Nicht nur "Solo Sunny" und "Spur der Steine"

Von Jörg Taszman · 17.05.2006
Wie in der DDR Filme gemacht wurden, das vermittelt nun das über 500 Seiten dicke Sachbuch "Spur der Filme". Es erscheint anlässlich des 60. Geburtstags der DEFA. Darin kommen 70 Regisseure, Kameraleute und andere Filmschaffende, wie sie in der DDR genannt wurden, zu Wort.
Auferstanden aus Ruinen: die Jahre bis zum Mauerbau

Der erste Film der DEFA wurde "Die Mörder sind unter uns" (1946) von Wolfgang Staudte mit Hildegard Knef. Dort geht es auch um die Rechtmäßigkeit von Rache an einem ehemaligen Hauptmann der Wehrmacht, der Massaker anordnete. Staudte hatte ursprünglich einen Schluss im Sinn, indem die Opfer Selbstjustiz üben, die Russen redeten ihm das aus.

Staudte war neben dem Bulgaren Slatan Dudow und Kurt Maetzig der produktivste und wichtigste Regisseur der DEFA. Auch mit "Der Untertan" nach Heinrich Mann und seiner Märchenverfilmung "Der kleine Muck", dem erfolgreichsten DEFA-Film aller Zeiten, gelangen Staudte große Erfolge. Amüsant ist die Anekdote, dass für den "Muck" ursprünglich auch Horst Buchholz vorgesehen war, der jedoch vom Intendanten des Schiller Theaters keine Freigabe erhielt. Es gab klare Vorgaben im kalten Krieg der DEFA keine "Westschauspieler" zur Verfügung zu stellen.

Die meisten Interviews entstanden ursprünglich für Zeitzeugen-TV. Der umgangssprachliche Ton kommt dem Medium Film eher entgegen, als lange literarische und theoretische Abhandlungen. So äußert sich Kurt Maetzig rückblickend sehr kritisch über seine beiden Thälmann-Filme, als ein "Dokument über stalinistische Filmpolitik".

Gerade die von der Partei geforderten "positiven, sozialistischen Helden" und das Abwürgen jeglicher "Fehlerdiskussion" führten dazu, dass sich das Publikum von den DEFA-Filmen abwandte. Die ersten Stars der DEFA gingen in den Westen wie Staudte oder die Knef. Verbotene Filme gab es in den ersten 15 Jahren kaum. "Sonnensucher" von Konrad Wolf war einer der wenigen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein "unpolitischer" Abbruch eines Filmes, den Wolfgang Staudte 1954/55 drehte: "Mutter Courage" mit Helene Weigel und Simone Signoret. Es war Brecht selber, der die Dreharbeiten zunächst sabotierte und dann sein Einverständnis ganz zurückzog.

Vom Mauerbau "Bis dass der Tod euch scheidet": Vorsichtige Öffnung und Repressionen in den sechziger und siebziger Jahren

Gerade nach dem Mauerbau versuchte die SED eine vorsichtige Öffnung. Viele Regisseure und Autoren nahmen die Chance wahr, neue Geschichten zu erzählen, die sich ehrlicher mit dem Alltag in der DDR auseinander setzten. Es gab mehr künstlerische Freiheiten und weniger Zensur. Aber das ging dann einigen ZK-Politikern vor allem Erich Honecker zu weit.

Mitte der 60er Jahre fand im Dezember 1965 das so genannte 11. Plenum statt, in dessen Folge fast die Hälfte einer ganzen Jahresproduktion verboten wurde. Filme wie "Das Kaninchen bin ich" von Kurt Maetzig, "Jahrgang 45" von Jürgen Böttcher oder "Wenn du groß bist lieber Adam" von Egon Günther kamen erst nach der Wende 1990 in die Kinos.

Der bekannteste Film dieser Zeit ist "Spur der Steine" mit dem DDR-Kinostar Manfred Krug, der zunächst regulär im Sommer 1966 in die Kinos gelangte, aber durch gezielte Provokationen nur acht Tage lang in den DDR Kinos lief. Es dauerte dann bis 1973, als die DEFA mit "Die Legende von Paul und Paula" von Heiner Carow nach einem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf wieder mit einem Gegenwartsstoff punktete.

Die Folgen der Biermann-Ausweisung 1976 erwiesen sich für die DEFA als katastrophal. So namhafte DDR-Stars wie Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Angelica Domröse, Winfried Glatzeder und Hilmar Thate reisten aus. Auch Jurek Becker und Egon Günther gingen in den Westen.

Die letzten Jahre

Zu den filmischen Höhepunkten zählten Konrad Wolfs "Solo Sunny" und Heiner Carows "Coming Out", der just am Tag des Mauerfalls, dem 9.November 1989, seine Premiere feiert. Nach der Wende wird eine Zeitlang Volker Schlöndorff Direktor des Studios Babelsberg. Für ihn hat der Name DEFA aber "keinen guten Geruch". Heute ist Babelsberg vor allem ein Dienstleistungsbetrieb. Deutsche Kinofilme entstehen dort nicht mehr.

Fazit

Es handelt sich nicht um ein klassisches Filmbuch, das darauf Wert legt, ein vollständiges Bild des DEFA-Films zu liefern. Die Auswahl ist durchaus subjektiv und bemüht sich, an die künstlerisch wie historisch wichtigsten DEFA-Filme chronologisch zu erinnern. Unterteilt in fümf Dekaden gibt es zu jedem Jahrzehnt einen ausführlichen Überblick unter Berücksichtigung der kulturpolitischen Zusammenhänge. Dann werden einzelne Filme ausführlicher vorgestellt mit Angaben über den Inhalt, die Mitwirkenden vor und hinter der Kamera. Ergänzend kommen dann Zeitzeugen zu Wort, meist die Regisseure, Autoren und Darsteller.

Es sind gerade die kleinen Anekdoten, Details und Geschichten, die wirklich lesenswert sind. Selbst wenn man die einzelnen Filme nicht kennt, kommt nie die berühmte Langweile auf, die man ja daher kennt, wenn sich Menschen ausführlich über einen Film unterhalten, den man selbst nie gesehen hat. Die "Oral History" der begleitenden Erinnerungstexte schafft so einen Unterhaltungswert.

"Spur der Filme" ist mehr als nur ein Buch für Filmliebhaber, sondern vermittelt auch DDR- (Kultur)-Geschichte. Im Mittelpunkt stehen die Macher, die meist rückblickend reflektieren. Ein übersichtliches Register und ausführliche Inhaltsangaben runden das Werk ab. Leider fehlen ein paar statistische Angaben wie abschließende Zahlen zur DEFA-Produktion und eine Tabelle über die erfolgreichsten DEFA-Filme nach Zuschauerzahlen.

Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.)
Spur der Filme

Zeitzeugen über die DEFA
Christoph Links Verlag
568 Seiten
24,90 Euro
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