Nordsee

Warum harren die da aus?

Von Anne Raith · 21.11.2013
Das Leben auf den Halligen ist schwieriger als andernorts - die Menschen dort sind ebenso rau wie das Klima und harren auf der Hallig aus. Was hält sie an dem Flecken fest, wo doch regelmäßig Landunter angesagt ist? Eine für den Hallig-Bewohner existentielle Frage.
Der Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel. Die schwarz-rot-goldene Fahne der "Hilligenlei" flattert im Wind, es pustet ganz schön an diesem Sonntagvormittag. Langsam rollt ein Traktor auf die Fähre, die Fahrgäste nehmen auf dem oberen Deck Platz.

"Und Abfahrt, bitte."

Kapitän Michael Köhn fährt seit 36 Jahren zur See, seine Unterarme sind tätowiert, im linken Ohr trägt er einen kleinen goldenen Anker. Zweimal am Tag setzt er im Sommer nach Hooge über, erzählt er, und steckt sich eine Zigarette an. In der zweiten Jahreshälfte wird es dann spürbar ruhiger.

"Wir fahren im Winter nur einmal am Tag und montags und mittwochs gar nicht und in der Werftzeit übernimmt ein Motorboot hier."

Dann pendeln auch die Ausflugsschiffe nicht mehr. Die Fähre aber hält den Betrieb aufrecht, damit die Hooger weiterhin ans Festland kommen, die Lebensmittel hin- und den Müll zurücktransportieren können. Urlauber sind dann auch noch an Bord, aber sehr viel weniger als im Sommer. Denn ab Herbst kann die Überfahrt ganz schön ungemütlich werden.

"Morgens um acht fängt man an zu schaukeln und abends hört man wieder auf, da hat man wirklich die Faxen dicke. Oder eine Woche Nebel, dann ist auch Schluss …"

Ungünstig sind auch Ostwind oder Niedrigwasser. Um dann nicht im Hafen festzusitzen, muss Kapitän Michael Köhn weite Umwege in Kauf nehmen, immer neue Routen entdecken. Er mag das.

"Jetzt muss ich mal die Handbremse ziehen."

Nach anderthalb Stunden werden die einzelnen Warften der Hallig sichtbar – große, aufgeschüttete Hügel, auf denen die Bewohner leben - zum Schutz vor Sturmflut und Landunter. Hooge ist die zweitgrößte der insgesamt zehn Halligen - kleine Eilande, die von der Nordsee um- und manchmal auch überspült werden. 109 Menschen wohnen hier.

"Siehste woll, Hallig Hooge. Bis zum nächsten Mal!"

Das Leben auf der Hallig ist etwas Besonderes, das sagen sie alle hier: Der Bürgermeister, der Krankenpfleger, die Pensionswirtin, die Kauffrau und die Schülerin. "Besonders" im Sinne von "einzigartig", mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer. Und besonders im Sinne von "speziell", weil man abgeschieden lebt und sich doch nicht aus dem Weg gehen kann. Weil man Überflutungen erdulden und Verzicht üben muss. Nichts für jeden.

Vom Anleger aus sind es nur wenige Meter bis zur Backenswarft. Neben dem roten Reetdachhaus stehen, ein wenig zusammengewürfelt, die Tische und Stühle des "Café zum Blauen Pesel", das Karen Tiemann betreibt.

In einem kleinen Raum im Erdgeschoss der angrenzenden Pension sitzt Karens Schwester Hilke. Geduldig zieht sie Bettwäsche und Tischtücher durch die Mangel. Karen und Hilke Tiemann sind auf Hooge geboren und aufgewachsen:

Karen Tiemann: "Unser Vater hatte ein kleines Ausflugsschiff und unsere Mutter hat hier Pensionsgäste gehabt und hat halt nebendran bei ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwägerin im Café geholfen. Unsere Eltern haben natürlich beide immer im Sommer gearbeitet, aber sie waren immer da. Und wir hatten ein bisschen Landwirtschaft und mussten immer ein bisschen mithelfen, aber eigentlich eine schöne Kindheit."

