Nowowiejskis Oratorium "Quo Vadis"

So klingt es, wenn Rom brennt

Der Dirigent Lukasz Borowicz
Der Dirigent Lukasz Borowicz © Justyna Mielniczuk/CAMI
03.07.2016
Vor einhundert Jahren war es in ganz Europa der absolute Renner - das Oratorium "Quo Vadis" von Feliks Nowowiejski. Jetzt hat es die Philharmonie Poznań unter Leitung von Łukasz Borowicz mit hervorragenden Solisten und dem Chor der Podlachischen Oper und Philharmonie Białystok wieder neu herausgebracht.
Feliks Nowowiejski komponierte sein Oratorium 1903. In den darauf folgenden dreißig Jahren wurde es mehr als 200 Mal in ganz Europa und in beiden Amerikas aufgeführt. Nicht zuletzt weil die literarische Vorlage, Henryk Sienkiewiczs Roman gleichen Titels, sehr bekannt war. Für sein literarisches Schaffen war der polnische Schriftsteller Sienkiewicz 1905 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden - die Popularität seines Romans "Quo Vadis" dürfte daran einen beträchtlichen Anteil gehabt haben.
Das Oratorium Nowowiejskis geriet in der Folgezeit quasi in Vergessenheit. Schon deshalb, weil die großbesetzte Gattung an sich Schwierigkeiten im Konzertsaal bekam. Anders als die Oratorien Georg Friedrich Händels und Joseph Haydns sind die allermeisten "chorsinfonischen" Werke des 19. und 20. Jahrhunderts bis heute nicht wieder in die Veranstaltungskalender zurückgekehrt, ob sie nun religiösen oder profanen Inhalts sind. "Quo Vadis" ist sicher beides, ein nationalistisch deutbares Epos über die Christenverfolgung zu Zeiten des Römischen Kaisers Nero und dessen Tyrannei, die auf einem pervertierten System wie auf dem krankhaften Charakter eines Despoten beruhte. Zugleich ist sie aber ein Aufruf zu religiöser Umkehr und zur "richtigen" Lebensführung.
2016 jährt sich der Todestag des Komponisten Felix Nowowiejski zum 70. Mal. Nowowiejski lebte viele Jahre in Berlin, er war hier als Organist tätig und studierte einige Jahre u.a. bei Max Bruch. In Berlin komponierte er auch viele Teile seines Oratoriums, nachdem er seine ersten Anregungen dazu im Laufe einer Reise nach Rom bekommen hatte. 1907 wurde die erste Fassung seines Oratoriums in Usti nad Labem uraufgeführt. Nowowiejski unterzog es anschließend einer starken Revision und brachte es 1909 im Concertgebouw in Amsterdam erneut auf die Bühne. Nun trat es seinen Siegeszug durch die großen Konzertsäle der Welt an.
2016 ist auch Henryk-Sienkiewicz-Jahr, es ist der 100. Todestag des Dichters - und zugleich sind 170 Jahre seit seiner Geburt vergangen. Aus diesem Anlass spielt die Posener Philharmonie Nowowiejskis Oratorium "Quo Vadis" nicht nur in Konin und Poznań, sondern auch in Berlin.
Feliks Nowowiejskis Biografie und künstlerisches Schaffen symbolisiert darüberhinaus etwas anderes: Er wurde im Ermland als Sohn einer polnisch-deutschen Familie geboren. Seine national-polnische Identität entstand im wesentlichen in den Jahren seines Studiums in Berlin, nicht zuletzt aufgrund der Germanisierungspolitik des Deutschen Kaiserreiches in den östlichen Provinzen und den besetzten polnischen Gebieten. Doch während des 1. Weltkrieges zog Nowowiejski zurück von Krakau nach Berlin, weil er aufgrund seiner Herkunft angefeindet wurde, und diente als kaiserlich-preußischer Militärkapellmeister, um sich dann in Poznań niederzulassen, als der polnische Staat wiedererstanden war. Viele der Werke Nowowiejskis sind Ausdruck dieser Identitätssuche, vor allem auch das Oratorium "Quo Vadis". Doch es verkörpert ebenso allgemein humanistische Werte - wie das literarische Werk Sienkiewiczs - und taugt nicht zur politischen Vereinnahmung, weder damals noch heute.
Aula der Universität Poznań
Aufzeichnung vom 29. Juni 2016
Feliks Nowowiejski
"Quo Vadis", Oratorium für Soli, gemischten Chor, Orgel und Orchester
nach Henryk Sienkiewiczs gleichnamigen Roman
Wioletta Chodowicz, Sopran
Robert Gierlach, Bariton
Wojtek Gierlach, Bass
Chor der Podlachischen Oper und Philharmonie Białystok
Filharmonia Poznańska
Leitung: Łukasz Borowicz