Neues Pussy-Riot-Video

Rappen gegen eine korrupte Justiz

Überraschungsgast beim Budapester Szigetfestival: die russische Punk-Band Pussy Riot.
Die russische Punk-Band, hier als Überraschungsgast beim Budapester Szigetfestival im August 2015 © picture alliance / dpa / Balazs Mohai
Von Bernd Großheim · 05.02.2016
Pussy Riot zielt mit einem neuen Musik-Video vor allem auf Internetnutzer im Ausland. Der politische Einfluss der Band in Russland ist überschaubar. Trotzdem erheben die Frauen weiter ihre Stimme gegen das System in Russland.
Eines vorweg: Fans der Rap-Musik werden nicht auf die Knie sinken ob der Qualitäten von Pussy Riot-Frau Nadeschda Tolokonnikowa als Rap-Interpretin. Aber das ist es auch gar nicht, was die 26-Jährige sein will. Anlass des Musik-Videos mit dem Titel "Tschajka" ist ein Enthüllungsfilm des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny über den russischen Generalstaatsanwalt gleichen Namens und dessen Familie.
"Ich habe mir den Film angesehen, und er hat einen starken Eindruck hinterlassen. Ähnliche Gefühle hat bei mir im vergangenen Jahr nur ein Spielfilm hervorgerufen - 'Leviathan' von Zwjagintsew. Aber aus meiner Sicht trifft 'Tschajka' dich stärker, weil er die Wirklichkeit widerspiegelt. Es geht dort um Tatsachen.
Sobald man versteht, dass die Geschichte nicht erfunden ist, dass sie quasi unsere Realität zeigt, was uns umgibt, dann bekommt man auf einmal Gänsehaut. Deswegen musste ich darauf irgendwie reagieren. Wenn etwas bei mir einen starken Eindruck hinterlässt, kommt meine Reaktion durch Kunst zum Ausdruck."
Tolokonnikowa als Staatsanwältin in Uniform
Von den bekannten Gesichtern der Band Pussy Riot taucht in dem Video nur das von Tolokonnikowa auf. Sie spielt eine Staatsanwältin in Uniform und übrigens ohne die für die Band typische Gesichtsmaske. Immer wieder sind Szenen zu sehen, in denen Gefangene gefoltert werden. Im Text geht es um korrupte Staatsanwälte, die lieber im Ausland als in Russland Urlaub machen möchten, die Patrioten sind und trotzdem lieber in der Schweiz leben würden.
Im richtigen Leben ist der jüngere Sohn von Generalstaatsanwalt Tschajka erst 27 und bereits Multimillionär. Er hat vor kurzem beispielsweise einen Millionenauftrag von der Stadt Moskau bekommen, die Müllabfuhr abzuwickeln. Der ältere Bruder hat in den vergangenen Jahren ein großes Geschäftsimperium aufgebaut, ein Netzwerk, in dem man offenbar auch vor Mord nicht zurückschreckt. Alexej Nawalny hat die Details mit seinen Aktivisten zusammen getragen:
"Er hat tausende Mitarbeiter, der Umsatz seiner Unternehmen beträgt mehrere hundert Millionen Dollar. Aber die Tätigkeit von Artjom Tschajka und seinen Kollegen hat nichts mit Unternehmertum zu tun. Es geht um Bandenkriminalität, rechtwidrige Geschäftsübernahme und Erpressung, und das alles geschützt durch den Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, Jurij Jakowlewitsch Tschajka."
Rücktrittsforderung an Generalstaatsanwalt Tschajka
Der Name Tschajka taucht in dem Musikvideo von Pussy Riot nur im Titel auf. Und doch: Tschajka heißt auf Deutsch Möwe, und die flattert in dem Video immer wieder geformt aus den beiden Händen von Nadeschda Tolokonnikowa durchs Bild:
"Was die politischen Aussagen angeht, so fordere ich Generalstaatsanwalt Tschajka zum Rücktritt auf und alle Mitglieder seiner kriminellen Familie. Zweitens möchte ich, dass mehr Menschen von Nawalnys Enthüllungen erfahren. Natürlich haben schon sehr viele den Film gesehen, aber ich hoffe, dass es mir gelingen wird, ihn so bekannt zu machen wie möglich. Vor kurzem ist die englische Version erschienen, und das wird hoffentlich dazu führen, dass man den Kontakt zu Tschajka auch im Ausland abbricht, zum Beispiel in der Schweiz."
Zielgruppe des Videos sind Internetnutzer im Ausland
Und so zielt das neue Pussy Riot Video wohl vor allem auf Internetnutzer im Ausland. Der politische Einfluss der Band in Russland ist überschaubar. Pussy Riot hat hier keine riesige Fangemeinde. Ihre Aktionen sind in der Regel nicht massenkompatibel, ihre Musik nicht so herausragend, dass sie allein deswegen gehört würden. Und: staatliche Medien ignorieren Pussy Riot geflissentlich.
Trotzdem erheben die Frauen weiter ihre Stimme gegen das System in Russland. Angst vor einer weiteren Gefängnisstrafe hat Tolokonnikowa deswegen nicht. Eine Lagerhaft hat sie bereits hinter sich, bevor sie im Dezember 2013 von Wladimir Putin begnadigt wurde.
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