Noch immer ein Tabu

Häusliche Gewalt in der Türkei

Eine Demonstration gegen Gewalt an Frauen in Ankara.
Eine Demonstration gegen Gewalt an Frauen in Ankara © Nicole Graaf
Von Nicole Graaf · 02.07.2015
Der Mord an einer Studentin in der türkischen Stadt Mersin im Februar trieb türkische Bürger auf die Straßen: Sie demonstrieren fast jeden Samstag in Ankara gegen Gewalt und für Gleichberechtigung. Häusliche Gewalt ist in der Türkei verbreitet, doch die Frauen beginnen sich zu wehren.
Selma Karabulut greift nach einem Plastikbehälter mit Hackfleisch. Sie bereitet Köfte für das Abendmenü im Koza-Suite-Hotel vor. Es liegt in einem ruhigen Wohnviertel von Ankara auf einem Hügel über der Stadt. Die 38-Jährige trägt die Uniform einer Köchin, mit einer schwarzen Mütze und einer schwarz-weiß karierten Schürze mit weißem T-Shirt darunter. Die dreifache Mutter ist eine leise, fast schüchterne Frau. Ihre Vergangenheit hat Spuren hinterlassen. Sie war 21 Jahre lang mit einem Mann verheiratet, der sie schlug und beschimpfte. Selma Karabulut ist nicht ihr wirklicher Name.
Selma Karabulut: "Während der ersten zwei Jahre waren wir glücklich. Doch dann wurde er gewalttätig: verbal, und körperlich. Einmal hat er versucht, mich mit einem Messer anzugreifen, er hat auf den Hals gezielt."
Häusliche Gewalt ist in der Türkei weit verbreitet. Im vergangenen Jahr wurden hier über 250 Frauen getötet, die meisten von ihrem Ehemann. Im Jahr zuvor waren es etwas mehr als 200 Fälle gewesen.
Canan Güllü von der Federation türkischer Frauenorganisationen, einem Dachverband, kümmert sich um Frauen wie Selma Karabulut. Sie ist gekommen, um nach ihr zu sehen. Die beiden sitzen im Hotelrestaurant, einem mit dunklem Holz getäfelten Raum mit Blick über Ankara, bei Tee und türkischem Gebäck und sprechen über Karabuluts laufendes Scheidungsverfahren.
Selma Karabulut wurde von ihrem Ehemann verprügelt und hatte sich hilfesuchend an die Federation türkischer Frauenorganisationen gewendet. 
Selma Karabulut arbeitet in der Küche des Koza-Suite-Hotel - sie bereitet Köfte vor. © Deutschlandradio / Nicole Graaf
Gewaltproblem im Rollenverständnis verankert
Canan Güllü, eine mütterlich wirkende 47-jährige mit kurzen, grau-durchzogenen Haaren, beschäftigt sich seit 26 Jahren mit dem Thema Frauenrechte. Ihre Organisation und andere Frauenverbände kümmern sich um Betroffene. Sie haben eine Notfallrufnummer eingerichtet, bei der Frauen anonym Hilfe bekommen können. Sie verschaffen ihnen Rechtsbeistand und in besonders dringenden Fällen versuchen sie, die Frauen in einem Frauenhaus unterzubringen. Davon exisitieren allerdings bisher weniger als 100 im ganzen Land. Canan Güllü sieht das Gewaltproblem im Rollenverständnis verankert.
Canan Güllü: "Unsere Gesellschaft begünstigt Gewalt gegen Frauen. Es liegt an den traditionellen Geschlechterrollen: Männer tun dies, und Frauen das. Und in einem traditionellen Umfeld heiraten die jungen Leute immer noch früh. Später ändern sie dann ihre Ansichten und kommen nicht mehr miteinander zurecht."
Canan Güllü sieht aber auch die türkische Regierung in der Verantwortung für die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen. Sie hatte häufig mit der zuständigen Ministerin zu tun, der damals einzigen Frau im Kabinett. Sie habe wenig Verständnis für das Thema gezeigt, sie eher als Nervensäge gesehen, sagt sie. Sogar einige Frauenhäuser wurden geschlossen, angeblich, weil die Mieten zu hoch waren.