Hilke Tiemann: "Ja, die wurde natürlich bestimmt von der Natur. Das was wir gemacht haben an Spielen fand die meiste Zeit draußen statt, natürlich mit schwimmen im Sommer, Tiere beobachten, alles was an Meeresgetier da ist aus dem Wasser holen. Und es waren viele Kinder da, wir hatten viele Spielkameraden, im Sommer natürlich auch, weil dann Gästekinder da waren."

Nach der neunten Klasse haben die beiden Schwestern Hallig Hooge erst einmal verlassen, um auf die weiterführende Schule zu gehen. Danach zog es Karen unter anderem nach Berlin. Das Leben in der Großstadt hat ihr gefallen, erzählt die 47-jährige Hotelfachfrau. Doch als ihre Tante krank wurde, ist sie nach Hooge zurückgekehrt, um Pension und Café zu übernehmen. Kein leichter Entschluss.

"Letztendlich hab ich gesehen, wie es meinen Kollegen ergeht in der Großhotellerie. Selbständigkeit ist nicht einfach, aber das ist schon ein guter Weg und ich bin schon froh darum, dass ich es gemacht habe."

Wenn Karen Tiemann sich nicht um ihre Pensionsgäste kümmert oder frischen Kuchen für ihr Café backt, engagiert sie sich in der Theatergruppe und im Trachtenverein. Sie möchte das kulturelle Erbe ihrer Heimat lebendig halten.

Natürlich, sagt sie, müssen auch die Halligbewohner mit der Zeit gehen, das hat sie das Leben auf dem Festland gelehrt. Was nicht heißt, dass sie nicht auch ihre Traditionen pflegen können. Auch Hilke, die inzwischen in der Nähe von Hamburg lebt, kommt regelmäßig "nach Hause". Natürlich spürt sie den Unterschied, sagt sie:

"Sie können im Winter nicht jeden Tag ans Festland fahren, sie können im Winter nicht jeden Tag ins Kino gehen oder jeden Abend, aber auf der anderen Seite kann man hier gut leben. Man führt hier ein anderes Leben, aber es ist nicht schlechter. Ich glaube, was man wirklich braucht, was jeder Mensch wirklich braucht, ist wenig und es gibt hier alles."

Alles, nur eben nicht zu jeder Zeit. Die Gemüseecke beim "Halligkaufmann" auf der Hanswarft einige Fahrradminuten weiter ist an diesem Vormittag schon ein bisschen leer gegrast. In den Regalfächern am Eingang liegen einige Säcke Kartoffeln, ein Blumenkohl, Zitronen und Äpfel. Alles, was Renate Kuhnke hier verkauft, kommt vom Festland.
"Von hier kommt nichts, wir können in den Fennen nichts anbauen, durch das Landunter würde das immer wieder wegspülen, das geht ja nicht. Und die Flächen auf den Warften sind so gering, da kann man nichts anbauen, vielleicht für den Eigenbedarf, aber mehr nicht."

Renate Kuhnke betreibt den kleinen Laden seit sieben Jahren. Neben frischen Produkten wie Milch, Käse und Joghurt finden sich in den Regalen Nudeln und Reis, Schokolade und Chips. Nur an wenigen Stellen sieht man Lücken im Sortiment. Renate Kuhnke macht aus der Not eine Tugend:

"Das ist ja das Interessante daran: Es ist nicht immer alles da. Und das ist auch spannend, weil: alles da hat man auf dem Festland. Und hier muss man manchmal ein, zwei Tage warten."

Dort hat man alles auch ein wenig günstiger, doch mit den Discounter-Preisen versucht Renate Kuhnke erst gar nicht mitzuhalten. Immerhin muss sie pro Jahr allein 15.000 Euro an Frachtgebühren bezahlen. Im Sommer, wenn viele Touristen auf der Hallig sind, steht die 50-Jährige 12 bis 14 Stunden im Laden, um vorzusorgen.

"Wir haben im Winter nur fünf Stunden auf, drei am Vormittag, zwei am Nachmittag, das reicht auch für 100 Leute, davon steht man einige Stunden rum, ohne tätig zu sein, damit müssen wir leben, es ist im Winter wirklich hart, über die Runden zu kommen, deswegen muss man im Sommer diese vielen Stunden machen, sonst schafft man’s nicht, sonst schafft man’s wirklich nicht. Nur, ne Hallig ohne Kaufmannsladen kann man ja gänzlich vergessen, ne?"

