Neues Teilhabegesetz

Behindertenvertreter reagieren unzufrieden

Der Aktivist Raul Krauthausen bei einer Protestaktion gegen das Bundesteilhabegesetz: Er sitzt in einem Rollstuhl, hält einen Zettel mit der Aufschrift "Teilhabegesetz jetzt" in der einen Hand, eine Kette in der anderen.
Heftige Proteste gegen das neue Teilhabegesetz gab es schon vor der Entscheidung des Bundestages, wie hier bei einer Aktion im Sommer © imago stock&people
Ottmar Miles-Paul im Gespräch mit André Hatting · 01.12.2016
Bei der Reform des Teilhabegesetzes für behinderte Menschen, wurde leider eine Chance vertan, sagt Ottmar Miles-Paul, der seit mehr als 30 Jahren in der Behindertenbewegung engagiert ist. Behinderte Menschen müssten weiterhin für mehr Teilhabe kämpfen.
Der Bundestag stimmt heute über das Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderung ab. Die von Arbeitsministerin Andrea Nahles entworfenen Regelungen sollen dafür sorgen, dass Behinderte nicht nur Fürsorge erhalten, sondern stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Aber es hagelt Kritik an der Reform:

Kleine Fortschritte

"Es ist leider immer noch kein gutes Teilhabegesetz", sagte Ottmar Miles-Paul, der selbst sehbehindert ist und seit mehr als 30 Jahren in der Behindertenbewegung engagiert ist, im Deutschlandradio Kultur. Als Koordinator der Kampagne für ein gutes Teilhabegesetz zeigt er sich enttäuscht von der Reform. "Es sind ein paar gute Sachen drin, das ist unbenommen, es birgt aber noch eine ganze Menge Gefahren." Als Vorteil wertet Miles-Paul, dass das neue Gesetz für Menschen die Türen öffne, die bisher in Behindertenwerkstätten gearbeitet hätten. Sie verdienten im Durchschnitt 200 Euro im Monat. Dieses Geld könne jetzt auch an Arbeitgeber gegeben werden. "Die Leute bekommen einen richtigen Lohn und sind sozialversichert. Das ist ein Fortschritt." Gut sei auch eine kostenlose Beratung der Kostenträger.

Aus Kostengründen ins Heim

Einer der Hauptkritikpunkte sei allerdings, dass behinderte Menschen aus Kostengründen ins Heim umziehen müssten. Allein in Freiburg seien zehn solche Fälle bekannt und auch in anderen Städten gebe es ähnliche Tendenzen. "Das wäre die Chance gewesen, das in dem Gesetz zu regeln." Stattdessen würden immer noch die Angemessenheit, die Zumutbarkeit und die Kosten abgewogen. Miles-Paul verwies auf das Beispiel Schweden, wo die Behindertenheime abgeschafft seien und Behinderte in der Gesellschaft lebten. Ein weiteres Problem sei, dass sich behinderte Menschen nun auch in ambulanten Stationen Personal teilen müssten, was die Selbstbestimmungsmöglichkeit einschränke.

Der Kampf geht weiter

"Natürlich müssen wir dranbleiben", sagte Miles-Paul. "Aber es ist so bedauerlich, dass heute diese Chance vertan wurde und behinderte Menschen müssen also weiterhin kämpfen und das werden wir natürlich tun."
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