Nichts geht über die Familie

Von Gerd Brendel · 25.12.2011
General a. D. Klaus Reinhardt leitete den deutschen Auslandseinsatz in Somalia und war Oberbefehlshaber der KFOR-Truppen im Kosovo. Noch heute ist er ein gefragter Gesprächspartner, wenn es um globale Konfliktvermeidung geht. Gerd Brendel hat ihn gefragt, was ihm heilig ist.
"Mir ist heilig die Familie in ihrer Zusammensetzung, in ihrem Zusammenhalt, in der Weiterbildung. In der Form, dass sie allen Familienmitgliedern Halt und auch Tiefe gibt, dass wir gemeinsame Werte haben, dass ist das, was für mich am Wichtigsten ist.

Ich kann mich um die Entwicklung meiner Enkel viel intensiver bemühen als damals um meine Kinder. Und es macht unglaublich viel Freude, zu sehen, wie aus Kindern kleine Erwachsene werden.

Das wird einem sehr schnell klar, wenn man lange im Ausland ist, und auch nicht klar ist: Sieht man die Familie wieder oder bleibst du hier irgendwo? Da wird der Drang, sich auf die Familie einzustellen, viel größer. Das sieht man auch bei den Soldaten, wo Familie und Freundin …

Mir ist das beim Millenniumstag deutlich geworden. Als ich im Kosovo war, in Pristina, und ich feststellte, dass sich die Leute in den Armen lagen und ich geküsst worden bin, wie ich noch nie geküsst worden bin, weil die Leute so dankbar waren, dass wir ihnen den Krieg beendet haben und dass es nun sicher war. Und das waren Erfahrungen, die ich unglaublich gern mit meiner Frau und meinen beiden Jungs und ihren Frauen erlebt hätte.

Da merkst du, wie sehr dir die Familie fehlt und wie alleine du bist. Ich weiß nicht, ob man das heilig nennen kann. Ist vielleicht ein bischen hoch gegriffen. Ich wurde ja nicht Soldat, um zu kämpfen, sondern um dafür zu sorgen, dass mein Land, die Bevölkerung, auch da im Kern die Familie, nicht angegriffen wird.

Der Ungarnaufstand, an den ich mich sehr wohl erinnere als junger Mann, hatte einen sehr großen Einfluss auf mich, dass ich mir gesagt hab, das, was da passiert ist, darf bei uns nicht passieren. Eher die Abhalte-Funktion, ähnlich wie wir das in Somalia und auf dem Balkan gehabt haben, dass wir versuchten, Brutalität dadurch zu beenden, dass wir dort waren. Dass wir dazwischen gegangen sind und Mut gemacht haben. Das ist die befriedigendste Aufgabe, die man als Soldat haben kann, den Frieden zu sichern und wiederherzustellen.

Der militärische Beruf ist ja ein Führungsberuf, wo man versucht, eigene Werte, die man hat wie Zuverlässigkeit, Toleranz, Integrität, weiterzugeben und in diesem Bereich mit anderen zusammenzuarbeiten. Das sind die Werte, für die ich ja runtergegangen bin.

Musik ist mir mit Sicherheit dahingehend heilig: Ich kann mir keinen Tag ohne Musik vorstellen. Ich liebe die Musik von Mahler, habe lange Musik gemacht, ich liebe Bruckner. Ich habe im Kosovo jede Nacht vor dem Einschlafen 'ne Haydnmesse gehört und da gibt's 'ne ganze Menge, um einfach den Kopf frei zu kriegen von dem, was tagsüber gelaufen ist."

"Was mir heilig ist"
Weihnachtliche Reihe in Fazit
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