Vor allem die älteren Leute kommen regelmäßig zu Renate Kuhnke, zum Schnacken und Einkaufen. Helga Diederichsen zum Beispiel. Die 78-Jährige hat es nicht weit, sie wohnt auf der Hanswarft. Hier betreibt ihr Sohn das "Sturmflutkino". Der einzige Film des Kinos läuft immer dann, wenn sich mindestens fünf Personen für eine Vorstellung finden. Gerade für Tagesgäste und Touristen ist es oft ein faszinierendes Spektakel, auf der Leinwand mitzuerleben, wenn die Hallig beim "Landunter" überspült wird und nur noch die Warften herausschauen. Helga Diederichsen kennt es nicht anders:

"Landunter ist ganz normal für uns, da sind wir mit aufgewachsen, manchmal ist es ein bisschen höher, manchmal ein Meter, manchmal drei. Aber wir kriegen ja auch Bescheid …"

"Wie bereiten Sie sich darauf vor?"

"Ein paar Stunden brauchen wir, meistens ist das in der Nacht, die Tiere und alles muss dann geborgen werden, bevor es dunkel ist und dann sitzt man und wartet, dass alles gut abläuft."

Helga Diederichsen lässt ihren Blick über die Hallig schweifen. Vom "Sturmflutkino" aus hat man einen guten Blick auf die anderen Warften, den Fähranleger, auf grüne Wiesen. Bei Landunter ist das anders:

"Da ist alles ein Meer, die ganze Hallig ist ein Meer."

Halligen müssen regelmäßig überspült zu werden, um sich zu entwickeln. Ein ganz natürlicher Prozess ist das, der mit dem Westwind und der Mondstellung zu tun hat, erklärt Michael Klisch. Er ist Hausleiter der Schutzstation Wattenmeer, die ganz in der Nähe des kleinen Kinos auf der Hanswarft ist. Was nicht heißt, dass die Landunter nicht irgendwann einmal zu einer Gefahr für die Halligbewohner werden können:

"Zum einen ist es so, dass jedes Landunter mit den ganzen Schwebstoffen, die im Wasser drin sind, mit Sand, mit fein geriebenen Muschelschalen auch mit totem Material die Hallig immer ein Stück wächst. Bei Bohrungen kann man feststellen, dass die letzten hundert Jahre die Hallig selber so um 50-70 Zentimeter gewachsen ist. Von daher scheint das Halligland mit dem Meeresspielanstieg Schritt zu halten. Und das andere ist, dass natürlich die Warften, als künstliche Hügel, nicht mitwachsen. Die Häuser stehen darauf, und wenn die Wasserstände höher werden, und auch der Wellenauflauf höher wird, dann wird die Gefahr für die Warften und die darauf stehenden Häuser immer größer. Und somit müssen wir uns überlegen, neue Sturmflut sichernde Maßnahmen zu ergreifen, um die Warften, Häuser und Grundstücke zu schützen."

Doch die ständigen Überflutungen hinterlassen ihre Spuren. Auf der Kirchwarft zum Beispiel. Am Glockenturm aus alten Schiffsplanken vorbei führt der Weg zur kleinen Halligkirche Sankt Johannis. Pfarrer Martin Witte läuft an den Bankreihen vorbei zum Taufbecken, deutet auf die Wasserschäden an der Wand.

"Sehr, sehr häufig ist das Wasser bei kräftigen Sturmfluten über die Kirchwarft gegangen, über den Friedhof und ist hinein in die Kirche und so stand oft das Wasser hier. Das Wasser konnte ablaufen, dadurch, dass wir einen ganz besonderen Fußboden haben, das kann man da sehen…"

"Oh ja, Sand!"

"Sand, Kies, Muscheln, und so konnte das Wasser, was hier dann einlief bei starken Sturmfluten dann auch wieder versickern."

80 Mitglieder hat die Kirchengemeinde von Pfarrer Witte auf Hooge, die vermutlich kleinste evangelische Gemeinde Deutschlands, sagt er und lacht. Kein Schlechter Schnitt bei 109 Einwohnern.

