Norwegischer Finanzkoloss

Geld wie Öl

Karl-Johann-Straße in Oslo
Karl-Johann-Straße in Oslo © dpa - picture alliance / Hinrich Bäsemann
Von Clemens Bomsdorf · 14.04.2015
Norwegen ist einer der wichtigsten Öl- und Gasexporteure der Erde - zumindest bislang. Die Politiker sorgen sich um die Zukunft und haben mit einem gigantischen Fonds vorgesorgt, der Anteile an über 9000 börsennotierten Unternehmen hält.
Welch ein Kontrast! Hier das prächtige Haus an den Champs-Élysées, eine der ersten Adressen von Paris. Ebenso nobel die Regent Street in London, die zu den wohl bekanntesten Einkaufsstraßen des Vereinigten Königreichs gehört. Unspektakulär hingegen der Bankplassen in Oslo. Dort steht das Gebäude des riesigen, aber bescheiden auftretenden Investors, der an beiden internationalen Prachtimmobilien beteiligt ist.
Der staatliche norwegische Ölfonds, offiziell Pensionsfonds Ausland genannt, residiert in der Norwegischen Nationalbank, einem Zweckbau im alten Finanzdistrikt von Oslo. Aus den schlichten Büros dort wird der 800 Milliarden Euro schwere Koloss gesteuert. Dieses Volumen macht ihn zum größten Staatsfonds der Welt. Der Immobilienbesitz ist nur ein kleiner Anteil am Vermögen, bringt aber immerhin pro Jahr rund eine halbe Milliarde an Mieteinnahmen. Viel bedeutender ist der Aktienbesitz. Rund 1,3 Prozent der weltweit notierten Aktien sind in der Hand des norwegischen Fonds, der aus den Öl- und Gaseinnahmen gespeist wird und mit dem die Nationalbank ein wesentliches Ziel hat, wie Direktor Øystein Olsen Mitte März bei der Präsentation der Jahreszahlen erklärte:
"Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass der Fonds langfristig und professionell verwaltet wird, so dass Norwegens Ölreichtum derzeitigen und zukünftigen Generationen zu Gute kommt."
Ein ambivalentes Verhältnis zum Öl
Norwegen ist einer der wichtigsten Öl- und Gasexporteure der Erde. Ein Großteil der Gewinne aus dem Handel mit den wertvollen Rohstoffen wird über den Ölfonds im Ausland investiert. So wird für eine Zukunft nach dem Öl vorgesorgt. Mittlerweile sind pro Norweger rund 160 000 Euro angelegt – damit ist jeder Norweger Kronenmillionär. Der Ölfonds hält Anteile an über 9000 börsennotierten Unternehmen, davon 219 aus Deutschland. Den Norwegern gehören unter anderem drei Prozent an BMW und 1,9 Prozent an Siemens. Mit den Anlagen wurden gute Ergebnisse erzielt, so Fondschef Yngve Slyngstad:
"Die jährliche Rendite seit Start liegt bei durchschnittlich 5,8 Prozent. 2014 war mit 7,6 Prozent besser als der Durchschnitt."
Der Fonds hat ein durchaus ambivalentes Verhältnis zum Ölpreis. Einerseits profitiert er von hohen Ölpreisen, denn dann sprudeln die Gewinne der norwegischen Ölfirmen und er kann mehr Geld investiert werden. Andererseits leidet die Weltwirtschaft unter zu hohen Energiepreisen, was sich auf die Kurse schlägt.
Ist Öl, wie derzeit, billig, entwickeln sich vielen Aktien und damit auch das schon investierte Vermögen besser. Doch es geht nicht nur um Gewinnmaximierung.
"Als einer der größten Investoren haben wir eine bedeutende Verantwortung. ... Als Fonds mit einem sehr langen Horizont müssen wir uns auch um sehr langfristige Risiken kümmern."
Deshalb gibt es ein Komitee, das ethische Vorgaben macht. Für einen Fonds, der aus dem Ölgeschäft finanziert wird, mag es seltsam klingen, aber eine der Vorgaben ist klimaschonend zu investieren. Darüber hinaus werden Firmen, die Kinder beschäftigen oder Streubomben herstellen nicht akzeptiert. Deshalb hat sich der Fonds alleine im vergangenen Jahr von Anteilen an 49 Unternehmen getrennt, mögen die auch noch so viel Geld verdient haben. Dazu Zentralbankchef Olsen:
"Anlageentscheidungen müssen Risiken für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft berücksichtigen, was die Rendite beeinflussen kann."
Seit 1996 fließen Steuern, Dividenden vom halbstaatlichen Energieriesen Statoil und Einnahmen aus Direktbeteiligungen an Ölfeldern in den Fonds. Gemeinsam mit der Rendite sorgen diese Einzahlungen dafür, dass der Ölfonds tüchtig wächst. "In den vergangenen drei Jahren ist der Fonds sehr stark gewachsen und der Wert hat sich allein in der Periode mehr als verdoppelt", sagt Slyngstad.
Ein Labor für den Umgang mit Reichtum
Mit dem Fonds wird nicht nur für die Zeit nach dem Öl gespart, sondern schon jetzt der norwegischen Wirtschaft geholfen. Um das zu verstehen, hilft ein Blick in die Niederlande. Dort wurden vor einigen Jahrzehnten umfangreiche Gasressourcen entdeckt. Das Land war aber nicht so vorausschauend wie Norwegen und investierte die Einnahmen nicht im Ausland. Stattdessen stiegen der Kurs der heimischen Währung und die Löhne stark, andere Branchen verloren dadurch an Wettbewerbsfähigkeit.

Seither sprechen Volkswirte von der "Dutch Disease", der holländischen Krankheit. Der Ölfonds ist gewissermaßen die norwegische Medizin dagegen. Denn indem die Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft im Ausland in Fremdwährung angelegt werden, wird die heimische Währung niedrig gehalten. So spart Norwegen für eine Zukunft ohne Öl und sorgt dafür, dass andere Branchen stark bleiben. Für dieses vorausschauende Handeln gibt es sogar Lob vom amerikanischen Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz. Der schrieb einmal:
"Norwegen kann dafür, dass es so klug ist, Naturressourcen so anzulegen, dass sie mehreren Generationen zu Gute kommen, nur bewundert werden."
Glück, Geschick und das klare Bekenntnis zu einem starken Sozialstaat, sind auch nach Meinung des norwegischen Staatsoberhauptes; König Harald, die Gründe dafür, dass aus einem eher abgelegenen kleinen Land im Norden Europas, eine Art Labor für den Umgang mit Reichtum wurde.
"Wir hatten sehr viel Glück. Seit Ende der 60er Jahre gab es das Öl, Aber schon davor hatten wir einen gut organisierten Staat aufgebaut. Alles war bereit. Ich denke wir waren eines der ersten kleinen Industrieländer in dem Öl gefunden wurde. Und sp standen vor einem einem Problem, das neu war: Wir hatten zu viel Geld! Deshalb schufen wir den Pensionsfonds, der sich um unsere Zukunft kümmern sollte und der dies bis heute tut."
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