Canan Güllü: "Sie konzentriert ihre Politik auf die Religion und die Rolle von Frauen. Sie beurteilt die Frauen nach religiösen Gesichtspunkten. Sie sollen keinen Lippenstift tragen, nicht laut lachen und sich nicht in der Öffentlichkeit bewegen, wenn sie schwanger sind. Frauen waren bei uns dem Gesetz nach immer gleichberechtigt, aber jetzt versucht sie uns diese Rechte zu nehmen."
Ganz stimmt das nicht. Die von der islamisch-konservativen AKP geführte Regierung hat in den vergangenen Jahren einige Gesetze geändert, um Frauen besser zu schützen und Straftäter besser verfolgbar zu machen. Doch die Gesetze werden in der Praxis zu wenig umgesetzt, dazu fehlt das Bewusstsein in von Männern dominierten Behörden und Polizeistationen. Die erzkonservative Regierungspolitik trug sicherlich wenig dazu bei, dies zu verändern. Besonders wichtig sei deshalb die gesellschaftliche Aufklärung, sagt Canan Güllü, und dabei müsse man die Männer mitnehmen.
Canan Güllü: "Wir versuchen ihnen andere Wege aufzuzeigen und ihre Vorbilder zu ändern. Demnächst beginnen wir ein Training für Journalisten und Prominente. Denn sie können die vorherrschende Denkweise in der Gesellschaft beeinflussen."
"Ohne Grund fing er an, mich zu schlagen"
Die Frauenorganisationen kümmern sich auch um allgemeine Bildungsprogramme für Frauen. Von Gewalt Betroffene stammen meist aus niedrigen sozialen Schichten und verfügen nur über geringe Schulbildung, sagt Canan Güllü. Dadurch geraten sie in starke Abhängigkeit von ihrem Ehemann und können sich nur schwer aus ihrer Lage befreien.
Selma Karabulut hat zwar auch bereits mit 17 Jahren geheiratet und nur die fünfte Klasse abgeschlossen. Aber bei ihr lagen die Probleme etwas anders. Sie begannen, als ihr Mann plötzlich keine Lust mehr hatte, zu arbeiten und sie sich darüber beklagte. Er war Hilfsarbeiter auf dem Bau. Wie die meisten seiner Kollegen arbeitete er projektweise, ohne festen Vertrag.
Selma Karabulut: "Ich sagte: entweder du arbeitest, oder ich werde dich verlassen. Er versprach, sich einen Job zu suchen, tat aber nichts. Also fing ich an zu arbeiten. Aber er ließ mich nicht in Ruhe, er versuchte mich abzulenken, weckte mich mitten in der Nacht auf, damit ich keinen Schlaf bekam. Er beschimpfte mich, es wurde schlimmer und schlimmer. Eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause und ohne irgendeinen Grund fing er an, mich zu schlagen."
Sie suchte zunächst Hilfe bei ihrer Familie, aber die riet ihr, bei ihrem Mann zu bleiben. Eine typische Reaktion.
Selma Karabulut: "Sie sagten mir, er ist doch dein Mann, du kriegst das schon hin. Denk an deine Kinder. Bald hielt ich es kaum noch aus und sagte meiner Familie das. Aber sie tat immer noch so, als wäre es nur eine Phase und würde vorbeigehen."
Traditionell denkende Familien versuchen oft mit allen Mitteln eine Scheidung zu verhindern. In ihren Augen tragen geschiedene Frauen einen Makel, es wird über sie getratscht, nach dem Motto: sie hat es nicht geschafft ihre Familie zusammenzuhalten. Das Ansehen der Familie zählt mehr als das Schicksal des Einzelnen.
Selma Karabulut: "Meine Mutter wusste, wie schlimm es für mich war, aber sie hatte mehr Angst, davor, was die Leute sagen würden. Als ich schließlich doch die Scheidung einreichte, rief sie mich ständig an und sagte Dinge wie: du wirst zurückgehen in diese Hölle, selbst wenn du dort stirbst. Erst dein Leichnam wird dieses Haus verlassen."