"Auf Hooge erlebe ich, dass Kirche viel selbstverständlicher da ist und auch akzeptiert wird. Für die Hooger ist die Kirchengemeinde und vor allem die Kirchwarft mit der Kirche ganz, ganz wichtig, auch wenn die Hooger vielleicht nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, so lieben sie ihre Kirche, weil die Kirche ein Stück ihres Lebens ist und ihrer Tradition."

Auch die freiwillige Feuerwehr hat auf Hooge keine Nachwuchsprobleme. Denn wenn es auf der Hallig hart auf hart kommt, dann sind die Hooger auf sich allein gestellt. Das stiftet Gemeinschaft, sagt Pfarrer Martin Witte. Aber nicht immer.
"In Notzeiten, bei Landunter, ist es selbstverständlich, dass wir zusammenhalten. Es gibt auch die Zeiten, wo wir uns aneinander reiben, weil jeder seinen anderen Charakter hat. Wichtig auf Hooge ist auch, dass man mit sich selber zurechtkommt und auch mal alleine sein kann."

"Dort hat sich einer eingebuddelt, der buddelt sich da gerade durch … In Bäckereien, ganz viel genau. Mache wir lieber zu, Merle, magst Du ihn mal auf den Wissenschaftstisch stellen?"

Merle weiß, wie es ist, auch mal alleine zu sein. Die 13-Jährige greift behutsam nach dem Behälter mit den Mehlwürmern und stellt ihn zu den anderen Insekten, um die sich die fünf Halligschüler gemeinsam kümmern. Im Moment hat Merle allerdings Einzelunterricht bei ihrem Lehrer Uwe Jessel. Es ist schon nach 12 Uhr, die Grundschüler sind schon zu Hause. Merle zeigt auf die Pulte, die mitten im großen Klassenzimmer in Hufeisenform zusammengerückt sind:

"Wir sitzen hier alle zusammen mit fünf Schülern und da vorne, der zweite Tisch, das ist mein Platz. Viertel vor acht treffen wir uns alle in unserem Sitzkreis, der ist da vorne, da wo die Stühle stehen. Dann erzählt Herr Jessel, was wir den Tag über so machen und dann singen wir auch ein Lied. Jeder bekommt einen Tagesplan, ich mach meinen selber …"

Auf Merles Tagesplan standen heute Mathe, Deutsch und Französisch – ein Fach, das, wie Englisch, am Computer unterrichtet wird. Per E-Learning, gemeinsam mit den Schülern der anderen Halligen. Vom großen Klassenraum zweigt ein weiterer Raum ab. Schnell wird deutlich, dass die Halligschule früher einmal viel mehr als vier feste und eine Gastschülerin hatte.

"Hier ist unser kleiner Klassenraum, das war früher für die Grundschüler. Und drüben der große war für die Hauptschüler. Jetzt sind wir alle in einem Raum, sonst wär ich ja alleine …"

Alleine ist Merle oft in den Pausen, wenn die Kleinen oben in der Turnhalle toben. Oder nach der Schule, wenn sie eine große Runde mit dem Hund geht oder mit dem Fahrrad unterwegs ist.

"Also, ich wünsch mir jetzt nicht auf dem Festland zur Schule zu gehen, aber ich wünsche mir, dass hier auf der Hallig vielleicht welche wären, die in meinem Alter wären. Ich bin im Moment so auf der Hallig das älteste Kind."

Aufs Festland wird Merle dann nach der 9. Klasse gehen müssen, zur weiterführenden Schule. Anders geht es nicht. Ihre Mutter wird mit ihr ziehen, der Vater wird auf Hooge bleiben – und dorthin will die 13-Jährige auch auf jeden Fall wieder zurückkehren – erst am Wochenende und in den Ferien, nach der Schule dann ganz, um das familieneigene Restaurant zu übernehmen.

"Ich bin ja hier auch aufgewachsen, mit den ganze Leuten. Dass wir uns alle kennen ist gut, auch wenn’s nicht immer gut ist. Es ist halt schon schön, dass man zu jedem gehen kann."

Dass Merle nach ihrem Schulabschluss nach Hooge zurückkehren möchte, ist eher die Ausnahme. Viele verlassen die Hallig nach der Schule erst einmal für eine Weile, manche für immer.

