Nils Schmid: Mappus muss alle Details zum EnBW-Geschäft offenlegen

Nils Schmid im Gespräch mit Marietta Schwarz · 03.02.2012
Nils Schmid (SPD), Baden-Württembergs Finanz- und Wirtschaftsminister, hat den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) erneut zu einer rückhaltlosen Aufklärung der EnBW-Affäre aufgefordert. Die Vorwürfe gegen die jetzige Landesregierung bezeichnete er als "plumpes Ablenkungsmanöver".
Marietta Schwarz: Ab heute beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags mit dem ENBW-Deal des früheren Ministerpräsidenten Mappus. Das Fünf-Milliarden-Geschäft hatte der CDU-Politiker am Parlament vorbei mit seinem Trauzeugen Dirk Notheis, seinerseits Deutschland-Chef der Investment Bank Morgan Stanley ausgeheckt. Kein Cent sollte es den Steuerzahler kosten, doch inzwischen rechnet man mit einer Milliarde Verlust für das Land. Ein teurer Verfassungsbruch also, mit dem sich ab heute ein Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags beschäftigt. Am Telefon ist Nils Schmid, SPD-Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Guten Morgen!

Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Herr Schmid, dass dieser Deal verfassungswidrig war, hat ein Gericht ja bereits entschieden. Was kann dieser Untersuchungsausschuss denn noch leisten?

Schmid: Er soll die Hintergründe dieses Deals aufklären, schließlich markiert er einen Tiefpunkt in der politischen Kultur des Landes Baden-Württemberg, und es ist höchste Zeit, dieses Beziehungsgeflecht zwischen Mappus auf der einen Seite und Morgan Stanley, Dirk Notheis auf der anderen zu untersuchen, sowie die Rolle auch der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz zu hinterfragen.

Schwarz: Also es geht letztendlich darum, ob Herr Mappus die alleinige Verantwortung trägt oder auch noch andere daran beteiligt waren?

Schmid: Ja, die politische Verantwortung ist klar, die Wählerinnen und Wähler in Baden-Württemberg haben ja ihr Urteil auch schon gefällt - aber fünf Milliarden am Parlament vorbei auszugeben ist schon im negativen Sinne eine Glanzleistung, und die Einzigen, die dabei was verdient haben, sind die Anwaltskanzlei und Morgan Stanley, und deshalb will der Landtag die Hintergründe aufgeklärt wissen.

Schwarz: Wie wird man denn im Nachhinein überprüfen, ob diese fünf Milliarden, die Stefan Mappus für die ENBW-Anteile bezahlt hat, zu teuer waren?

Schmid: Das ist äußerst schwierig, umso wichtiger ist es, Einsicht nehmen zu können in die Dokumente von Morgan Stanley. Morgan Stanley selbst hat ja nur eine äußerst unzureichende sogenannte Fairness Opinion abgeliefert, also nur die öffentlich zugänglichen Daten ausgewertet für die Kaufpreisfindung, und nicht eine umfassende Due Diligence durchgeführt, wo man dann auch intern Unternehmensakten einsehen könnte. Hinzu kommt, dass der Rechnungshof des Landes die Wirtschaftlichkeit dieser Transaktion untersucht. Und da wird dann auch ein unabhängiger Richter, nämlich ein Rechnungshofdirektor, entscheiden, ob das wirtschaftlich angemessen war.

Schwarz: Es gab in den vergangenen Wochen immer wieder Vorwürfe, auch vom Ausschussvorsitzenden CDU-Politiker Müller, Sie würden für die Aufklärung wichtige Akten zu Unrecht als vertraulich einstufen, zum Beispiel die von Ihnen gerade erwähnten Akten der Investment Bank Morgan Stanley. Was ist da dran?

Schmid: Das ist ein plumpes Ablenkungsmanöver. Herr Müller giriert sich da als Parteipolitiker und nicht als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Morgan Stanley hat die Akten nicht freigegeben gehabt und deshalb mussten wir als Regierung auf diese Vertraulichkeit hinweisen. Morgan Stanley hat jetzt Teile der Akten weniger vertraulich gestaltet, aber es bleibt dabei: Die Vertraulichkeit steht und fällt mit den betroffenen Unternehmen, es hängt also alleine vom Morgan Stanley ab, wie weit die Akten vertraulich behandelt werden. Das Gleiche gilt auch für die Rechtsanwaltskanzlei. Und der Schlüssel zur Offenlegung der Akten hat letzten Endes Stefan Mappus, denn er könnte seinen alten Kumpel Dirk Notheis schlicht und ergreifend drum bitten, dass er endlich Transparenz herstellt.