Mit Hilfe von Canan Güllü's Organisation hat Selma Karabulut es schließlich geschafft, ihre Scheidung einzureichen. Es war das erste Mal, dass sie Hilfe erfuhr.
Selma Karabulut: "Die Organisation stellte mir kostenlos einen Anwalt und ich bekam Polizeischutz. Sie half mir auch, meine behördlichen Daten zu schützen, sie waren für meinen Mann einsehbar, denn wir sind ja noch verheiratet. In dieser Zeit fühlte ich mich zum ersten Mal nicht mehr allein, ich fühlte mich plötzlich viel stärker."
"Wir haben schließlich auch Mütter, Schwestern und Freundinnen"
Auch ihr Arbeitsumfeld half ihr, sich aus ihrer Beziehung zu befreien. Das Hotel, in dem sie jetzt arbeitet, nimmt immer wieder Frauen auf, die häusliche Gewalt erlebt haben. Der Manager Mehmet Tolga Akdogan ist 28 Jahre alt, trägt Anzug, kurz geschnittene hellbraune Haaren und hat ein jungenhaftes Gesicht. Er hatte Canan Güllü vor zwei Jahren bei einer Konferenz kennengelernt, die die Organisation in seinem Hotel veranstaltete. Seitdem ist er für das Thema "Gewalt gegen Frauen" sensibilisiert. Anders als viele Arbeitgeber hat er keine Bedenken betroffene Frauen einzustellen, auch wenn es manchmal Probleme mit den Ehemännern gibt. Er weiß inzwischen mit ihnen umzugehen.
Tolga Akdogan: "Einmal kam Selmas Mann hierher, wir haben ihn in den dritten Stock ins Restaurant gebracht und ihm weisgemacht, dass seine Frau nicht mehr hier arbeitet. Ich habe ihn gefragt: was würden Sie tun, wenn der Mann ihrer Schwester Hand an sie legte? Und er sagte: Meine Schwester tut ja nichts, um ihren Mann zu verärgern. Und ich sagte: Was hat Selma denn getan, wo ist das Problem? Darauf wusste er keine Antwort. Wir werden die Frauen unterstützen, koste es was es wolle. Wir haben schließlich auch Mütter, Schwestern und Freundinnen."
In den modernen, gebildeten Schichten der Türkei hat sich zunehmend ein Bewusstsein für Frauenrechte durchgesetzt. Vor allem unter den Oppositionellen sind sie ein großes Thema, denn daran zeigt sich die Spaltung der türkischen Gesellschaft in konservative und moderne Kräfte besonders deutlich. Die AKP propagiert als weibliches Idealbild eine fromme, keusche Frau, die früh heiratet, viele Kinder bekommt und ihre gesellschaftliche Rolle als Hausfrau und Mutter ausfüllt. Diese Sichtweise bringt jene, die im Geist einer säkularen Republik groß geworden sind, zur Weißglut. Im Vorfeld der jüngsten türkischen Parlamentswahl waren daher auch Frauenrechte immer wieder Thema von politischen Kundgebungen.
Wie fast jeden Samstag protestieren linke Gruppen in Ankara gegen die Regierung, unter ihnen auch etwa 70 bis 80 Mitglieder der Frauenorganisation "Halkevleri Kadınlar", übersetzt etwa "Frauen der Volkshäuser", einem türkeiweiten Dachverband von linken Frauenorganisationen. Sie halten Schilder in den Händen mit Slogans wie: "Wir sind gleichberechtigt!", "Ende der Gewalt!", "Frau, Leben, Freiheit".
Auch Dilşt Akdaş nimmt regelmäßig an den Demonstrationen der "Halkevleri Kadınlar" teil. Sie ist die Vorsitzende der Organisation in Ankara. Sie trägt Jeans und Outdoorschuhe, ihre braunen Haare sind lang und ungebändigt. Akdaş hat selbst Gewalt erlebt. Bereits während ihres Studiums hatte sie sich in einer linken Studentengruppe engagiert. Ihr Vater war strikt dagegen. Weil sie nicht gehorchte, schlug er sie und sperrte sie im Haus ein.
