NS-Raubkunst

Lauder fordert internationale Kommission

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, aufgenommen in Berlin
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, aufgenommen in Berlin © picture-alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Otto Langels · 07.02.2014
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, wirft Deutschland schwere Versäumnisse im Umgang mit NS-Raubkunst vor. Bei einer Veranstaltung in den Räumen der "Topographie des Terrors" in Berlin schlug er die Einsetzung einer internationalen Kommission vor.
Zusammen mit 43 anderen Ländern hat sich Deutschland 1998 in der sogenannten Washingtoner Erklärung verpflichtet, von den Nazis geraubte Kunstwerke aufzuspüren und ihren einstigen jüdischen Eigentümern oder deren Erben zurückzugeben. Doch getan hat sich seither wenig.
Julius Schoeps, Direktor des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums:"Wenn wir davon ausgehen, dass im Zeitraum 1933 bis 1945 etwa 600.000 Kunstwerke in Europa ihren einstigen Eigentümern abgepresst, beschlagnahmt oder gestohlen wurden, so kann angenommen werden, dass sich noch immer eine große Anzahl bisher nicht identifizierter Kunstwerke in öffentlichen Sammlungen und in Privatbesitz befindet."
Mangelndes Interesse an Nachforschungen
Auktionshäuser, Sammler und Galerien berufen sich auf gutgläubigen Erwerb, pauschale Zahlungen an die Jewish Claims Conference oder Verjährungsfristen, um ihr mangelndes Interesse an Nachforschungen zu rechtfertigen.
Deutschland sei nach 1945 beispielhaft mit den Folgen des Holocaust umgegangen und ein Vorbild für den Rest der Welt, meint der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder; nur bislang leider nicht im Umgang mit NS-Raubkunst. Deshalb sei es notwendig, ein Rückgabegesetz zu verabschieden und die Verjährungsfristen für Kunstraub aufzuheben:
"Der Diebstahl von Kunst im Zuge des Völkermords ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Verjährungsfristen sollten nicht dem Schutz von Personen dienen, die wissentlich Kunstwerke von einst verfolgten Menschen erwerben, sie sollten nicht die Käufer schützen, die wissen, dass es sich um Raubkunst handelt."
Im Fall Gurlitt gingen die Behörden energisch vor und stellten die komplette Sammlung sicher. Bei Museen hingegen agieren die zuständigen Stellen zurückhaltend. Bislang wurde, soweit bekannt, kein einziges raubkunstverdächtiges Bild in einem öffentlichen Museum beschlagnahmt.
Und die Museen selber, so Julius Schoeps, zeigen wenig Eifer, die Herkunft ihrer Kunstwerke zu erforschen:
"Von den ca. 6000 Museen in Deutschland haben gerade einmal 350 Museen Provenienzrecherchen in die Wege geleitet. Bisher sind nur einige dieser Kunstwerke identifiziert und an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben worden."
Der Historiker Julius Schoeps, der sich seit Langem mit Fragen der Raubkunst beschäftigt, vermutet, dass sich Werke ungeklärter Herkunft auch im Besitz des Bundes befinden könnten. Manches Bild, das einst in jüdischen Wohnzimmern hing, könnte heute die Wände von Bundestagsgebäuden oder Bundesbehörden schmücken.
In den Medien wurde schon über Fälle berichtet, in denen das zuständige Finanzministerium Auskünfte verweigerte. Zu groß ist wohl die Befürchtung, dass die Rückgabe eines Bildes weitere Rückgabeansprüche nach sich ziehen könnte. Geschätzt wird, dass die Zahl staatseigener Kunstwerke mit zumindest zweifelhafter Provenienz in die Hunderte geht.
Untätigkeit und zögerlicher Umgang
Der Jüdische Weltkongress kritisiert die Untätigkeit bzw. den zögerlichen Umgang deutscher Institutionen mit NS-Raubkunst. Ronald S. Lauder fordert deshalb eine unabhängige internationale Kommission, in der weltweit führende Provenienzforscher vertreten sein sollten. Sie sollen die Sammlungen von Museen überprüfen, versuchen, die Opfer bzw. deren Erben zu ermitteln, und eine faire Entschädigung anbieten:
"Die Kommission sollte finanziell gut ausgestattet sein und reale Entscheidungsgewalt ausüben können. Museen, die sich bislang gegen Transparenz gesträubt haben, könnten dazu verpflichtet werden, Nachforschungen im eigenen Haus durchzuführen, und zwar im Einklang mit internationalen Standards."
Ob und inwieweit die von Lauder vorgeschlagene Kommission mit bestehenden Einrichtungen kooperieren oder konkurrieren würde, ist einstweilen unklar. Denn seit 20 Jahren versucht die sogenannte "Limbach-Kommission", Streitfälle zwischen Museen und jüdischen Erben zu schlichten. Und seit Kurzem existiert im Fall Gurlitt eine international besetzte Taskforce.
Sollten die jüdischen Eigentümer von Raubkunst oder deren Erben nicht mehr aufzufinden sein, dann könne man, so Lauders Vorschlag, die Werke versteigern. Und den Erlös jeweils zur Hälfte den deutschen jüdischen Gemeinden und dem Staat Israel zukommen lassen.
Die Forderungen Ronald S. Lauders sind bisher nur vage Empfehlungen. Mit der Initiative des Jüdischen Weltkongresses hat sich aber zweifellos der Druck auf Deutschland erhöht, das Problem der NS-Raubkunst zügig und umfassend anzugehen. Damit scheint sich ein Vorgang zu wiederholen, wie er vor Jahren in der Frage der Entschädigung von Zwangsarbeitern zu beobachten war. Nachdem jahrzehntelang Privatwirtschaft und Regierung sich nicht zuständig gefühlt und es abgelehnt hatten, Verantwortung zu übernehmen, kam erst auf massiven Druck und Boykottdrohungen gegen deutsche Unternehmen aus dem Ausland eine Lösung zustande.
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