NS-Regime

Auflehnung der Geisteswelt

Hans Maier, langjähriger Kultusminister in Bayern
Hans Maier, langjähriger Kultusminister in Bayern © dpa / picture alliance / Frank Mächler
Hans Maier im Gespräch mit Maike Albath · 19.07.2014
Die vergessene Geschichte des akademische Widerstands gegen die Nationalsozialisten ist das Thema von Hans Maiers Buch. Im Gespräch berichtete er über die Ursachen des Vergessenes − und die Erfolge der Unbeugsamen.
Lange sei der akademische Widerstand gegen die Nationalsozialisten nicht beachtet worden, weil er nicht mit spektakulären Aktionen in Erinnerung geblieben sei, sondern im Stillen die politische und militärische Opposition beraten habe.
Hans Maier bedauert, dass heute der Fachbereich "Rechts- und Staatswissenschaften" vom Campus verschwunden sei. Denn die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Juristen und Ökonomen, Historiker und Philosophen habe das politische und universitäre Geschehen des 19. und 20. Jahrhunderts beeinflusst.
Nicht zufällig sei der akademische Widerstand gegen die NS-Ideologie aus diesem wissenschaftlichen Cluster hervorgegangen, auch weil dort ethisches und religiös begründetes Denken gepflegt worden sei.
An der Universität Freiburg im Breisgau widersetzten sich Walter Eucken und Adolf Lampe bereits 1933 dem neuen Rektor Martin Heidegger. Der Philosoph vertrat das Führerprinzip, die Nationalökonomen die Freiheit von Lehre und Forschung – und sie konnten sich nach zwei Semestern partiell durchsetzen.
Hans Maier ist 1931 in Freiburg geboren und hat dort Geschichte, Romanistik, Germanistik und Philosophie studiert, bevor er 1962 in München Professor für Politische Wissenschaft und später Kultusminister Bayerns wurde, war zudem Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken.
Zu Maiers wissenschaftlichen Lehrern gehörte Gerhard Ritter, der seit Ende 1938 am "Freiburger Konzil" teilnahm, einem privaten Gesprächskreis von Wissenschaftlern mit evangelischen und katholischen Geistlichen, die über eine ethisch kritische Haltung oppositioneller Christen zum nationalsozialistischen Staat nachdachten – empört über die Pogrome gegen jüdische Bürger und die NS-Vorbereitungen auf einen Krieg.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Cover: "Die Freiburger Kreise" von Hans Maier (Hg.)© Ferdinand Schöningh Verlag
Aus den Ergebnissen der Diskussion formulierte der Historiker Ritter unter anderem eine Denkschrift für Dietrich Bonhoeffer und die Bekennende Kirche. Sie enthält Grundsätze einer Neuordnung Deutschlands nach Ende des Krieges. Den Entwurf erörterten die Freiburger auch mit der Berliner Mittwochsgesellschaft um Carl Goerdeler, dem ehemaligen Oberbürgermeister von Leipzig.
Die Ökonomen unter ihnen Adolf Lampe, Constantin von Dietze und Walter Eucken − bildeten zusätzlich eine Arbeitsgemeinschaft, die den Weg aus der staatlichen Kriegswirtschaft in eine Marktwirtschaft entwarf, dabei aber die Freiheit des Wirtschaftens und des Wettbewerbs einem gesetzlichen Rahmen unterstellte.
Sie begründeten die Schule der Ordoliberalen und leisteten indirekt Vorarbeit für das wirtschaftspolitische Wiederaufbau-Konzept von Ludwig Erhard und der Bundeskabinette unter Konrad Adenauer.
Das Buch, das Hans Maier jetzt herausgegeben hat, geht zurück auf eine wissenschaftliche Fachtagung im Oktober 2010: über die "Freiburger Gesprächskreise", über akademischen Widerstand und soziale Marktwirtschaft.

Hans Maier (Hg.): Die Freiburger Kreise. Akademischer Widerstand und Soziale Marktwirtschaft
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2014
284 Seiten, 29,90 Euro

Mehr zum Thema