Schwarz: Hat denn Stefan Mappus inzwischen alle Akten vorgelegt, die zur Klärung nötig sind? Da ging es ja offenbar um mehr als nur um eine E-Mail.

Schmid: Ja, die E-Mail, die ist bei Morgan Stanley beziehungsweise Gleiss Lutz verschwunden gewesen und auf wundersame Art und Weise dann nachträglich in den Datenraum eingedrungen. Wir können nur sagen, dass die Landesregierung alle Akten, die im Bestand des Staatsministeriums beziehungsweise des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft sich befinden, dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hat. Ob Herr Mappus darüber hinaus noch Akten hat, das muss er sagen. Wir haben den Ausschuss vollumfänglich informiert.

Schwarz: Nun hat Ihre Regierung für diesen Ausschuss ja einen Bericht erarbeitet, von dem Stefan Mappus behauptet, er sei tendenziös und gezielt manipuliert, lasse Fakten zu seiner Entlastung aus - das ist ja ein harter Vorwurf.

Schmid: Ja, das ist ein typischer Mappus-Vorwurf. Wir haben die Hintergründe aufgearbeitet, haben in dem Regierungsbericht nichts als die Fakten berichtet. Dass eine E-Mail nicht auftauchen kann, die gar nicht im Datenraum ist, ist selbstverständlich. Da ist eher die Frage, warum Morgan Stanley und Gleiss Lutz diese E-Mail nicht zur Verfügung gestellt haben, und Herr Mappus sollte sich öffentlich etwas zurückhalten, denn der böse Bube in dem Spiel war er und nicht die neue Landesregierung.

Schwarz: Welche Antworten erwarten Sie denn von Herrn Mappus, der ja auch vor diesem Untersuchungsausschuss aussagen wird?

Schmid: Ja, ich erwarte, dass er ohne Abstriche deutlich macht, weshalb er diesen Deal zu diesem Zeitpunkt mit diesem Unternehmen und in dieser Form durchgeführt hat, warum das Parlament ausgeschaltet worden ist von ihm, und warum er gemeint hat, das sei ein gutes Geschäft für das Land. Und es geht darum, die Geschäftsbeziehungen zwischen der damaligen Landesregierung, insbesondere Herrn Mappus als dem entscheidenden Akteur und Morgan Stanley aufzuklären, schließlich ist in dem Vertrag mit Morgan Stanley festgehalten, dass bei weiteren Transaktionen - also dem von Mappus anvisierten wiederum Verkauf von EnBW-Anteilen durch das Land in einigen Jahren - Morgan Stanley wieder profitieren sollte. All dies hat doch mehr als ein Gschmäckle und lässt darauf schließen, dass die Freundschaft zu Dirk Notheis ein hohes Gewicht hat, und man stellt sich dann eben die Frage: Wo sind die Interessen des Landes und der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler des Landes geblieben?

Schwarz: Der Schaden dieses Chaos wird ja jetzt schon in Milliardenhöhe beziffert. Stellt sich da dann auch die Frage nach Schadenersatz?

Schmid: Wir werden mit einer spezialisierten Anwaltskanzlei zusammen prüfen, welche zivilrechtlichen Haftungsansprüche das Land gegenüber den handelnden Personen hat. Das sind zum einen die Firmen Morgan Stanley und Gleiss Lutz, aber natürlich auch die verantwortlichen Politiker, in erster Linie Herr Mappus. Und dann werden wir sehen, ob Klagen auf Schadenersatz Aussicht auf Erfolg haben. Das ist insbesondere bei den politisch verantwortlichen Personen keine ganz einfache Angelegenheit, aber wir prüfen das intensiv, das sind wir auch den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

Schwarz: Nils Schmid, baden-württembergischer Finanz- und Wirtschaftsminister, zum heute beginnenden ENBW-Untersuchungsausschuss. Herr Schmid, vielen Dank!

Schmid: Ihnen auch vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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