Nichts sendet mehr in Griechenland

Tasos Telloglou im Gespräch mit Nana Brink · 13.06.2013
Schon in der Vergangenheit habe die Regierung versucht, Journalisten des staatlichen Rundfunks ERT mundtot zu machen, sagt der griechische Journalist Tasos Telloglu. Es habe dort tüchtige Leute gegeben, wenngleich viele Posten nach Parteibuch besetzt worden seien.
Nana Brink: Können Sie sich vorstellen, morgens aufzuwachen und nicht Deutschlandradio Kultur zu hören? Nicht, weil wir nicht senden, sondern weil man uns abgeschaltet hat? Das ist eine ziemlich absurde Vorstellung. In Griechenland ist das passiert: Die Regierung hat den staatlichen Rundfunk ERT geschlossen, so einfach geht das. Das Argument für diesen medialen Staatsstreich: Der staatliche Rundfunk sei schlicht zu teuer. Und jetzt haben die Gewerkschaften einen 24-stündigen Streik angekündigt. Tasos Telloglou, griechischer Journalist, hat lange für die staatlichen Medien gearbeitet. Schönen guten Morgen, Herr Telloglou!

Tasos Telloglou: Ja, grüße Sie!

Brink: Der Regierungssprecher schob noch eine Erklärung nach: In einer Zeit, in der das griechische Volk Opfer bringen muss, gibt es keinen Platz für Aufschub, Zögern oder heilige Kühe. Das ist doch mal eine klare Aussage, also ist der staatliche Rundfunk überflüssig?

Telloglou: Nein, keinesfalls. Ich würde sagen, dass die Regierung, darunter die größte Regierungspartei, die ND, den staatlichen Rundfunk deswegen ausgewählt hat, weil es eine High Visibility hat, das heißt, jeder kann sehen, dass hier etwas geopfert wird, was vorher als unfassbar gehalten wurde.

Griechenland ist verpflichtet, bis Ende des Jahres 4000 Beamte zu entlassen und 25.000 Beamte in Bewegung zu setzen, das heißt, von einer Behörde zu einer anderen Behörde zu schicken. Bis jetzt hatte die Dreiparteienregierung ihre Hausaufgaben eher schlecht gemacht. Das heißt, die waren sehr zurück im Zeitplan, und deswegen hat jetzt der Regierungschef Samaras diesen Staatsstreich ausgewählt, damit er Entscheidungsfreudigkeit gegenüber unserem Kreditgeber demonstriert.

Brink: Ein Argument der Regierung war ja auch, der Sender kostet jährlich 300 Millionen Euro und sei ein typischer Fall von unglaublicher Verschwendung. Ist das kein Argument?

Telloglou: Jain. Ich habe in verschiedenen Zeiten meiner Laufbahn für die Sender des staatlichen Fernsehens gearbeitet. Es gab Verschwendung wie im griechischen Staat überall. Es gab aber auch sehr tüchtige Leute, die Großartiges geleistet haben: Kultursendungen, die man anderswo nicht gefunden hat, und eine große Leistung, besonders in Ereignissen wie die Olympischen Spiele von 2004 oder sehr viele Dokumentationen, die von der ERT koproduziert wurden.

Die Parteibuch-Personalpolitik hat natürlich immer eine Rolle gespielt, das ist ein offenes Geheimnis, dass die regierenden Parteien immer die jeweilige Leitung installiert haben und dann per Telefon oder per Schriftzettel das tägliche Geschäft geregelt haben. Das ist alles wahr, wir hatten eher ein staatliches und nicht ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem. Es ist eine andere Sache ein staatliches Rundfunksystem, und eine andere Sache ein öffentlich-rechtliches. Aber die Hauptschuldigen waren das politische Personal und die Regierungen, die immer den staatlichen Rundfunk sozusagen an der langen Leine gehalten haben.

Ja, der staatliche Rundfunk hat 300 Millionen Euro gekostet, das waren aber Gelder, die nicht vom Staatsbudget gekommen sind, sondern Rundfunkgebühren, und mindestens 50 Millionen dieser Rundfunkgebühren sind in der letzten Zeit, also im letzten Jahr, für die Solarenergieunterstützung abgezweigt von der Regierung selbst, sage ich mal, also die sind zweckentfremdet worden, und das Geld kommt von unserem Portmonee, direkt.

Brink: Und gerade, weil es ja auch ein staatlicher Rundfunk war, konnte man ihn ja auch so ohne Weiteres abschalten. Da liegt ja der Verdacht nahe, dass man auch jemanden mundtot machen wollte oder man sich unliebsame Kritik, wenn es sie denn gibt, vom Hals halten will.

Telloglou: Diese Regierung hatte den staatlichen Rundfunk nicht lieb. Sie hat in der Vergangenheit versucht, einige Kollegen mundtot zu machen, hat verlangt, dass Personal gewisser Sendungen wie zum Beispiel der Morgensendung ausgetauscht wird, weil sie zu kritisch gegenüber der Regierung waren. Es gibt immer noch den Verdacht, dass für Herrn Samaras dieser Streich emotional leichter war, als zum Beispiel eine Entscheidung, eine andere Behörde zu schließen.

Brink: Das führt mich aber dann zu der Frage, ist es nicht auch sinnvoll, dann in Griechenland über ein anderes System nachzudenken? Wir haben ja gerade den Unterschied gemacht, staatlicher Rundfunk und öffentlich-rechtlicher, gibt es solche Überlegungen?

Telloglou: Nun, der Regierungschef Samaras hat gesagt, dass die Abschaltung des Rundfunks provisorisch sei, und dass Ende August, Anfang September ein neues, modernes öffentlich-rechtliches Rundfunksystem auf die Beine gebracht wird, wo auch die Angestellten, die Journalisten, die Techniker, die Beamten nach Leistungskriterien eingestellt werden. Ich glaube nicht, dass die Kultur eines Landes innerhalb von zwei Monaten sich ändern wird. Ich glaube, dass immer noch ab Ende August Parteibuch-Besetzungen stattfinden werden. Und die zweite Sache ist, es gibt keine klare Antwort auf die Frage: Warum konnte man so was nicht während der Funktion des heutigen Systems unternehmen? Da sagt die Regierung, der Regierungssprecher Simos Kedikoglou zum Beispiel, er hat es mehrmals versucht, aber es war unmöglich wegen des Widerstandes der Gewerkschaften.

Brink: Und diese Gewerkschaften sind ja auch aktiv, es gibt die Ankündigung eines Generalstreiks sozusagen. Wie reagieren die Kollegen, wie reagieren Sie, sind Sie auch im Streik, solidarisieren Sie sich?

Telloglou: Wir sind im Streik, ich habe aber einen zweiten Gedanken, was einen zu langen Streik betrifft, weil ich glaube, dass jetzt die ganze Sache zu einer politischen Krise münden wird. Das heißt, der Regierungschef Samaras hat angekündigt, dass er damit die Vertrauensfrage verbinden wird. Und ich glaube, in einer solchen Situation müssen wir arbeiten, es schadet eher der Sache der Kollegen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, wenn wir nicht arbeiten. Es läuft alles übers Internet, und in dieser Weise machen wir uns auch, wir von den alten Medien, obsolet, Fernsehen und Rundfunk arbeiten sowieso nicht.

Brink: Tasos Telloglou, der griechische Journalist, und das Gespräch mit ihm über den staatlichen Rundfunk in Griechenland, der seit gestern abgeschaltet ist, haben wir aufgezeichnet.