Ökonom warnt vor neuer Immobilienblase in den USA

Clemens Fuest im Gespräch mit Gabi Wuttke · 19.09.2013
Anders als angekündigt, reduziere die Fed nicht Staatsanleihen. Grund seien womöglich die Konjunkturnachrichten aus den USA, "die vielleicht nicht so positiv sind, wie man gehofft hat", sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.
Gabi Wuttke: Großer Trommelwirbel im Vorfeld – und nun? Tusch oder Kakophonie? Was Ben Bernanke, der Chef der amerikanischen Notenbank, gestern Abend unserer Zeit verkündete, das war mit Hochspannung erwartet worden, aber fünf Jahre nach der Lehman-Pleite werden die Vereinigten Staaten an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten und die Fed wird weiter jeden Monat Anleihen und Hypotheken für 85 Milliarden Dollar kaufen. Ist das gut oder schlecht? Wir wollen die Meinung von Clemens Fuest wissen, er ist der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Einen schönen guten Morgen!

Clemens Fuest: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Hat die Ansage der Fed Sie überrascht?

Fuest: Die hat mich schon überrascht. Ich hatte mit einem kleinen Schritt bei der Verringerung der Anleihekäufe gerechnet, aber das gar nichts kommt, das fand ich schon sehr überraschend.

Wuttke: Da sind Sie in allerbester Gesellschaft. Es war mehrheitlich vermutet worden, dass Bernanke, dass die Fed das Ende des billigen Geldes einläuten würde und die Anleihekäufe verringern würde, wie Sie es gerade gesagt haben, auch weil die Arbeitslosigkeit in den USA abgenommen hat. Also, ist das richtig oder falsch, weiter so zu verfahren?

Fuest: Ich halte das auf jeden Fall für riskant. Es hat in den letzten Wochen eine Reihe von Konjunkturnachrichten gegeben, die nicht so toll waren, aus den USA, eine Reihe von Faktoren, die vielleicht nicht so positiv sind, wie man gehofft hat, und das erklärt wohl, dass die Fed so reagiert hat. Aber die Anleihekäufer haben eben auch ihre Risiken, sie treiben die Preise in die Höhe, die Preise für Aktien, die Preise für viele Vermögensgüter, und da muss man eben abwägen. Und dass die Fed hier gar nichts macht, also die Anleihe überhaupt nicht reduziert, das ist schon überraschend, ist vielleicht auch ein Signal dafür, dass die Einschätzung der amerikanischen Wirtschaft durch die Fed sich eben doch geändert hat und dass die Fed sich größere Sorgen macht.

Wuttke: Größere Sorgen? Welches Risiko sehen Sie denn oder welche Prognose steht da vonseiten der Fed ins Haus?

Fuest: Offenbar sind die Risikofaktoren, die ja bekannt sind – also zum Beispiel die Grenze für die öffentliche Verschuldung, die jetzt wieder erreicht wird, es muss wieder beschlossen werden, dass die Schuldengrenze für den amerikanischen Staat nach oben verschoben wird –, das kann natürlich für Unruhe sorgen. Dann gab es eine Reihe von Meldungen, die nicht so toll waren, also die Hauspreise steigen nicht so, wie man erwartet hatte.

Also es gab eine Reihe von mauen Meldungen, keine wirklich sehr negativen, aber all das führt doch zu einer leichten Eintrübung. Die Fed hat ja auch ihre Prognose für die amerikanische Wirtschaft ein bisschen verändert. Aber all das ist eben doch nicht so massiv, dass man erwarten konnte, dass die Rücknahme der Käufe, die ja wirklich sehr groß angekündigt worden war noch vor wenigen Monaten, dass die jetzt ganz wegfällt.

Wuttke: Dann war es möglicherweise nicht gut durchdacht von Bernanke, im Juni laut zu denken, dass die Fed noch in diesem Jahr umschwenken könnte - auch psychologisch für die Märkte?

Fuest: Also das hat man mit Sicherheit sehr, sehr sorgfältig durchdacht, denn das war ja wirklich eine Ankündigung, die die Märkte auch stark bewegt hat. Die Aktien fingen ja an zu fallen, in vielen Schwellenländern hat ja diese Ankündigung große Auswirkungen gehabt, und ich hab das schon so verstanden, dass man den Märkten ein Signal geben wollte und eben verhindern wollte, dass diese Wende wie ein Schock kommt. Aber dass sie jetzt gar nicht kommt, das ist dann doch eine neue Situation.

