Edgar-Wallace-Spezial

Pulp Fiction aus Deutschland

39:09 Minuten
Filmstill aus "Edgar Wallace: Der Schwarze Abt": Joachim Fuchsberger telefoniert, im Hintergrund Klaus Kinski.
Joachim Fuchsberger (l.) und Klaus Kinski im Edgar Wallace-Film "Der Schwarze Abt" © Imago / United Archives / KPS
Von Matthias Dell · 30.08.2019
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Vor 60 Jahren kam mit "Der Frosch mit der Maske" der erste Edgar-Wallace-Film der Rialto in die Kinos. Fast drei Dutzend weitere Werke nach Vorlagen des britischen Autors folgten - eine einzigartige Erfolgsgeschichte des westdeutschen Films.
Am 4. September 1959 kam "Der Frosch mit der Maske" in die westdeutschen Kinos, der erste von insgesamt 32 Kriminalfilmen, die nach Vorlagen des britischen Schriftstellers Edgar Wallace entstanden.
Der Erfolg der Reihe hatte viele Gründe: die aufwendigen, handwerklich hochstehenden Produktionen, das immer auch komische, extravagante Spiel mit dem Grusel, erstklassige Besetzungen mit Stars des bundesdeutschen Nachkriegskinos, die für eine Zahl von Jungschauspielern zugleich das Sprungbrett der Karriere wurden.
Klaus Kinski delirierte hier erstmals vor großem Publikum seine irren Bösewichte, Heinz Drache und Joachim "Blacky" Fuchsberger empfahlen sich als dynamisch-sympathische Inspektoren, Eddi Arent als komische Figur.

Generationenübergreifend durch TV-Wiederholungen

Das Fernsehen, dem die Kriminalfilme vorarbeiteten, wiederholte in späteren Jahren die Wallace-Reihe immer wieder, sodass auch nachwachsende Generationen ihre TV-Sozialisationen mit dieser Kombination aus ausgedachtem Internationalismus (Außendrehs in London) und deutscher Schauspieltradition (deutsche Theatermimen) machen konnten.
"Hier spricht Edgar Wallace – was sagt uns das heute?" So heißt die Kompressor-Spezialsendung, die anlässlich des Jubiläums die Filme noch einmal einer Revision unterzieht.
Filmszene mit Heinz Drache aus "Edgar Wallace: Neues vom Hexer", Deutschland 1965.
Filmszene mit Heinz Drache aus "Edgar Wallace: Neues vom Hexer", Deutschland 1965.© imago / United Archives
Der Filmhistoriker Christoph Draxtra erklärt anhand der flamboyanten Filme, die vor allem Alfred Vohrer für die Reihe gedreht hat, wie der deutsche Film das Genre ausbuchstabierte - und sich aus dem Geist von Hollywood-Synchronisationen modernisierte. Brigitte Grothum, die als junge Schauspielerin eine "zweite Schule" des Schauspiels bei drei Auftritten in der Reihe sammelte, erinnert an die letzte große Zeit des nachkriegsdeutschen Studiokinos.

Kritik an der Idee einer geschlossenen Nationalkultur

Als frühe Kritik an der Idee einer geschlossenen Nationalkultur liest der Popkulturhistoriker Bodo Mrozek den Exotismus der England-Darstellung. Der Mischtonmeister Manfred Arbter dechiffriert Geräusche und Töne aus den Filmen als kreative Leistungen aus dem analogen Zeitalter des Films, von dem sich Verbindungen ins Digitale ziehen lassen.
Aus dem Filmmaterial haben die Medienarchäologen von der Künstlergruppe "reproducts" eigens kurze Audio-Clips gebastelt. Momente prekärer Schönheit und Verdichtungen von großem Witz - oder, um es mit Klaus Kinski zu sagen: "Ich muss doch beweisen, dass ich gesund bin."
Redaktioneller Hinweis: Wir haben zwei inhaltliche Fehler in den beiden Bildunterschriften korrigiert.
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