Fast jeden Samstag protestieren linke Gruppen in Ankara gegen die Regierung, unter ihnen auch etwa 70 bis 80 Mitglieder der Frauenorganisation "Halkevleri Kadınlar", übersetzt etwa "Frauen der Volkshäuser". Sie halten Schilder in den Händen mit Slogans wie: "Wir sind gleichberechtigt!", "Ende der Gewalt!", "Frau, Leben, Freiheit".
Mitglieder der Frauenorganisation "Halkevleri Kadınlar" demonstrieren in Ankara mit Slogans wie "Wir sind gleichberechtigt!" und "Ende der Gewalt!"© Deutschlandradio / Nicole Graaf
Dilşt Akdaş: "Er schlug mir ins Gesicht und knallte meinen Kopf gegen die Tür. Ich wehrte mich und schrie, was er denn da mache. Er sagte, du sagst gefälligst nicht "du" zu mir sondern "Vater". Es ging ihm nur um sein eigenes Problem, darum, seine Autorität im Haus auf-rechtzuerhalten."
Zuvor war er immer wieder gewalttätig gegen ihre Mutter geworden, nachdem sie heraus-gefunden hatte, dass er außereheliche Affären hatte. Statt die Schuld bei sich zu suchen, richtete sich seine Agression gegen seine Frau. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen hat Dilsat Akdaş ihre eigene Erklärung dafür, warum Männer gewalttätig werden.
Dilşt Akdaş: "Wenn sie ihre Autorität einbüßen und sich gegenüber einer Frau schwächer fühlen. Indem sie zuschlagen, fühlen sie sich wieder stark. Es gibt diese Probleme schon lange, aber die Leute haben immer versucht, sie unter den Teppich zu kehren. Aber jetzt wird mehr darüber gesprochen. Nach dem Mord an Özgecan hat das ganze eine neue Dimension bekommen."
Mord an einer Studentin hatte Aufschrei ausgelöst
Der Mord an der Studentin Özgecan Aslan im vergangen Februar hatte im ganzen Land einen Aufschrei ausgelöst. Die 20-jährige aus der südosttürkischen Stadt Mersin war von einem Busfahrer attackiert worden. Als sie sich gegen eine Vergewaltigung werte, erschlug er sie. Tagelang berichteten Zeitungen, gingen Frauen und auch Männer auf die Straße. Fotos von Männern, die aus Protest für Frauenrechte Miniröcke trugen, gingen um die Welt. Frauenrechtlerinnnen starteten eine Internetkampagne, um das Thema Gewalt gegen Frauen zu enttabuisieren. Unter dem Hashtag "#sendeanlat" – "Erzähl auch du" – animierten sie Frauen dazu, von ihren eigenen Gewalterfahrungen zu berichten. Tausende folgten dem Aufruf auf Twitter und Facebook. Doch bisher beschränkt sich der Bewusstseinswandel fast nur auf ohnehin progressiv denkende moderne Kreise in den Großstädten.
In kleineren Orten sind Betroffene weitestgehend auf sich allein gestellt, so wie Ummuhan Şen. Die 40-Jährige lebt in Tavşanlı einer fünfundsechszigtausend Einwohnerstadt etwa sechs Busstunden von Ankara entfernt Richtung Landesinneres. Hier kennt fast jeder jeden, und Ummuhan Şen hat mit ihrer Geschichte traurige Berühmtheit erlangt.
Ummuhan Şen: "Ich war 15 Tage im Krankenhaus, aber jetzt bin ich wieder gesund. Ich kann arbeiten und habe zwei wundervolle Kinder. Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, bin ich als erstes zum Friseur gegangen."
Beinahe wäre sie als weiteres Todesopfer in die Statististik eingegangen. Ihre Ehe endete damit, dass ihr Mann viermal mit einer Pistole auf sie schoss. Nur mit sehr viel Glück überlebte sie.
Ummuhan Şen: "Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass mein Mann etwas verheimlicht, aber ich habe es erst verdrängt. Eine Freundin von mir arbeitete im Einwohnermeldeamt. Eines Tages schaute sie in seine Akte und sah, dass er acht Kinder mit vier verschiedenen Frauen hatte, eines stammte aus einer Affäre mit einer damals erst 16-jährigen. Ich war schockiert und dachte an meine eigene Tochter, die ja nicht viel älter ist. Ich wollte mich dann scheiden lassen, aber er hat gedroht mich umzubringen und mich geschlagen. Und er hat gesagt: es ist erst vorbei, wenn ich sage, dass es vorbei ist."
