NS-Medien

Brutale Hetze

Adolf Hitler (M.) und Julius Streicher (r.) auf dem "Deutschen Tag" am 2. September 1923 in Nürnberg während des Vorbeimarsches von 6000 uniformierten Nationalsozialisten.
Adolf Hitler (M.) und Julius Streicher (r.) auf dem "Deutschen Tag" am 2. September 1923 in Nürnberg während des Vorbeimarsches von 6000 uniformierten Nationalsozialisten. © picture-alliance / dpa - Ullstein
Von Stefan Berkholz · 23.08.2014
Mit seinem Wochenblatt "Der Stürmer" wurde Julius Streicher - Antisemit durch und durch - zum radikalsten publizistischen Wegbereiter der nationalsozialistischen Rassenideologie. Das Buch bietet einen erschreckenden Einblick in die Propaganda des Blatts.
Immer mal wieder taucht "Der Stürmer" in aktuellen Polemiken auf, etwa wenn der Publizist Henryk M. Broder über das Ziel hinausschießt oder der Dramatiker Rolf Hochhuth sich zu sehr echauffiert. Der Würzburger Historiker Daniel Roos behauptet, die Empörten könnten das Blatt nicht gelesen haben, sonst würden sie unpassende Vergleiche nicht ziehen.
"Die Geschichte Streichers und des 'Stürmer' hat demonstriert, wie weit antisemitische Hass- und Hetzpropaganda gehen konnte, wie unverblümt die Vernichtung und Ausrottung eines ganzen Volkes gefordert werden durften, wie erfolgreich derartige Tiraden sein konnten und wie wenig Widerstände dagegen halfen.
Streicher benötigte keine nationalsozialistische Regierung, keine Rückendeckung seitens einer Partei oder Organisation, keine überdurchschnittliche Intelligenz und keine besonderen Fähigkeiten.
Es 'genügten' eine manische Besessenheit, zweifelhafte Anlagen und eine hasserfüllte Rücksichtslosigkeit, um unbeirrt den Weg hin zu einem der am meisten gefürchteten und am stärksten verachteten Agitatoren der völkisch-nationalen Ideologie zu gehen."
Mit Primitivität zum Massenblatt
1923 wurde "Der Stürmer" von Julius Streicher als lokales Wochenblatt in Nürnberg gegründet. Dabei stand nicht die Tagesaktualität im Vordergrund, sondern die Propaganda. Der "Kampf um die Wahrheit", so der Untertitel. Und diese Wahrheit war die des Herausgebers, unbegründet, spekulativ, hasserfüllt.
"Das Hetzblatt verlieh dem abstrakten jüdischen Feind ein Gesicht, eine Gestalt aus Fleisch und Blut."
Von Beginn an war die Sprache schlicht und brutal, simpel und ordinär. Primitivität war die Methode, um den "Stürmer" zum Massenblatt zu machen. Dort schrieb Streicher wie er sprach. Dazu kam eine Mischung aus Sex and Crime, antisemitische Stereotypen, befördert durch Zeichnungen und Karikaturen, später auch Fotos und Bildfälschungen.
Und permanent wurden Themen wie "Rassenschande" oder "Ritualmord" wiederholt. Das Blatt sollte leicht wiederzuerkennen sein. Unablässig wurden die Emotionen der Leser angesprochen.
"Der 'Stürmer', so könnte man zugespitzt formulieren, stellte eine Frühform moderner Kommunikationstechnik dar, indem die Grenzen zwischen Leser und Mitarbeiter verschwammen und das Gefühl einer 'Gemeinschaft der Wissenden' geschaffen wurde.
Jene, die außerhalb dieser Gruppierung standen, sahen sich der 'Stürmer-Gemeinschaft' als unerbittlichem Gegner gegenüber, was sich in zahlreichen Denunziationen im Blatt niederschlug."
Streicher war mit Hitler befreundet
Streicher wurde mit seinem Wochenblatt zum radikalsten publizistischen Wegbereiter der nationalsozialistischen Rassenideologie. Die Anweisungen im "Stürmer" reichten von gesetzlichen Regelungen und Ausweisung der Juden aus Deutschland bis hin zu Internierung und Vernichtung.
Das Trommelfeuer war ganz auf der Linie Hitlers. Der Herausgeber war befreundet mit dem "Führer", er wurde von diesem gefördert, seine Macht war damit gesichert. Streicher fühlte sich zum Antisemiten berufen - so gab er es noch nach Kriegsende in der Nürnberger Zelle zu Protokoll.
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Cover: "Julius Streicher und "Der Stürmer" 1923-1945" von Daniel Roos© Ferdinand Schöningh Verlag
Sein Antisemitismus war manisch und mit rationalen Argumenten nicht zu erreichen. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wuchs seine Bedeutung allerdings nicht, zu effekthascherisch und extrem war sein Auftreten.
"Die Bedeutung Streichers für die Reichspolitik wurde und wird daher überschätzt, die schon zeitgenössische Wahrnehmung Streichers als Mitglied des engeren NS-Führungszirkels ist nicht zutreffend. Die Bedeutung des 'Frankenführers' ergab sich in erster Linie aus seiner Funktion als Herausgeber des 'Stürmer'."
Blatt propagierte Tötung der Juden
Doch der Herausgeber und seine willigen Journalisten waren nicht nur publizistische Wegbereiter des Nationalsozialismus. Sie propagierten auch frühzeitig unverhohlen Selbstjustiz und Tötung und begründeten damit den Völkermord an den Juden.
"Ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung der Menschheit", lautete eine - in Fettdruck hervorgehobene - Parole, die immer wieder im Blatt abgedruckt wurde. 1938 heißt es dann im "Stürmer":
"Juden sind Schädlinge und Krankheitserreger. In jedem Volke, in dem sie sich niederlassen und ausbreiten, rufen sie die gleichen Wirkungen hervor. Sie rufen die Wirkungen hervor, die im menschlichen Körper von den Bazillen hervorgerufen werden.
Und ebenso wie der menschliche Körper sich gegen die eindringenden Bazillen wehrt und sie auszuscheiden versucht, ebenso wehren sich die nichtjüdischen Völker gegen das Eindringen und das Verbreiten der Juden. (…)
In früheren Zeiten machten gesunde Völker und gesunde Volksführer mit Volksschädlingen kurzen Prozess. Sie ließen sie entweder austreiben oder töten."
Sprachlich eingängige Studie
Daniel Roos scheut sich nicht, schwer verdauliche Zitate aus dem Hetzblatt zu bringen. So bekommt der Leser eine Ahnung von der Wirkung und der mörderischen Zielrichtung. Der Historiker hat eine aufwendig recherchierte und sprachlich eingängig wirkende Studie verfasst.
Er argumentiert äußerst differenziert und ist frei von akademischem Dünkel, hat das reichhaltige und bisher wenig beachtete Material auf beeindruckende Weise ausgewertet. Wer in die Niederungen antisemitischer Propaganda eindringen will, kann das mit diesem Buch tun.
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