"Nie wieder Faschismus und Krieg"

Von Claus Menzel · 14.09.2008
Schon unmittelbar nach der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald waren Pläne diskutiert worden, hier ein Mahnmal zu errichten. Am 14. September 1958 wurde es nach rund vierjähriger Bauzeit eingeweiht - zu einer Zeit, in der die SED nicht ohne Erfolg versuchte, das Bekenntnis zum Antifaschismus als Waffe im Kalten Krieg zu instrumentalisieren.
Gekommen waren, wie Ostberlins Zeitungen anderntags berichteten, Zehntausende: aus der Bundesrepublik und aus Frankreich, aus Italien, Russland, Polen oder Belgien. Dreizehneinhalb Jahre zuvor, im Frühling 1945, hatten hier, auf dem sogenannten Ettersberg bei Weimar, Häftlinge aus mehr als dreißig Ländern hinter den Stacheldrahtzäunen des Konzentrationslagers Buchenwald gesessen. Nun, an diesem 14. September 1958, wurde ihnen und ihren ermordeten Freunden, Genossen und Gefährten, hier ein Mahnmal gewidmet.

Gekommen, gewiss, war auch SED-Chef Walter Ulbricht. Die Einweihungsrede hielt freilich Otto Grotewohl - allerdings nicht als Ministerpräsident der DDR, sondern als Vorsitzender eines 1955 begründeten und scheinbar überparteilichen Kuratoriums für den Aufbau nationaler Gedenkstätten, dem rund hundert Vertreter von Widerstandsverbänden angehörten.

"Zum ersten Mal schwingen heute die Glockentöne vom Turm der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte weit hinaus ins Land und künden vom Heldentum der europäischen Widerstandskämpfer. Sie trotzten der finsteren, grauenvollen Nacht des Hitler-Faschismus, sie gaben ihr Blut und Leben, ihre Freude und ihr Glück, um die grausame faschistische Sklaverei zu beenden. Die Stimmen der Toten und der Lebendigen vereinigen sich in den Glockentönen zu dem mahnenden Ruf : Nie wieder Faschismus und Krieg. Friede sei ihr erst Geläute."

Tatsächlich zeigte sich, anders als westdeutsche Geschichtspolitiker nach dem Fall der Mauer gern behaupteten, in der Errichtung dieses Mahnmals ein keineswegs nur verordneter Antifaschismus: Finanziert worden war der Bau zu einem großen Teil aus Spenden. Und obwohl ein schon im Juli 1951 verabschiedetes Statut der Nationalen Mahn- und Gedenkstätten ausdrücklich festlegte, in erster Linie sei " die Rolle der KPD als der stärksten und führenden Kraft im Kampf gegen das verbrecherische Nazi-Regime" darzustellen, wollte die SED den Eindruck einer Monopolisierung des Widerstands gegen die Nazis schon deswegen vermeiden, weil der Antifaschismus längst zum Gründungsmythos der DDR geworden war.

"Die Mahn- und Gedenkstätte beim Konzentrationslager Buchenwald kündet von dem heroischen Kampf und dem unsagbaren Leiden der Antifaschisten in allen Lagern und in allen Ländern der Welt. Heute übergeben wir dem deutschen Volk und allen Menschen guten Willens in allen anderen Ländern diese Nationale Mahn- und Gedenkstätte auf dem Ettersberg, der mitten im Herzen Deutschlands liegt."

Mitten im Herzen Deutschlands, wohl wahr. Auf dem Ettersberg, am Rand der Stadt Weimar, war einst Johann Wolfgang von Goethe gewandert. Bis 1945 wurden hier rund 56.500 Häftlinge ermordet, mehrere tausend starben an den Folgen der Folter und medizinischer Experimente. Weimarer Bürger, die auf Befehl des amerikanischen Generals Patton das KZ nach dessen Befreiung besuchen mussten, beteuerten, davon hätten sie nichts gewusst.

Immerhin, schon 1949 hatten die Stadt Weimar, das Land Thüringen und ehemalige Häftlinge einen Ehrenhain angelegt, der zwei Massengräber umrahmte, 1951 war der Bau eines Mahnmals beschlossen worden, 1955 hatte ein Architektenkollektiv Pläne vorgelegt, die sich durchaus an traditionellen Baumustern orientierten. Und der Vorliebe für die große, pathetische Geste entsprach auch Otto Grotewohls Rede.

"Die Flammen aus den Opferschalen zeugen von unserer Liebe und Verehrung für die Toten. Die Glocke des Turmes aber soll weit über das Land hallen. Ihr Klang soll in die Herzen der Menschen sinken und ihnen Kunde bringen von unserer unabänderlichen Entschlossenheit, das Vermächtnis der toten Helden zu erfüllen und nicht eher zu ruhen, bis in der ganzen Welt Frieden und Freiheit walten und der Wohlstand der Völker blüht."

Im November 1993, rund 25 Jahre nach der Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, wurde endlich auch an die hier ermordeten Juden erinnert. Eingemeißelt steht auf einem Stein der Psalmenvers: "Auf dass erkenne das künftige Geschlecht, die Kinder, die geboren werden, dass sie aufstehen und erzählen ihren Kindern."