Das heißt, die Märkte können sich jetzt eigentlich weniger auf das verlassen, was die Fed ankündigt. Die Fed, die hat ja auch selber eingeräumt, dass die Anleihenkäufe eben unvorhersehbar seien. Vor drei Monaten hat man noch gesagt oder sehr betont, dass man den Märkten eine Führung geben möchte, dass man Überraschungen vermeiden will, und von diesem Kurs ist man jetzt doch wieder abgerückt. Ich glaube schon, dass man vor drei Monaten sehr genau überlegt hat, was man sagt, nur hat sich jetzt offenbar die Einschätzung noch mal geändert.

Wuttke: Gehen Sie denn mit den Kritikern dieser Ansage jetzt mit, die sagen, es bestünde jetzt die Gefahr einer neuen Immobilienblase in den USA?

Fuest: Das ist sicherlich das große Risiko dieser Politik des Gelddruckens, dass eben die Preise immer mehr in die Höhe … Also die Preise für Vermögensgüter sind ja nicht … Es ist ja nicht, dass die allgemeine Inflationsrate ansteigt, die ist sehr niedrig in den USA, sondern die Preise für Vermögensgüter, die könnten eben sehr stark ansteigen.

Also der Hauspreisanstieg hat sich zwar etwas verlangsamt, aber wir sehen etwa bei den Aktienmärkten, die ja jetzt auch nach oben geschossen sind, nach dieser Ankündigung, dass da starke Preisbewegungen kommen. Und das große Risiko ist eben, dass wenn dann am Ende die Anleihekäufe eingestellt werden, dass dann ein großer Absturz droht. Und man möchte ja eigentlich nicht diese großen Schwankungen – das war ja der Sinn auch der Ankündigung vor drei Monaten –, sondern geordnete Preisbewegungen, und dass das jetzt kommt, daran habe ich meine Zweifel.

Wuttke: Die Ankündigung im Sommer von Bernanke, die ist natürlich auch bei der EZB gehört worden. Herr Fuest, was bedeutet es für Europa, für die Europäische Zentralbank, dass in den USA erst mal alles so bleibt, wie es ist?

Fuest: Aus meiner Sicht macht es das etwas leichter für die europäische Zentralbank, ihren Niedrigzinskurs weiterzuverfolgen. Die europäische Wirtschaft entwickelt sich ja doch noch etwas schwächer als die amerikanische, und insofern hat die EZB ein Interesse daran, die Niedrigzinspolitik weiterzuführen. Das wäre sicherlich schwerer geworden, wenn die Zinswende in den USA schneller gekommen wäre. Insofern erleichtert der EZB diese Maßnahme oder das Geschäft. Allerdings muss auch die EZB eben befürchten, dass wir es hier mit Preisblasen zu tun bekommen, vor allem am Aktienmarkt, und dass wenn die platzen, die Unruhe dann doch noch mal größer wird.

Wuttke: Wagen wir doch mal einen Blick in die Zukunft, hoffen wir mal, dass die USA irgendwann so robuste Daten haben, dass die Fed tatsächlich einen Kurswechsel eingeht. Sie hat seit 2007 fast vier Billionen Dollar in Umlauf gebracht. Was passiert eigentlich, wenn die amerikanische Nationalbank aus den Anleihekäufen aussteigt und diese riesige Summe wieder eingesammelt wird?

Fuest: Das ist nicht ganz einfach zu sagen, weil wir in einer historisch einmaligen Situation sind. Einen leichten Vorgeschmack hatten wir ja schon bei der Ankündigung, dass die Käufe aufhören, vor drei Monaten. Da gab es, obwohl es eben nur eine Ankündigung war, doch ganz massive Bewegungen auf den Aktienmärkten, Kapital ist aus den Schwellenländern geflohen. Das zeigt, wie massiv die Auswirkungen sein werden, aber wirklich wissen tun wir es nicht, weil die Situation eben einmalig ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass es, wenn die Zinswende dann wirklich kommt, doch zu sehr schnellen Bewegungen kommen kann, und dass wir mit erheblichen Erschütterungen an den Märkten zu rechnen haben. Also ich habe Zweifel daran, dass man das so sanft und glatt organisieren kann, wie die Fed es versucht, aber wie gesagt, so was hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Insofern begibt man sich hier ein bisschen ins Unbekannte.

Wuttke: Einmal mehr. Vielen Dank! Im Deutschlandradio Kultur Clemens Fuest, der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, zum neuen alten Kurs der amerikanischen Notenbank. Vielen Dank und schönen Tag, Herr Fuest!

Fuest: Ich danke Ihnen!


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