Nie versiegende Entdeckerlust

16.04.2014
Der Neugierige, der Streitbare, der Leidenschaftliche, der Kämpfer – das sind nur einige der Ehrentitel, die dem Dirigenten Gerd Albrecht zuteil wurden. Zu Lebzeiten, und auch, als er im Februar im Alter von 78 Jahren nach schwerer Krankheit starb.
Der Kämpfer: Das Laue war seine Sache nicht. Wenn er etwas für wichtig erkannt hatte, setzte er sich mit Verve und vollem Risiko dafür ein. Manchmal scheiterte er dabei, meistens aber gelang es Gerd Albrecht, die Zögernden und Widerstrebenden mitzureißen und dabei große Dinge anzustoßen. Nicht zuletzt als GMD der Hamburgischen Staatsoper.Der Leidenschaftliche: Immer lagen Gerd Albrecht die jungen Menschen ganz besonders am Herzen. Er war ein Pionier der "Vermittlung“, lange bevor dieser Begriff von der Kulturpolitik entdeckt wurde. Auf ganz unterschiedliche Weise gelang es ihm in seinen legendären Gesprächskonzerten, in den Dirigentenkursen der Ferenc-Fricsay-Gesellschaft oder in seinem "Klingenden Museum“ den Funken auf die Hörer überspringen zu lassen.Der Neugierige: Gerd Albrechts Entdeckerlust lässt sich in verschiedene Phasen gliedern. Da gab es die Wiederentdeckung der klassischen Moderne. Die Opern und Orchesterwerke von Ferruccio Busoni, Alexander Zemlinsky und Franz Schreker wären ohne Gerd Albrecht wohl erst viel später auf den Spielplan zurückgekehrt, wenn überhaupt. Und das Frühwerk Paul Hindemiths, vom Komponisten selbst in Acht und Bann getan, rehabilitierte er gewissermaßen gegen den Willen des Komponisten – und er behielt recht.Eine zweite Phase von Wiederentdeckungen galt den von den Nazis verfemten und ermordeten Komponisten. Erwin Schulhoff, Viktor Ullmann, Gideon Klein und viele andere waren auch lange nach dem Ende der Nazi-Herrschaft völlig vergessen. Besonders die im KZ Theresienstadt inhaftierten Komponisten lagen Gerd Albrecht am Herzen. In zahlreichen Konzerten und Aufnahmen hat er ihre Musik wieder ins Repertoire zurückgebracht.Und schließlich gab es noch jene böhmischen Komponisten wie Zdenek Fibich oder Jaromir Weinberger, die Gerd Albrecht aus dem Schatten von Dvořak und Smetana holte.Die meisten dieser Entdeckungen und Wiederentdeckungen geschahen in Zusammenarbeit mit RIAS Berlin und, ab 1994, mit Deutschlandradio Berlin. Mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin, aus dem dann das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin wurde, hat Albrecht mehr als 60 LPs und CDs aufgenommen.Die kulturpolitische, ja musikhistorische Bedeutung dieser Produktionstätigkeit ist enorm und reicht weit über den Tod des Dirigenten hinaus. Ausschnitte aus diesen Produktionen sollen noch einmal das ganze Spektrum von Gerd Albrechts Neugier erfahrbar machen.

Nie versiegende Entdeckerlust
Erinnerungen an den Dirigenten Gerd Albrecht

Mit Musik von
Paul Hindemith
Alexander Zemlinsky
Ferruccio Busoni
Erwin Schulhoff
Viktor Ullmann
Egon Wellesz
Jaromir Weinberger
und anderen

Aufnahmen von RIAS Berlin und Deutschlandradio Kultur 1962-2009
Moderation: Rainer Pöllmann