Niebel: Teppich war nicht zollpflichtig

16.06.2012
Die sogenannte Teppich-Affäre von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nimmt eine neue Wendung. Wie Niebel gegenüber Deutschlandradio Kultur sagte, war der Teppich, den er vor drei Monaten in Afghanistan gekauft hatte, "überhaupt nicht zollpflichtig".
Als eines der "am wenigsten entwickelten Länder" unterliege Afghanistan einer Sonderregelung der Europäischen Union, wonach auch Privatpersonen Gegenstände wie Teppiche zollfrei nach Deutschland einführen dürfen.

Niebel hatte den Teppich im Wert von rund 1.100 Euro in einem Flugzeug des Bundesnachrichtendienstes von Kabul nach Berlin transportieren lassen. Das Textil wurde dann, am Zoll vorbei, in die Privatwohnung des Ministers gebracht. Später stellte Niebel einen Antrag auf Nachverzollung.

Dass der Teppich ohnehin zollfrei war, habe er erst heute von seinem Anwalt erfahren, so Niebel am Donnerstag. Mit Blick auf eine Aktuelle Stunde des Bundestages, die sich am Mittwoch mit Niebel und dem Teppich beschäftigt hatte, fügte der Minister hinzu:

"Es wäre schön gewesen, wenn ich es gestern gewusst hätte. Das ändert aber nichts daran, (…) dass ich die Verantwortung dafür trage, mich nicht selbst gekümmert zu haben."

Darüber hinaus sei er bereit, alle Rechtspflichten zu übernehmen, etwa die anfallende Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent des Kaufpreises zu zahlen, sagte Niebel.

Die Interview-Passage zur "Teppich-Affäre":

Deutschlandradio Kultur: Herr Niebel, Sie waren zuletzt nicht wegen politischer Entscheidungen in den Schlagzeilen, sondern wegen eines Teppichs. Den haben Sie vor drei Monaten auf einer Dienstreise in Afghanistan privat gekauft für rund 1.100 Euro. Dann haben Sie den Teppich mit einem Flugzeug des Bundesnachrichtendienstes nach Deutschland transportieren lassen. Ein Fahrer hat ihn abgeholt und direkt in Ihre Berliner Wohnung bringen lassen – am Zoll vorbei. Wir vermuten, der Zoll ist inzwischen beglichen. In diesem Zusammenhang aber die Frage: Solche "Missverständnisse" – ich glaube, Ihr Wort, nimmt dadurch die Person eines Ministers Schaden?

Dirk Niebel: Einige Dinge zum Geraderücken: Wenn der BND-Chef, der das Kunstwerk, den Teppich, mit nach Deutschland gebracht hat, davon ausgeht, dass es sich um ein Gastgeschenk, das zollfrei ist, handelt, und wenn ich davon ausgehe, dass es ein privater Kauf ist, der zu verzollen ist, weil ja auch jeder in der Botschaft gesehen und mitbekommen hat, dass ich ihn gekauft habe, dann würde ich das als Missverständnis bezeichnen, ohne dass die politische Community dadurch beschädigt wird. Es ist ein blödes Missverständnis.

Nichtsdestotrotz gibt es noch eine ganz andere Wendung in dieser Causa Teppich. Denn Teppiche aus Afghanistan sind überhaupt nicht zollpflichtig. Afghanistan ist ein least developed country. Und es gibt Sonderregelungen der Europäischen Union, "Anything but arms initiative" heißt das Ganze, das auch für Privatpersonen diese Gegenstände – und Teppiche gehören dazu – zollfrei nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Das habe ich leider erst von meinem Anwalt erfahren. Es ändert aber nichts daran, dass ich von vornherein gesagt habe, als das bekannt wurde, als es mir auch bekannt wurde, weil ich davon ausging, dass alle Formalitäten bei der Einreise erledigt worden seien, dass ich die Verantwortung dafür trage, mich nicht selbst gekümmert zu haben.

Ich glaube, wenn man einen Teppich kauft und dann freundlicherweise das Angebot kriegt, dass jemand ihn mitnimmt, ich habe das ja nicht in Auftrag gegeben, dass man dann die Aufgabe hat, sich drum zu kümmern. Das habe ich versäumt, das ist mein Fehler. Das gestehe ich ein. Das möchte ich auch gerne reparieren.

