Ökonomenranking der FAZ

Hitliste der Wirtschaftserklärer

Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, spricht am Mittwoch (29.06.2011) in München (Oberbayern) auf der Jahresversammlung des Instituts
Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, führte 2015 zum zweiten Mal das FAZ-Ökonomenranking an. Es existiert seit 2013. © picture alliance / dpa / Tobias Hase
Von Brigitte Scholtes · 29.03.2016
Für 2015 und damit zum zweiten Mal führt Hans Werner Sinn, bisheriger Präsident des ifo-Instituts und populärer Interviewpartner, das FAZ-Ranking der 100 einflussreichsten Ökonomen aus dem deutschsprachigen Raum an. Aber das Ranking würdigt auch eher medienscheue Ökonomen.
"Volkswirte dienen dem Volk, nicht den Politikern. Sie beraten beide, doch hören Ihnen die Politiker nur zu, wenn es auch das Volk tut. Und deswegen müssen sich Volkswirte am öffentlichen Diskurs beteiligen - was ich versucht habe. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
Kurz vor Weihnachten schon hielt Hans-Werner Sinn seine Abschiedsvorlesung an der Universität München, wo er seit 1984 Nationalökonomie und Finanzwissenschaft gelehrt hat. Seit gut 17 Jahren hat er zudem das dort angegliederte ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geleitet. Sinn wurde so häufig geehrt in den letzten Wochen und Monaten, dass Kollegen in der Zunft schon leicht ironisch von den "Sinn-Festspielen" sprachen.
Der Mann mit dem markanten Kapitänsbart hat in den letzten Jahren immer wieder durch seine bisweilen provokanten Äußerungen von sich reden gemacht. Das aber hat ihm auch viel Aufmerksamkeit verschafft - nicht nur in der Wissenschaft, auch in der Öffentlichkeit und in der Politik. Gerade in der Eurokrise war Sinn Dauergast bei Talkshows im deutschen Fernsehen, sei es bei Frank Plasbergs Runde "Hart aber fair" – hier im August 2011, wo er sich zu Griechenland äußerte:
"Wir können nicht auf Dauer jedes Jahr den Überhang des Konsums über die Einkommen in dieser Größenordnung mit unserem Geld finanzieren."
Einen Monat später war er dann bei Maybrit Illner im ZDF:
"Es wird alles eins, wir treten ein für die italienischen Schulden, für die griechischen und so weiter. Jeder für jeden- ja dann ist überhaupt kein Anreiz mehr da, vorsichtig bei der Kreditaufnahme zu sein."
Im vorigen Jahr war er wieder einmal bei Anne Will:
"Wir müssen langsam wieder zurückkehren zu einem System, das den Leuten nicht vorgaukelt, dass das Geld auf den Bäumen wächst."
Sinn war gern Talkshow-Gast, bedeutet das doch auch: Man kann Themen setzen, Aufmerksamkeit erregen. Genau das bildet das Ökonomenranking der FAZ ab: Einfluss in der Wissenschaft, in den Medien, in der Politik . Für jede dieser Bereiche gibt es Punkte: höchstens 250 in Politik und Medien, 500 für die Zahl der Zitate in der Wissenschaft. Diese Hitliste der Wirtschaftserklärer mit den 100 einflussreichsten Ökonomen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es seit 2013. Das Ranking führte Sinn 2015 zum zweiten Mal an mit 517 Punkten. Dabei haben ihm seine markigen Aussagen je 250 Punkte im Bereich Politik als auch Medien eingebracht. Der Zweitplatzierte, Ernst Fehr von der Universität Zürich jedoch, punktete fast nur in der Forschung und kam so auf 504 Punkte.

Auf die Vermittlung von Erkenntnissen spezialisiert

Die Zunft sei da gespalten, sagt Philipp Plickert, Wirtschaftsredakteur der FAZ, der das Ökonomenranking betreut. Es gebe immer noch die reinen Wissenschaftler, die die Öffentlichkeit scheuen. Viele andere aber seien den Medien sehr zugetan:
"Auf Dauer, glaube ich, kann sich in der Wissenschaft jemand nicht halten, der nur gerne in Fernsehkameras drängt. Es gibt zwar einige Beispiele auch von Ökonomen, die in der Öffentlichkeit auftreten, die in der Wissenschaft aber gar keine Rolle spielen. Manche haben sich rein auf die Praxis der Vermittlung von Erkenntnissen spezialisiert. Das hat auch seine Berechtigung zum Teil."
Wirtschaft erklären, Hintergründe aufzeigen – das ist auch Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein Anliegen. Angenehm im Auftreten, nicht so kantig wie Sinn, hat er es auf den dritten Platz des Ranking geschafft. Philipp Plickert:
"Der positioniert sich strategisch geschickt etwas links von der Mitte als Berater auch von SPD-Chef Gabriel, das macht er strategisch und geschickt, eben Debatten anstoßen, also da hat er ein Talent, und das könnte er auch ausspielen in den nächsten Jahren."
So brachte er in den letzten Monaten über eine Buchveröffentlichung und Fernsehinterviews wie hier in der ARD das Thema Ungleichheit wieder in den Fokus der Öffentlichkeit:
"Es ist sicherlich so, dass die letzten 25 Jahre die Politik in Deutschland deutlich zu wenig getan hat, um die immer weiter steigende Ungleichheit bei Vermögen, aber auch bei Einkommen zumindest abzudämpfen oder zumindest nicht weiter sich verschlimmern zu lassen."

Vor allem Ifo-Institut und DIW werden in den Medien präsent sein

Auch Clemens Fuest, der von April an als Nachfolger von Hans-Werner Sinn das ifo-Institut leiten wird, verfügt jetzt schon über großen Einfluss. Seit 2013 hat er das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim geleitet, er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen. Noch liegt er hinter DIW-Präsident Fratzscher auf dem vierten Platz. Ernsthaft, nüchtern analysiert er ökonomische Themen, spart aber auch nicht mit Kritik an der Politik:
"Die Dinge passieren, aber zu langsam. Das ist ja häufig so in der Politik. Ich würde aber nicht sagen, dass nichts passiert. Für den Euro wird viel davon abhängen, wann uns die nächste Rezession erwischt. Wenn die zu früh kommt, dann wird's wirklich gefährlich. Wenn wir noch ein bisschen Luft haben, wenn die Weltwirtschaft einigermaßen läuft, dann reicht es vielleicht. Ich habe schon den Eindruck, dass einige Länder sich in die richtige Richtung bewegen, nicht alle, aber es geht eben langsam."
Fratzscher und Fuest – das dürften künftig die beiden Ökonomen sein, die die Debatte über wirtschaftliche Themen in Deutschland führen werden. Wieder werden also vor allem das ifo-Institut und das DIW in den Medien präsent sein. Das erkläre sich schon allein aus der Größe dieser Institute, meint Philipp Plickert von der FAZ:
"Herr Sinn hat das nie alleine gemacht, und auch Herr Fratzscher macht das nie alleine. Die bekommen so viele Zuarbeit, und das ist natürlich einfach ein großes Plus."
Dagegen kommen die meisten Mitglieder im Sachverständigenrat nicht an. Die meisten von ihnen sind Einzelkämpfer.
Mehr zum Thema