Neumann plant Änderung des Filmförderungsgesetzes

Bernd Neumann im Gespräch mit Ulrike Timm · 24.04.2009
Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat eine Änderung der bisherigen Regelung der Filmabgabe angekündigt. Eine kurzfristig geplante kleine Novellierung des Filmförderungsgesetzes werde auch die bisher fehlenden Abgabekriterien für die Fernsehanstalten in das Gesetz einbringen, sagte Neumann. Zugleich unterstrich Neumann vor der Verleihung des Deutschen Filmpreises, wie wichtig die Filmförderung ist: "Die ganzen kleinen und unabhängigen Filme hätten ohne Förderung so gut wie keine Chance".
Ulrike Timm: Dem deutschen Film wurden noch nie so viele Kränze geflochten wie in letzter Zeit. Künstlerische Vielfalt, neue Talente, das Publikum, der Marktanteil stimmt, alles super. Und das verkünden auch noch alle in schöner Eintracht, nämlich Filmemacher, Produzenten und Politiker.

Jetzt wird groß gefeiert. Heute Abend wird die "Lola" vergeben, der Deutsche Filmpreis, der mit fast drei Millionen Euro höchstdotierte Kulturpreis Deutschlands. 15 Kategorien gibt es. In der für den besten Film sind unter anderem nominiert: "John Rabe" gilt als Favorit, "Der Baader Meinhof Komplex", "Wolke 9" und "Jericho". Vergeben wird die Filmpreise der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, kurz: der Kulturstaatsminister, Bernd Neumann. Herr Neumann, ich grüße Sie!

Bernd Neumann: Ja, hallo!

Timm: Ganz unterschiedliche Filme sind da ja nominiert - ein großer Publikumsfilm mit "John Rabe", aber auch ein ganz kleiner, spröder Film wie "Jericho". Steht die ganze Bandbreite des deutschen Films heute Abend zur Wahl?

Neumann: Ja, ich finde schon, dass die sechs Filme so ein Stück die Bandbreite des deutschen Films dokumentieren, auch die verschiedenen Himmelsrichtungen - aus München, aus Hamburg und auch aus Berlin als Produktionsstandort. Und so soll es auch sein. Und ich finde, dass das eine ganz gute Zusammenstellung ist, die ja letztlich entschieden wurde durch die Filmakademie selbst und durch die Filmschaffenden und die letzte Entscheidung ja ohnehin durch alle 1000 Mitglieder der Filmakademie, sodass das sehr demokratisch ist.

Timm: Das deutsche Kino ist derzeit ja überhaupt sehr international und konkurrenzfähig. Manche sprechen da schon von Hollywoodisierung. Ist das mäkelig oder ist das ein Kompliment?

Neumann: Ja, da bisher immer Hollywood als Vorbild galt und als Erfolg dastand in der Welt, ist das natürlich ein Kompliment, und zwar insofern, als wir nicht jetzt nur auf die amerikanischen Produktionen aus Hollywood warten müssen, sondern dass in den letzten beiden Jahren sogar die deutschen Filme dazu beigetragen haben, dass die Kinos voll waren. Es war ja schon mal ganz anders. Das heißt, mittlerweile haben auch deutsche Filme Weltformat, das heißt, sie können mithalten.

Aufgrund auch der größeren Produktionen, die hier in Deutschland erfolgt sind, haben deutsche Filmstars die Chance, international zu reüssieren. Und wenn Sie das unter Hollywoodisierung verstehen, dann finde ich das positiv. Und wenn mancher meint, das seien nun so großartige Events, die da in den Filmen veranstaltet würden und das könne doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, da würde ich sagen, ja Gott, also von den Filmen haben wir ja gar nicht viele. Und insofern fasse ich das als Kompliment für den deutschen Film auf.

Timm: Keiner der für die "Lola" nominierten Filme kam ohne Filmförderung aus, die ist im Wesentlichen Ihr politisches Baby. Welchen Kriterien folgen Sie eigentlich, wenn es ans Verteilen von Geld geht? Sind Sie sicher, dass der kriegt, der es nötig hat, oder doch der, der am lautesten schreit? Ich denke an kleine Filme, an junge Regisseure.

