zu vergeben. Seitdem ist er überzeugt, mit seiner Haltung den Nerv der Zeit getroffen zu haben.
"Und jetzt spüre ich es so, dass man vor zehn oder vor 20 Jahren noch ziemlich einsam war mit der Idee, man glaube nicht mehr an das System. Während jetzt finde ich, ist es mehrheitsfähig."
…sagt's, nimmt seinen Teller in die Hand, steht auf und geht.