Nirumand warnt vor Eskalation im Iran-Konflikt

Moderation: Hans-Joachim Wiese · 16.11.2007
Der Autor und Iran-Experte Bahman Nirumand hält die gegenseitigen Provokationen zwischen den USA und dem Iran für äußerst gefährlich. Eine militärische Auseinandersetzung würde einen Flächenbrand in der gesamten Region auslösen und zu einer Gefahr für den Weltfrieden werden, sagte Nirumand.
Hans-Joachim Wiese: Wirft man einen Blick in die arabische, aber auch israelische Presse, könnte man erschaudern. Unverholen wird dort über einen Angriff der USA auf den Iran spekuliert, mehr noch. Für viele Kommentatoren lautet die Frage nicht, ob es zu solch einem Angriff kommen wird, sondern nur noch wann. Im Studio begrüße ich den Schriftsteller und Iran-Experten Bahman Nirumand. Guten Morgen!

Bahman Nirumand: Guten Morgen!

Wiese: Rechnet man im Iran selbst auch mit einem bevorstehenden Krieg?

Nirumand: Ja, natürlich. Man hört ja die Rundfunkprogramme, die auf den Iran gerichtet sind, Fernsehprogramme, auch vom Ausland aus. Und man ist gut informiert, weiß, wie die Situation aussieht, sowohl die Drohungen, die aus den USA immer verstärkt ausgesprochen werden, als auch aus Israel.

Wiese: Die Forderung des Westens, besonders der USA, lautet ja, das iranische Atomprogramm müsse eingestellt werden, ansonsten drohe eben Ungemach. Wie steht die iranische Bevölkerung zu dieser Forderung?

Nirumand: Die Regierung Ahmadinedschad hat versucht, über längere Zeit den Atomkonflikt zu einer nationalen Angelegenheit zu machen, als nationale Ehre, das ist das Recht Irans, die Atomenergie auch zu nutzen. Und es ist ihm auch gelungen, dass größere Teile der Bevölkerung hinter dieser Forderung stehen. Aber inzwischen sind ganz andere Probleme im Iran akut, nämlich die wirtschaftlichen Probleme, die politischen Probleme. Iran wird zunehmend isoliert, und das schafft immer mehr Unzufriedenheit in der Bevölkerung.

Wiese: Gerade gestern hat der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde El Baradei seinen neuen Iranbericht veröffentlicht. Er galt als die letzte Chance der Iraner, schärfere Sanktionen abzuwenden. Diese schärferen Sanktionen hatte ja auch kürzlich erst Bundeskanzlerin Merkel in Aussicht gestellt. Wie wird denn so etwas aufgenommen, und kann dieser Bericht El Baradeis überhaupt irgendetwas bewirken?

Nirumand: Also ich glaube nicht, dass dieser Bericht die westlichen Staaten, vor allem die USA, aber auch Frankreich und Großbritannien, zufriedenstellen kann. In diesem Bericht wird gesagt, dass Iran wohl jetzt mehr kooperiert. Iran hat auch ein Dokument, ein altes Dokument, vorgelegt, woraus hervorgeht, wie man eine Atombombe baut. Aber das reicht den Amerikanern und auch jetzt den Franzosen, die sich jetzt sehr der amerikanischen Linie angeschlossen haben, nicht. Und insofern glaube ich nicht, dass sie sich damit zufrieden geben werden. Sie haben ja schon angekündigt, das heißt Großbritannien, Frankreich, USA, sie würden härtere Sanktionen jetzt planen, und falls der Bericht von El Baradei nicht ganz zufriedenstellend ist, das heißt, über alle Fragen Auskunft gibt, werden sie mit der Verschärfung der Sanktionen beginnen. Und ich glaube nicht, dass es in puncto Iran allein über den Atomkonflikt geht. Die amerikanische Außenministerin Rice hat Iran als die größte Gefahr unserer Zeit bezeichnet, und damit meinte sie nicht nur die Rolle Irans als Atommacht, sondern die Rolle Irans in Afghanistan, im Irak, in der ganzen Region. Und insofern glaube ich, dass die Feindschaft oder die Sorge, die die Amerikaner umtreibt, viel größer ist als allein der Atomkonflikt.

Wiese: Herr Nimurand, gehen Sie denn aus Ihrer Kenntnis der iranischen Verhältnisse davon aus, dass die iranische Führung in der Tat die Atomwaffe anstrebt?

Nirumand: Es gibt sicherlich Fraktionen innerhalb der iranischen Führung, die ein solches Ziel verfolgen und begründen das auch damit, dass Iran eine bestimmte Sicherheit braucht. Iran ist vollständig umzingelt von amerikanischen Stützpunkten und der amerikanischen Besatzungsmacht im Irak, in Afghanistan, am Golf. Und insofern argumentieren diese Kräfte, dass man, wenn man die Bombe hätte, unangreifbarer werden würde. Aber es gibt auch viele, die vor solchen Plänen warnen. Es gibt im Iran große Konflikte innerhalb der Führung, das kommt jetzt immer mehr zum Ausdruck. Den Radikalen gegenüber stehen die Reformer, die natürlich verhandeln wollen, die Kompromisse eingehen wollen. Aber zurzeit gibt Ahmadinedschad, geben die Radikalislamisten den Ton an, und das scheint mir gefährlich. Denn auf der einen Seite provoziert dieses Regime, um die Gefahren immer mehr zu erhöhen, damit das Volk bei der Stange bleibt, und auf der anderen Seite provozieren die Amerikaner, um ihre eigenen Pläne, nämlich die Kontrolle der gesamten Region, durchzusetzen. Und diese gegenseitige Eskalation birgt die Gefahr in sich, dass es doch noch zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt. Und das würde einen Flächenbrand in der gesamten Region auslösen und wahrscheinlich weit über die Region hinaus und den Weltfrieden in große Gefahr bringen.

Wiese: Sie hatten jetzt grade schon über die durchaus nicht homogenen Verhältnisse in der iranischen politischen Klasse gesprochen. Gebe es denn Kräfte, auf die US-Präsident Bush, wenn er von Regimewechsel im Iran spricht, bauen könnte?

Nirumand: Ich glaube, dass es viele Kräfte gibt, die einen nationalen, aber liberalen Weg versuchen wollen. Sie sind nicht unbedingt die Verbündeten der USA, aber sie sind in der iranischen Tradition, also sozusagen in der Nachfolge von Mossadeq, eines demokratischen Ministerpräsidenten, den wir in den 50er Jahren hatten, und sie wollen ein liberales, demokratisches, offenes Iran haben. Diese iranischen Kräfte, die von einer breit entwickelten Zivilgesellschaft im Iran unterstützt werden, die haben zurzeit keine Chance, weil sie nicht organisiert sind, weil sie nicht in der Lage sind, dem Regime eine Alternative zu stellen, aber es braucht Zeit. Und ich glaube, der beste Weg wäre, diese Kräfte im Iran nicht finanziell, auch nicht militärisch, sondern zu unterstützen, indem man vom Iran die Einhaltung der Menschenrechte einfordert. Der ganze Druck auf Iran wegen Atom usw., würde man diesen Druck wegen Menschenrechte auf Iran ausüben, dann wäre man schon viel weiter.