Neumann: Ja, da muss ich sagen, die ganzen kleinen und unabhängigen Filme hätten ohne Förderung so gut wie keine Chance, ja. Die sind die Hauptprofiteure insofern, als dass Baby überhaupt zur Welt kommen kann. Die größeren, wie Constantin und andere größere Produzenten, wären sicherlich auch in der Lage, hier und dort Filme zu produzieren, die keine Förderung haben. Bei manchen großen Produktionen haben Sie auch relativ geringe Förderung. Aber auch die verdienen es, gefördert zu werden, denn wir brauchen auch große Filme, Events, die veranstaltet werden.

Aber gerade die vielen Kleinen, die brauchen den Schutz auch der Förderung, und deshalb ist mir daran besonders gelegen. Und wir haben ja auch eine Reihe von Fördermaßnahmen, zum Beispiel die Förderung des Deutschen Kurzfilmpreises, die ich jährlich vornehme. Da geht's ja insbesondere um junge Filmer, das heißt, der Nachwuchs ist ganz wichtig. Und auch das neue Filmfördergesetz honoriert Erstlingsfilme, die bessere Chancen haben, die bevorzugt werden. Und das finde ich genau richtig.

Timm: Herr Neumann, die Liste der nominierten Filme heute Abend wäre ohne die Unterstützung der Filmförderanstalt kürzer, das ist klar, aber bei der Filmförderung gibt es derzeit Knatsch. Die großen Kinoketten zahlen ihren Obolus derzeit nur unter Vorbehalt, weil sie meinen, dass die Fernsehanstalten einen zu geringen Anteil daran aufbringen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun moniert, es sei nicht in Ordnung, dass die Fernsehanstalten ihren Anteil an der Filmförderung frei aushandeln können, während die Filmbranche eine Pflichtabgabe zahlt, landläufig als "Kinopfennig" bekannt. Und die Mittel, um die es Streit gibt, sind eigentlich schon für neue Filme verplant. Verquaste Situation, da ist auch der Krisenmanager Neumann gefragt. Sie haben die Interessengruppen beschworen, nun nicht den aktuellen Erfolg des deutschen Films aufs Spiel zu setzen. Hat man Sie auch verstanden?

Neumann: Das glaube ich schon, denn hier geht es um die Abgaben, das haben Sie gesagt, der einzelnen Filmnutzer, das heißt die Abgaben der Wirtschaft - es geht nicht um die staatlichen Fördermittel, die sind nicht gefährdet -, und in diesem Zusammenhang um die Existenz der Filmförderanstalt, die das Ganze managt. Und erfreulich ist, dass in der letzten Präsidiumssitzung der Haushalt für dieses Jahr verabschiedet werden konnte, und zwar in vollem Umfang.

Durch viele Gespräche ist es gelungen, bis auf die großen Kinoketten, aber alle anderen Beitragszahler - das ist das Fernsehen, privat, öffentlich-rechtlich, das sind die Videonutzer, das sind die Verleiher - ihren Beitrag ohne Vorbehalt zu zahlen, und damit stehen sie voll zur Verfügung. Und mit der kleinen Reserve haben wir auch in diesem Jahr 100 Prozent der Mittel, die die FFA vorgehabt hat auszugeben. Das ist der eine Punkt. Das ist sehr zu begrüßen, das hat viel Diskussion gekostet, aber ist erfreulich.

Und der zweite Punkt ist, unabhängig mal, wer recht hat oder nicht recht hat, ja, in diesem Fall der Klage - da wird ja beklagt, dass die Fernsehanstalten das bisher frei aushandeln konnten mit uns, das hat auch seine Gründe -, werden wir dies umgehend ändern. Wie gesagt, das Verwaltungsgericht in erster Instanz hat das alles abgelehnt, und das Bundesverwaltungsgericht sagt, die Abgaben, das ist alles okay, aber auch die Fernsehanstalten müssten gesetzlich verankert werden, also die Abgaben müssten gesetzlich verankert werden, und will das weiterreichen zum Bundesverfassungsgericht.

