"Nordische Nächte" von Tania Blixen

Literarische Reise einer dänischen Lady

Die dänische Schriftstellerin Karen Blixen
Die dänische Schriftstellerin Karen Blixen in den 50er-Jahren. In Deutschland ist sie unter dem Pseudonym Tania Blixen bekannt. © picture alliance/dpa/Foto: Polfoto
Von Carsten Hueck · 29.12.2016
In dem Erzählband "Nordische Nächte" nimmt Tania Blixen den Leser mit in die Welt der dänischen Aristokratie oder ins Amsterdam des 18. Jahrhunderts. Sprachlich lässt sie die Atmosphäre früherer Zeiten prachtvoll leuchten.
"Nordische Nächte" – die Erzählungen der dänischen Autorin Tania Blixen handeln von dem, was der Titel suggeriert: von winterlichen Festen bei Schnee und Eis, nordischer Landschaft und Lebensart, von auftauenden Herzen und der Dunkelheit des Lebens. Vor allem aber machen sie auf eindrückliche Weise klar, dass Blixen, die hierzulande immer noch vor allem als Verfasserin des autobiografischen Romans "Jenseits von Afrika" wahrgenommen wird, zu Recht die "Sheherazade des Nordens" genannt wird.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die wohlbehütete Tochter bürgerlicher Eltern zu publizieren begonnen, Anfang der 1930er-Jahre erwarb sie mit ihren fantastischen Geschichten "Seven Gothic Tales" literarischen Ruhm. Blixen schrieb auf Dänisch, zumeist aber auf Englisch. Und das so gut, dass Hemingway und Capote sie wegen ihres raffinierten Sprachgebrauchs bewunderten.

Die Welt der dänischen Aristokratie

Die sieben Erzählungen dieses Bandes sind aus beiden Sprachen übersetzt. Sie geben einen wunderbaren Eindruck von Blixens Erzähl-und Denkweise. Die älteste Geschichte entstand 1905, die jüngste, "Saison in Kopenhagen", 1957. In dieser führt die Autorin zurück ins Jahr 1870, in die Welt der dänischen Aristokratie, geprägt von selbstbewusster Vitalität, Weltläufigkeit, verfeinerter Lebens- und Liebesart, glanzvollen Empfängen und Billets doux. Impressionistisch und als allwissende Erzählerin schildert Blixen, wie ein junges Mädchen, das bislang das Leben als Komödie betrachten durfte, während der Wintersaison in Kopenhagen leidvoll erfährt, dass es schnell zur Tragödie werden kann. Die Autorin lässt die Atmosphäre der damaligen Zeit prachtvoll leuchten, doch ihre Nostalgie ist frei von Sentimentalität, ihr Blick auf die Figuren verhalten ironisch. Sie feiert heiter melancholisch deren Tugend- und Ehrbegriffe, die bei Entstehen der Erzählung bereits unumgänglich "Geschichte" waren.

Das schwarze Schaf der Familie

Um Tugendhaftigkeit geht es auch in "Die Familie de Cats". Blixen porträtiert kraftvoll mit wenigen Strichen eine geachtete und rechtschaffene Familie im Amsterdam des 18. Jahrhunderts. Als das schwarze Schaf der Familie eines Tages geläutert in die Stadt zurückkehrt, löst das eine Art Panik aus. Anstatt den verlorenen Sohn willkommen zu heißen, macht man sich Gedanken, wie man die eigene Tugendhaftigkeit bewahren kann, wenn es das Laster nicht mehr gibt. Entsprechend wird alles unternommen, um den reuigen Sünder wieder auf die schiefe Bahn zu bringen.
Die Erzählungen dieser kleinen Taschenbuchausgabe sind allesamt Leseverführungen. Blixen lässt sie in Dänemark ebenso spielen wie in Paris oder Indien. Sie erinnern atmosphärisch an Söderberg, Maupassant oder Keyserling und sind doch ganz eigen. Jeder merkt man die Lebensklugheit und Weltläufigkeit der Autorin an. Ihr Wissen um die Winkelzüge der Liebe, ihr Klassen überschreitendes Bewusstsein für Würde und Begrenztheit der menschlichen Spezies. Blixen kann genauso gut realistisch wie symbolhaft erzählen. Und ihre Handlung im entscheidenden Moment wenden, beispielhaft in "Karneval" und "Babettes Fest", einer der schönsten Erzählungen des 20. Jahrhunderts, die auch in diesem Band nicht fehlt.

Tania Blixen: "Nordische Nächte. Die schönsten Erzählungen"
Herausgegeben von Horst Maria Lauinger
Aus dem Dänischen und dem Englischen übersetzt von Ursula Gunsilius
Wolfheinrich von der Mülbe, Jürgen Schweier und W.E.Süskind
Penguin Verlag
319 Seiten, 10,00 Euro

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