Auf der anderen Seite muss man dann aber auch bitte die Kirche im Dorf lassen. Es ist so, dass ich tatsächlich mich nicht darum gekümmert habe, aber eine Zollpflicht für diesen Teppich offenkundig nicht besteht. Es stellt sich dann jetzt die Frage der so genannten Einfuhrumsatzsteuer. Das ist 19 Prozent, wie bei uns die Mehrwertsteuer, die zu begleichen ist. Selbstverständlich bin ich bereit, alle Rechtspflichten zu erledigen, die dazu gehören. Nur, ich habe in meiner Funktion in Afghanistan alle Dienstverrichtungen beendet gehabt, als ich diesen Teppich mit eigenem Geld, gegen Bezahlung, nicht irgendwie geklaut, erworben habe und hatte aus logistischen Gründen entschieden, beim nächsten Mal, wenn ich in Afghanistan bin, den Teppich mitzunehmen.

Ich hätte dieses Paket natürlich auch aufgeben können. Ich hätte 40 kg Freigepäck gehabt und 12 kg Handgepäck. Ich wollte es nicht, weil ich den Teppich gern auch in Berlin wiedersehen wollte. Das war einer der Fehler, die ich mir auch zurechnen muss. – Also, es ist schon wirklich blöd gelaufen. Und das ärgert mich am meisten von allen.

Deutschlandradio Kultur: Nun haben Sie aber nicht nur den Zoll umgangen, Herr Niebel, Sie haben ja auch diese dienstliche Infrastruktur für private Zwecke genutzt. Das Logistikunternehmen DHL hat laut Financial Times Deutschland ausgerechnet, dass der Transport eines 9 m² großen Teppichs knapp 4.000 Euro gekostet hätte. Da sind Sie mit Ihrer jetzigen Nachverzollung ja noch relativ gut weggekommen.

Dirk Niebel: Nun, erstens habe ich gerade beschrieben, dass es wahrscheinlich gar nicht zu einer Nachverzollung, sondern zu einer Nachentrichtung der Einfuhrumsatzsteuer kommen wird. Da bin ich aber nicht Fachmann genug.

Deutschlandradio Kultur: Trotzdem ist es relativ günstig.

Dirk Niebel: Nein, Sie sind leider auf dem völlig falschen Dampfer. Ich habe eben gesagt, ich hätte das Gepäckstück kostenfrei mit meinem Linienflug mitnehmen können, hätte noch genügend Gepäck für die wenigen Kleidungsstücke, die ich bei einer zweitägigen Reise brauche übrig gehabt als Freigepäck mit dem ganz normalen Linienflug. Es war auch kein Sperrgepäck, weil es keine Rolle, sondern ein Paket gewesen ist. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich Sorge hatte, dass mit dem Wechsel der Fluglinie und zweimal Umsteigen das gute Stück vielleicht nicht ganz in Berlin ankommen würde.

Ich hätte beim nächsten Mal, was mein Ziel war, wenn ich mit dem Bundeswehrflieger dort bin, als persönliches privates Gepäck selbstverständlich diesen Teppich kostenfrei mitnehmen können. Ich kann auch 30 kg Hemden und Anzüge mitnehmen, wenn ich der Ansicht bin, ich benötige sie auf der Reise. Von daher ist es nicht die private Nutzung einer dienstlichen Infrastruktur, die man mir vorwerfen kann, sondern man kann mir vorwerfen, dass ich mich nicht selbst um meine Angelegenheiten gekümmert habe.

Als dann der Anruf bzw. die Email von der Botschaft an meinen Mitarbeiter kam und dessen Anruf an mich, BND-Chef ist mit Flugzeug in Kabul, Teppich landet am 20. Mai in Schönefeld, bitte dann und dann abholen, dann habe ich mir keine Gedanken drüber gemacht, wie dieser Teppich befördert wurde, sondern mich gefreut, dass ich ihn früher haben kann als ich erwartet hatte. Und ich kenne keinen Einzigen übrigens, der damit DHL beauftragen würde. Denn wenn Sie andere Speditionen sich ansehen, zum Beispiel auch die, wo die Deutsche Botschaft oder die GIZ, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau Geschäftskontakte pflegen, wenn nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umziehen, gibt es das Prinzip der so genannten Beiladung. Das heißt, Sie können pro Kilo für 50 Cent für bis 1 Euro Gepäckstücke in den nicht ausgefüllten Container beiladen.

Also ist das hier eine schöne, auf Medienresonanz gemachte Meldung der Financial Times, die ich nicht ernst nehmen kann.


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