Neues Album von Emily Portman

Starke Stimme, eigenwillige Musik

Die britische Folksängerin Emily Portman
Die britische Folksängerin Emily Portman © Emily Portman / Elly Lucas
Kerstin Poppendieck im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 26.08.2015
Die britische Folkszene überschlägt sich vor Lob auf Emily Portman und ihr neues Album "Coracle". In Deutschland ist ihre Mischung aus zuckersüßer Stimme und düsteren Texten noch nicht allzu bekannt. Musikkritikerin Kerstin Poppendieck erklärt, was an Emily Portman und ihrem neuen Album so besonders ist.
Mathias Mauersberger: Was ist denn das Besondere an Emily Portman, dass sich die englische Folkkritik so vor Begeisterung überschlägt?
Kerstin Poppendieck: Emily Portman hat sich ganz der Folktradition Großbritanniens verschrieben. Sie will Folk nicht neu erfinden. Das was sie an Folk liebt sind die akustischen Instrumente und Texte, die eine Geschichte erzählen.
Angefangen hat alles mit einem Folk-begeisterten Musiklehrer am College, der ihr seine Plattensammlung geborgt hat. Und als Emily Portman dann mit 17 bei ihrem ersten Folkkonzert war, stand fest, das ist das, was sie musikalisch machen will. Sie hat sogar Folk studiert an der Uni von Newcastle mit einem Masters-Abschluss. 2010 erschien dann ihr erstes Album "The Glamory", zwei Jahre später Album Nummer zwei "The Hatchling".
Und Du hast es vorhin ja schon gesagt: Emily Portman hat diese verzaubernde, manchmal fast kindliche Stimme, aber ihre Texte sind düster und gruselig. Da geht es um magische Elemente aus Märchen: Hexen, gruselige Wälder und Elfen. Vor allem interessiert sie, wie dieses Magische, dieser Zauber mit unserem heutigen Alltag verwoben ist.
"Offensichtlich werde ich beim Schreiben eher in dunklere Ecken der Fantasie gezogen", sagt Emily Portman. Aber sie findet nicht, dass das etwas Außergewöhnliches ist. Wenn man den Fernseher anschaltet, sieht man ständig düstere Serien mit Mord und Magie. Vielleicht haben andere Musiker Angst vor solchen Themen, sie nicht. Sie hat keine Lust, ständig lustig-fröhliche Lieder zu schreiben. Sie findet Magie und Mord als Themen einfach spannender.
Mauersberger: Emily Portman singt auf ihrem neuen Album ja nicht allein. Wer ist denn da noch dabei?
Poppendieck: Das waren Lucy Farrell und Rachel Newton mit denen sie schon seit Jahren zusammen singt, ein ganz wundervoller Harmoniegesang. Und für Emily Portman steht der Gesang auch im Mittelpunkt, die Stimmen sind für sie das wichtigste Instrument. Aber es gibt auf dem Album auch ein paar andere Instrumente, die diesen magischen, Klang erzeugen. Sie will ja diese märchenhafte Musik-Zauberwelt erschaffen – und das gelingt ihr sehr gut. Da ist eine Harfe, eine singende Säge, eine Kalimba-ein sogenanntes Daumenklavier, dann gab es im Studio ein altes, leicht verstimmtes Wurlitzer Klavier, das sie auch mit eingebaut hat – was spontan während der Aufnahmen passierte. Dazu Percussion, einen Vibraphon und eine Konzertina – und wie Emily Portman sagt: einige der besten Streicher des Landes sind auf ihrem Album zu hören.
Eine tolle Märchenerzählerin
Mauersberger: Du hast gerade schon gesagt, Emily Portman hat bereits zwei Alben veröffentlicht. Und trotzdem ist das neue Album "Coracle" ein Debüt, denn es ist das erste Album, bei dem sie jedes Stück selbst geschrieben hat. Gab es dafür einen Grund?
Poppendieck: Emily Portman hatte auch bei den vorherigen zwei Alben immer selbstgeschriebene Songs dabei, aber ja, es gab auch immer traditionelle Folklieder, die sie neu interpretiert hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das auch etwas war, was ihr den Eintritt in die britische Folk-Szene erleichtert hat, dass Zuhörer sich schnell mit ihrer Musik identifizieren konnten, einfach weil sie sie ja irgendwie schon kannten. Jetzt also das erste komplett selbstgeschriebene Album, einfach weil sie genügend Material hatte. .
Auch wenn es alles eigene Texte sind, bezieht sie sich immer noch gerne und oft auf Themen aus traditionelle Folkliedern – erzählt sie - auch, wenn man das vielleicht nicht immer gleich hört. Aber das Schreiben dieses Albums war auch noch aus einem anderen Grund eine riesige Herausforderung. Es war nämlich genau die Zeit nachdem sie ihr erstes Kind bekommen hat. Und da war es natürlich schwierig, zwischen dem alltäglichen Babywahnsinn die Zeit zum Schreiben zu finden. Und da hört man auch ihre Tochter.
Aber am Ende haben natürlich auch diese Erfahrungen als junge Mutter ihre Texte beeinflusst: es geht auch um Geburt, Tod, Abschied und ums Muttersein. Und Vögel spielen eine große Rolle. Als sie noch mit den Recherchen zu diesem Album beschäftigt war, ist sie ins Cecil Sharp House in London gefahren - ein Zentrum für Folk Kunst - und hat dort nach Themen wie Geburt und Tod recherchiert und sie hat festgestellt, dass es viele Vögel gibt, die ein schlechtes Omen sind, die den Tod prophezeien. Zum Beispiel das Rotkehlchen.
Wenn ein Rotkehlchen mit dem Schnabel ans Fenster klopft, heißt es, dass am nächsten Tag jemand aus der Familie stirbt. Und auch Nachtschwalben spielen in der Mythologie eine große Rolle. Die hatten immer etwas Mystisches, weil sie Nachts unterwegs sind. Außerdem lebt Emily Portman in Glastonbury. Und Vögel sind einige der wenigen Tiere, die man noch in einer Stadt frei sieht, hat sie mir erzählt. Und da ist dann wieder die Verbindung zwischen magischer und realer Welt – was ja, wie gesagt, der Kern ihrer Texte ist - Tradition und Gegenwart zusammen zu bringen.
Sie ist jetzt kein realitätsfremdes Wunderwesen , das Gespenster und Hexen im Supermarkt sieht, aber dieses Übernatürliche, Unerklärliche sieht sie auch in unserem heutigen Leben, man muss sich manchmal einfach nur drauf einlassen und nicht immer nach einer Logik suchen. Emily Portman ist auf jeden Fall eine tolle Märchenerzählerin – und zum Glück macht sie das nicht nur für ihre Tochter, sondern für jeden, der ihre Musik hört.
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