Ich möchte das abkürzen: Wir werden in einer kurzfristigen Novellierung des Filmförderungsgesetzes dieser Kritik des Bundesverwaltungsgerichtes versuchen Rechnung zu tragen, sodass wir das auch vom Tisch kriegen. Wir haben vor, umgehend durch eine kleine Novellierung auch die Abgabenkriterien für die Fernsehanstalten in das FFG zu bringen, das war ja der Hauptkritikpunkt, und die Parlamentarier haben mir zugesichert, dass sie das unterstützen. Und dann haben wir da auch ein Stück Ruhe an der Front.

Timm: Herr Neumann, wir stehen eigentlich schon im Wahlkampf, und die Opposition fordert ein richtiges Ministerium mit Bundeskulturminister. Sie sind ganz zufrieden mit dem, was Sie haben und was Sie sind. Warum wollen Sie bloß ein Beauftragter sein und nicht ein richtiger Minister?

Neumann: Ja, ich bin Staatsminister, das ist ein richtiger Minister. Den können Sie richtig sehen, den können Sie anfassen, der hat dieses Privileg, dass er im Bundeskanzleramt sitzt und nahe der Kanzlerin und kann sehr direkten Einfluss nehmen, was andere Kollegen nicht können. Er hat einen eigenen Etat, den hat er beträchtlich erhöht. Ich wüsste nicht, was ich anders gemacht hätte, wenn ich den Titel hätte "Bundesminister".

Jetzt heiße ich Staatsminister bei der Bundeskanzlerin. Das schmückt mich eher. Ich habe nichts dagegen, wenn einer mich diesbezüglich befördert, aber der Staatsminister für Kultur hat gerade, weil er im Bundeskanzleramt sein Büro hat, durch die Unterstützung der Bundeskanzlerin viel mehr erreichen können, als was manche angenommen haben.

Timm: Aber heute Abend bei der Verleihung des Filmpreises machen Sie sich erst mal einen schönen Abend?

Neumann: Ich freue mich auf das Ereignis, weil es ein Stück des Erfolges des deutschen Filmes darstellt, an dem man ein Stück mit hat wirken können, und das ist ein schönes Ereignis. Die Prämierten freuen sich, es ist die ganze Filmwelt da, was gibt es Schöneres?

Timm: Und Ihren persönlichen Favoriten verraten Sie uns wahrscheinlich trotzdem nicht?

Neumann: Ungern. Ich würde jetzt sozusagen vertraulich wetten, weil man beobachtet usw. Aber ich möchte das nicht, weil das immer so aussieht, wenn Sie für einen sind, als würden Sie die anderen nicht genauso gut finden. Das sind unterschiedliche Angebote. "John Rabe", dieser mächtige Film mit großem Aufwand, ein richtiges Event, ist natürlich ganz anders einzuordnen als beispielsweise "Wolke 9", den ich in Cannes gesehen habe, ein wunderschöner kleiner Film mit hervorragenden Schauspielern. Und ich finde, es ist richtig, dass die Filmschaffenden selbst, die 1000 entscheiden, wer Nummer eins und Nummer zwei wird. Und dann werde ich mich, wie sich das gehört, so oder so mit der Entscheidung identifizieren.

Timm: Wie oft kommt denn noch ein Kulturstaatsminister ins Kino, um alle nominierten Filme auch mal zu sehen?

Neumann: Ich kenne alle nominierten Filme.

Timm: Auch "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" oder "Hexe Lilli"?

Neumann: Nein, die hauptnominierten Filme. Ich meine die Filme, die als Programm füllende Spielfilme, das sind sechs, nominiert sind. Ich kenne noch andere mehr. Ich werde häufig eingeladen zu Premieren, hin und wieder gelingt es mir, dort hinzugehen. Und ich muss an Filmfestivals teilnehmen, da sehe ich auch den einen oder anderen. Und ich sehe mir die, von denen ich meine, dass man sie gesehen haben muss - das sind mindestens die sechs nominierten -, wenn's dann nicht im Kino war, auf DVD an.

Timm: Dann wünsche ich Ihnen heute erst mal einen schönen Abend. Kulturstaatsminister Bernd Neumann war das zur heutigen Bundesfilmpreisverleihung. Vielen herzlichen Dank!

Neumann: Okay!