Niedersächsisches Wappen

Auf das falsche Pferd gesetzt

Niedersachsens Wappen
Niedersachsen wirbt gern mit dem Pferde-Wappen für sich © picture alliance / dpa
Von Claus-Stephan Rehfeld  · 18.03.2015
Niedersachsens Wappen beruht auf einen Irrtum: Das eigentliche Wappentier der Welfenfamilie war ein Löwe. Doch beliebter beim Volk war ein Pferd – das Sachsenroß.
Jahrzehntelang ging es in Niedersachsen vorläufig zu. Erst 1993 wurde alles endgültig. Das war am 01. Juni 1993. Bis zu diesem Tag galt die "Vorläufige Niedersächsische Verfassung" vom 13. April 1951. Sie hatte in ihrem letzten Artikel festgelegt: "Die Verfassung tritt ein Jahr nach Ablauf des Tages außer Kraft, an dem das Deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung beschließt." Nun bekamen die Deutschen nach der Wende zwar keine Verfassung, es blieb beim Grundgesetz, aber dennoch beschloss Niedersachsen eine "Neue Verfassung" für das Bundesland. Bestätigt wurde das Wappen von 1951. Ein springendes weißes Pferd im roten Feld. Doch das Wappen beruht auf einem Irrtum.
Das Sachsenroß. Lange hielt sich im Volk der Glaube, das Roß sei das Wappen des alten Stammesherzogtums Sachsen gewesen. Auch nach dem Sturz Heinrichs des Löwen 1180 ging die Erinnerung an das alte Sachsen nicht unter. Es hatte ganz Norddeutschland und Teile von Mitteldeutschland umfasst. Aber ein Wappen hatten die alten Sachsen nicht - es gab noch kein Wappenwesen.
Der Machtinstinkt der Welfen machte aus dem Volksglauben ein Symboltier. Das war 1361. Im Streit mit den askanischen Herzögen von Sachsen-Wittenberg um Lüneburg nahm Herzog Albrecht II. das Sachsenroß in sein Siegel auf. Ein geschickter Schachzug – der Welfe demonstrierte mit dem Sachsenroß einen Machtanspruch auf altsächsisches Stammesgebiet. Zur Absicherung berief er sich auf sagenumwobene Geschichten. So habe schon Sachsenherzog Widukind im achten Jahrhundert einen geteilten Schild mit dem Sachsenroß geführt. Doch die Legende war späteren Datums.
Endgültiges Wappentier seit 1993
Lange hielten die Welfen an ihrem Wappentier, dem Löwen, fest. Doch das Sachsenroß war beim Volk beliebt. Es sollte es bekommen, wurde auf Münzen, Medaillen, Siegeln, Amts- und Postschildern verwendet. Das Sachsenroß wurde zum Wappen des kleinen Mannes. Und es schaffte schließlich den Sprung von der Helmzier auf den Wappenschild mit 12 Feldern. Das Sachsenroß wurde zum "kleinen" Wappen. Nach dem Untergang der welfischen Herzogtümer wurde es vom Königreich Hannover und vom Herzogtum Braunschweig übernommen. Nach dem Untergang der Monarchie 1918 wurde es zum einzigen offiziellen Wappen der preußischen Provinz Hannover und des Freistaates Braunschweig.
1946. Die britische Militärregierung hat aus vier Ländern das neue Land Niedersachsen gebildet. Sollen nun auch alle vier Länder im neuen Wappen vertreten sein? Das Niedersachsenroß überspringt alle Hürden in der Diskussion. Lange schon gilt es als das Symbol für Niedersachsen. Es ist einfach und einprägsam, und es repräsentiert vier Fünftel der Bevölkerung des neuen Landes. So wird das Niedersachsenroß erst zum inoffiziellen, dann 1951 zum vorläufigen und erst 1993 zum endgültigen Wappentier.
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