Ihre Ehe verwandelte sich in eine Hölle, immer wieder drohte er, sie zu töten, wenn sie ihn verließe. Er schlug sie auf brutalste Weise, brach ihr die Nase, schlug ihr das Auge blau.
Ummuhan Şen: "Die kleinste Sache machte ihn aggressiv, wie wenn mein Hut im Wind von meinem Kopf flog. Er rannte im Streit mit einem Messer hinter mir her. Einmal goss er Benzin auf mich, und drohte mich anzuzünden. Er würgte mich mit meiner Kette. Ich musste ein Halstuch tragen, um den Abdruck zu verdecken. Und ich musste mich betrinken, um es zu ertragen, Sex mit ihm zu haben. Während dieser Zeit dachte ich an Selbstmord."
Mehrmals ging sie zur Polizei, aber auch die unternahm nichts.
Ummuhan Şen: "Sie gaben mir das Gefühl, dass ich Schuld bin. Ich habe mich geschämt. Mein Vater kam schließlich mit mir zur Polizei und wir sagten ihnen, dass mein Mann mich töten wird. Sie antworteten nur, dass sie erst etwas tun können, wenn er mich tatsächlich umgebracht hat."
Der Ehemann von Ummuhan Şen hat mit einer Pistole auf sie geschossen und sitzt im Gefängnis.
Der Ehemann von Ummuhan Şen hat mit einer Pistole auf sie geschossen - und sitzt nun im Gefängnis. © Deutschlandradio / Nicole Graaf
Vier Kugeln trafen Ummuhan Şen
Die Gewalt in Ummuhan Şens Ehe eskalierte am 23. Oktober 2014. Am Tag zuvor hatte ihr Mann sie bereits mit einer Waffe bedroht. Sie hatte die Nacht aus Angst in der Polizeistation verbracht, am morgen ging sie nach Hause und dann zur Arbeit.
Ummuhan Şen: "Er kam in meine Reinigung, ich sagte ihm, es ist vorbei, wir werden nicht mehr zusammensein. Es funktioniert nicht. Er sagte, es ist erst vorbei, wenn ich sage, dass es vorbei ist. Dann schoss er auf mich."
Dass Ummuhan überlebte grenzt an ein Wunder. Vier Kugeln trafen sie, eine steckt immer noch in ihrem Rücken, zu nah am Rückenmark um sie herauszuoperieren. Er wurde zu 12 Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Doch selbst jetzt lässt er sie nicht in Ruhe. Jede Woche bekommt sie Briefe von ihm. Mal droht er, mal säuselt er von ewiger Liebe. Sie holt den letzten Brief hervor, darin steht: "Mach dir keine Sorgen, meine Rose, die Zeit vergeht so schnell, wir werden bald wieder zusammensein." Ummuhan lacht und schüttelt verständnislos den Kopf.
Ummuhan Şen: "Vor Gericht hat er ausgesagt, dass er nicht auf mich geschossen hat, um mich zu töten, sondern um mich so zu verletzten, dass ich auf ihn angewiesen wäre."
12 Jahre Gefängnis sind eine lange Zeit. Aber was, wenn ihr Mann aus dem Gefängnis kommt und sich nicht geändert hat? Wenn er ihr dann immer noch nachstellt und sie bedroht? Ihre einzige Möglichkeit wäre, fortzugehen in eine andere Stadt, eine Großstadt, wo er sie nicht findet. Aber was ist mit ihrer Familie? Ihre Eltern und Geschwister wohnen alle in Tavşanlı, ihr Geschäft, ihre Lebensgrundlage, alles ist dort. Ummuhan Şen verdrängt den Gedanken, sie versucht im Hier und Jetzt zu leben, glücklich zu sein und das Leben zu genießen.
Ummuhan Şen: "Es ist zwar schwer eine Frau zu sein, aber ich bin gerne eine Frau."
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