Neues New-Order-Album

Leichte Kost mit Humor

Bernard Sumner, Sänger und Gitarrist der britischen Band New Order bei einem Auftritt in Santiago de Chile im Jahr 2014.
Bernard Sumner, Sänger und Gitarrist der britischen Band New Order bei einem Auftritt in Santiago de Chile im Jahr 2014. © picture alliance / dpa / Felipe Trueba
Von Marcel Anders · 28.09.2015
Die bandtypische Mischung aus Rock und Dance wirkt auf New Orders neuem Album "Music Complete" so ausgewogen wie selten zuvor. Auch live präsentieren sich die britischen Musiker in Hochform.
"Wenn man Projekte wie Electronic und Bad Lieutenant hinzuaddiert, dann waren die letzten fünf Alben alle ziemlich gitarrenlastig. Von daher fühlte es sich richtig und wichtig an, jetzt wieder mit Synthesizern zu arbeiten. Oder mit tanzbaren Sounds. Wobei New Order eh eine Hybrid-Band sind. Also da sind immer ein paar Gitarren am Start. Selbst wenn es sich um Synthie-Stücke handelt."
Bernard Sumner ist ein wohlgenährter Endfünfziger mit angewachsener Sonnenbrille, der beim Interview eisgekühlten Chardonnay trinkt und in bester Plauderlaune ist. Aus gutem Grund: Der bandtypische Hybrid aus Rock und Dance wirkt auf "Music Complete" so ausgewogen wie selten zuvor.
Mit elf Stücken zwischen Gitarrenpop, Techno, Funk und Spoken Word. Produzenten wie Stuart Price und Tom Rowlands von den Chemical Brothers. Gästen wie La Roux, Brandon Flowers und Iggy Pop. Und einer offenkundigen Hommage an übermächtige Idole.
"Da ist definitiv ein bisschen Giorgio Moroder im Spiel, der ja nicht nur großen Einfluss auf mich hatte, sondern auch auf viele andere Musiker. Er und Big Audio Dynamite waren es, die überhaupt erst mein Interesse an elektronischer Musik geschürt haben."
Vorwiegend bei einem guten Glas Wein entstanden
Genau so abwechslungsreich und kurzweilig wie die Musik, erweisen sich auch die Texte. Die entstanden – so Sumner – vorwiegend bei einem guten Glas Wein zu vorgerückter Stunde, und folgen nur selten einem tiefergehenden Anspruch, als der reinen Unterhaltung. Also leichte Kost, aber mit Humor.
"'Plastic' handelt von einer frei erfundenen Beziehung zwischen einem Typen und seiner wunderschönen Freundin, die wie Beyoncé aussieht. Also einfach umwerfend. Dabei ist alles an ihr Plastik, sie hat keine Seele und zeigt keinerlei Emotionen."
Einen Mangel an Authentizität und Seele kann man New Order dagegen kaum vorwerfen: Das Quintett aus Manchester hat sich nie an Trends und Strömungen orientiert, sondern lieber selbst welche lanciert. Von Disco über Techno, House bis Rave – New Order zählen zu den einflussreichsten Bands der Insel.
Sie haben Generationen von Musikern geprägt, Welthits wie "Blue Monday" oder "Confusion" gehabt, aber auch fürchterliche Flops gelandet. Die führten bereits zwei Mal zur zwischenzeitlichen Trennung – und zum Ausstieg von Bassist und Gründungsmitglied Peter Hook. Der tourt mittlerweile als Solist, lässt kein gutes Haar an seinen Ex-Kollegen und feuert in Interviews eine Spitze nach der anderen ab.
"Peter, Leb gefälligst dein eigenes Leben"
"Peter hat die Band vor sieben Jahren verlassen. Da kann ich nur sagen: Leb gefälligst dein eigenes Leben. Denn mittlerweile hat sich ja gezeigt, dass es auch ohne ihn funktioniert. Und die Öffentlichkeit sieht es genauso."
Wie gut New Order 2015 sind, unterstreichen sie aber nicht nur mit "Music Complete", sondern auch auf ihrer laufendende Europa-Tournee. Wobei die Band, deren Hauptakteure stramm auf die 60 zugehen, vieles anders und besser machen als in der Vergangenheit. Da endeten New-Order-Auftritte nicht selten im Chaos. Einfach, weil man es mit dem Hedonismus dann doch etwas übertrieben hat.
"Da war dieses Festival in Dänemark, auf dem wir nach Miles Davis auftreten sollten. Doch er hat ewig gespielt. Weshalb der Veranstalter sich persönlich bei uns entschuldigte und uns eine Kiste Bier hinstellte. Irgendwann kam er wieder und meinte: "Miles will nicht aufhören – hier ist eine weitere Kiste." Als wir endlich auf die Bühne konnten, waren wir völlig betrunken und haben den wahrscheinlich schlechtesten Gig unserer Karriere gespielt. Der Synthesizer lag die ganze Zeit einen halben Ton daneben und gegen Ende mussten sie die Polizei zu unserem Schutz rufen, weil das Publikum kurz davor war, uns umzubringen. Übrigens stand Miles die ganze Zeit am Bühnenrand und hat sich totgelacht."
Mehr zum Thema