Ökologie

Deutschland zögert beim Meeresschutz

Ein Rotschenkel läuft am Ufer der Vogelschutzinsel Trischen (Schleswig-Holstein) in der Nordsee.
Ein Rotschenkel läuft am Ufer der Vogelschutzinsel Trischen (Schleswig-Holstein) in der Nordsee. © picture alliance / Julia Baer
Von Lutz Reidt · 28.06.2016
Deutschland tut sich schwer beim Meeresschutz in Nord- und Ostsee. Zwar gibt es bereits seit 2007 sogenannte Natura-2000-Gebiete, in denen zum Beispiel Seevögel und Schweinswale besseren Schutz finden sollen. Doch konkrete Regelungen fehlen bislang.
Das Sylter Außenriff ist eine wichtige Kinderstube für die bedrohten Schweinswale in der Nordsee. Das Seegebiet zählt zu den zehn Meeresregionen, welche die Bundesregierung bereits im Jahr 2004 als Natura-2000-Gebiete nach Brüssel gemeldet hatte. Den rechtlichen Rahmen dafür liefert die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union von 1992.

Besserer Schutz für Seevögel, Meeressäugetiere und Fische

Hier geht es darum, die natürlichen Lebensräume mit ihren wildlebenden Tieren und Pflanzen in einem zusammenhängenden Netz von Schutzgebieten zu erhalten. Vor den deutschen Küsten von Nord- und Ostsee sollen Seevögel, Meeressäugetiere und Fische besser geschützt werden. Auch bestimmte Habitate wie Sandbänke und Riffe sind schützenswert. In der Ostsee zählt die Oderbank dazu. In der Nordsee sind es die Doggerbank sowie der Borkum-Riffgrund und eben das Sylter Außenriff.
Das zuständige Bundesamt für Naturschutz bekam sehr viel Lob für seine ehrgeizigen Schutz-Pläne in Nord- und Ostsee - so auch vom Meeresbiologen Kim Detloff vom Naturschutzbund NABU:
"Das war eine richtige Entscheidung, dass sich diese Gebiete in Deutschland überlappen und man eben auch Kernzonen identifiziert hat: Lebensraumtypen - Riffe und Sandbänke - oder eben auch geschützte Arten, das sind in Deutschland vor allem auch die Meeressäuger gewesen: Seehund, Kegelrobbe, Schweinswal; oder Vogelarten wie Sterntaucher, Prachttaucher, Zwergmöwe, wo diese geballt kombiniert vorkommen; und diese Kernzonen gilt es eben auch zu schützen, auch vor menschlichen Eingriffen."

Stillstand bei den staatlichen Bemühungen

Drei Jahre nachdem die Bundesregierung ihre zehn Natura-2000-Gebiete nach Brüssel gemeldet hatte, hat die Europäische Kommission das Ganze anerkannt. Das war 2007. Doch danach herrschte über Jahre hinweg Stillstand bei den staatlichen Schutzbemühungen. Naturschützer sprachen daher von "Paper Parks" - von Schutzgebieten ohne Schutz, die nur auf dem Papier existieren.
Der Biologe Stephan Lutter vom WWF in Hamburg kritisiert, dass die Bundesregierung all die Jahre keine gesetzlichen Vorgaben auf den Weg brachte, um etwa zu verhindern, dass Schweinswale und Seevögel immer wieder in Fischereinetzen ertrinken:
"Es sind acht Jahre verflossen, ohne dass dort irgendeine menschliche Aktivität eingeschränkt wurde, schon gar nicht die Fischerei. Und deswegen haben wir einfach nach vielen Ansätzen gesucht, bei der Bundesregierung, Lobbyarbeit zu betreiben, Überzeugungsarbeit bei Entscheidungsträgern, keinen anderen Weg mehr gesehen, als eine Klage einzureichen gegen die Bundesverwaltung, die dafür zuständig ist."

Klage gegen das Bundesamt für Naturschutz eingereicht

Und zwar gegen das Bundesamt für Naturschutz, das dem Bundesumweltministerium zugeordnet ist. Die Allianz der Kläger unter Federführung des Deutschen Naturschutzrings reicht vom Naturschutzbund, kurz NABU, über den Bund für Umwelt und Naturschutz bis hin zu Greenpeace und dem WWF.
Unabhängig davon hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Der Grund: Die Bundesregierung versäumte eine wichtige Frist, um die Schutzziele in Natura-2000-Gebieten umzusetzen.
Was ist in Nord- und Ostsee besonders schützenswert und wie können die unterschiedlichen Belange von Ökologie und Ökonomie unter einen Hut gebracht werden?

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