"Ich nehm schon mal den Kaffee …"

Für seine kleine Gemeinde ist das eine der größten Herausforderungen, sagt Bürgermeister Matthias Piepgras und greift nach seiner Pfeife. Er kann es keinem verdenken, erst einmal etwas von der Welt sehen zu wollen. Der 57-Jährige stört sich eher an der Einstellung mancher alteingesessenen Hooger.

"Wir haben 50 Häuser hier und nur noch vier Kinder und alle reden sie davon, dass man die Kinder wieder zurückholen will. Abschied nehmen muss man von der Idee, dass der eigene Grundbesitz nachher nicht mehr von den Kindern bewohnt wird, und das schmerzt. Da sind Fehler gemacht worden, dass man nicht rechtzeitig für die Jugend hier gesorgt hat."

Auch heute haben junge Menschen auf Hooge eine relativ begrenzte berufliche Perspektive – es sei denn, sie arbeiten im Tourismus oder in der Gemeindeverwaltung. Hier gibt es sogar mehr zu tun, als die wenigen Angestellten leisten können. Doch Hooge ist die am höchsten verschuldete Gemeinde in Schleswig-Holstein, das Geld reicht nicht für mehr Angestellte. Und so haben die Hooger auch hier aus der Not eine Tugend gemacht, mit "Hand gegen Koje". Wer freiwillig hilft, darf 14 Tage umsonst auf der Hallig leben…Inzwischen kommen Menschen aus ganz Deutschland in den hohen Norden., um das Halligleben kennenzulernen.

"Das ist nichts für jedermann. Es ist schwieriger hier zu leben. Wenn ich das Gästen erklären soll, sag ich immer, das Klima eine Sache, der Verzicht eine andere Sache. Die Menschen sind manchmal so rau wie das Klima, das ist nicht immer einfach. Das ist sehr eng, man begegnet sich immer und man muss das auch ertragen können, dass man mal nicht gegrüßt wird, und dass einige auch ärgerlich sind und es Streit gibt und dann muss man das auch mal so stehen lassen können."

Und doch hofft Bürgermeister Matthias Piepgras, dass der ein oder andere auf Hooge bleibt. Für länger oder für immer.

"Und, wie sieht’s aus?" "Besser als vor’m Wochenende, aber wenn dann nur minimal …"

So wie Frank Timrott. Er und seine Frau haben Hooge als Touristen kennengelernt. Als dann die Stelle als Krankenpfleger frei wurde, sind die beiden auf die Hallig gezogen. Eine echte Probe, wie sich herausstellte:

"Als Gesellschaft ist es kompliziert, weil man sich eben hier so wenig aus dem Weg gehen kann, es hat ja niemand wirklich Privatheit hier, weil die Leute wissen ja nicht nur, wann man aufsteht und wann man frühstückt, sondern meistens auch was. Es ist halt so unglaublich dicht."

Das dichte Beieinanderwohnen ist das eine – die Abgeschiedenheit vom Rest der Welt das andere. Die bekommt Frank Timrott besonders deutlich zu spüren:

"Ich bin zwar formal Krankenpfleger, aber ich bin das Einmann-Gesundheitswesen hier. Ich bin die ambulante Krankenpflege für die Älteren hier, ich bin eine Kleinambulanz und ich bin auch der Rettungsdienst, weil außer mir ist niemand da."

Es passiert natürlich nicht immer etwas, sagt er, aber es könnte. Morgens um fünf, nachts um eins, abends um zehn. Die nächste Ärztin ist auf Amrum, im Notfall muss der Hubschrauber kommen. Und das kann dauern. Ist es Tag? Ist es Nacht? Wie ist das Wetter? Dadurch ist Frank Timrott ständig im Einsatz – auch wenn er dafür nicht bezahlt wird.

"Dass es so werden würde, wie es ist, hätte ich auch nicht gedacht, muss ich ehrlich sagen."

Er brauche dringend Verstärkung, sagt der Krankenpfleger. Und natürlich stelle sich da die Frage, inwieweit sich der Staat die Provinz noch leisten wolle. Doch selbst Frank Timrott findet: Das Leben hier ist etwas Besonderes. Speziell natürlich. Aber eben nicht nur:

"Es ist eine einzigartige Lebensform, die es hier gibt, die gibt es sonst nirgends. Und es gibt außer den Halligen in Deutschland nichts, was es nicht woanders auch gibt."