Neues Sachbuch

Mit Kaffee gegen die Krise

Ein Herz ist im Milchschaum auf einem Caffe Latte zu sehen
Der Kaffeekonsum entwickelte sich in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich © dpa / picture alliance / Wolfram Steinberg
Monika Sigmund im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 23.12.2014
Eine Tasse Kaffee war in Deutschland lange ein Symbol für Luxus und Wohlstand, wie die Historikerin Monika Sigmund nachweist. Sie hat diesem Kulturphänomen nun das Buch "Genuss als Politikum" gewidmet.
In der Nachkriegszeit war Kaffee noch ein seltener Luxus. Selbst nach der Währungsreform 1948 entwickelte sich in Deutschland ein reger Schwarzmarkt für das damalige Luxusgut. "Das kam durch ein Gesetz der Alliierten, die gleichzeitig mit der Währungsreform eine Kaffeesteuer verhängt haben", sagte Sigmund im Deutschlandradio Kultur. Für ein Kilo Röstkaffee lag die Steuer bei 54 Deutschen Mark. Obwohl sie gleich im selben Jahr wieder gesenkt wurde, entwickelte sich ein reger Schwarzhandel.
"Oma-Getränk im Westen"
Ab den 60er-Jahren wurde der Kaffee in beiden deutschen Staaten stärker zum Alltagsgut. "Allerdings blieb es in der DDR ein Luxus-Konsumgut, auch wenn es selbstverständlich genossen wurde", sagte die Autorin. In Westdeutschland ging Kaffee im Massenkonsum fast schon unter und wurde zeitweise zum anti-modernen "Oma-Getränk". 1977 kam es in der DDR zu einer regelrechten "Kaffee-Krise", weil die DDR-Regierung beschlossen hatte, dem Kaffee zu 50 Prozent Ersatzkaffee zuzuführen. Das Produkt "Kaffee-Mix" wurde in öffentlichen Kantinen regelrecht verordnet und führte damals zu großem Unmut in der Bevölkerung.
Fehlender Kaffee als Krisenfaktor
Sigmund bescheinigt dem Kaffee eine geistige Verbindung zur Krisenhaftigkeit in der Gesellschaft darzustellen. "Zeiten, in denen es keinen Kaffee gibt, das sind Krisenzeiten", beschreibt die Historikerin eine weit verbreitete Sich. "Wenn die Kaffeeversorgung geregelt ist, ist alles in Ordnung." Nach dieser Logik zeige die deutsche Kaffeekultur heute, dass sich die bundesdeutsche Gesellschaft nicht als krisenhaft erlebe. "Ist ja so auch kein Anlass dafür", sagt Sigmund. "Heute ist Kaffee allgegenwärtig."
Monika Sigmund, Genuss als Politikum, De Gruyter Oldenburg Verlag, 49,95 Euro
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