Neuer Sound

Die Hip-Hop-Kantorin Flóra Polnauer

Eine Discokugel über einer Tanzfläche
Bei Flóra Polnauer werden jiddische Klassiker wie "Rozinkhes mit Mandeln" zu tanzbaren Popsongs © dpa picture alliance / Tobias Hase
Von Jonathan Scheiner · 27.11.2015
Die Sängerin und Kantorin Flóra Polnauer mischt jüdische Musik mit modernen Sounds aus Hip Hop und Elektronik. So werden alte jiddische Klassiker plötzlich zu tanzbaren Popsongs. Ein Porträt.
"Yedid Néfesh" kennen die meisten Juden als Schabbat-Lied. Doch das Piyut wird auch sonst gerne gesungen. Das tut auch Flóra Polnauer. Die kleine Frau mit dem Bubikopf hat eine kräftige und zugleich innige Stimme. Sie ist Kantorin und wurde am Abraham Geiger-Kolleg in Potsdam ausgebildet. Flóra Polnauer mischt die alten jüdischen Gebete mit modernen Sounds. So werden "Im Nin Alu" oder auch der jiddische Klassiker "Rozinkhes mit Mandeln" zu tanzbaren Popsongs.
Die jüdischen Lieder kennt Flóra Polnauer noch von zuhause. Sie ist damit aufgewachsen, denn ihr Vater war Rabbiner, zunächst in Israel, wo auch Flora Polnauer groß wurde, und später dann in Duisburg. Durch die vielen Umzüge der Familie spricht die junge Frau fünf Sprachen. Und sie fühlt sich auch in mehreren Musikstilen heimisch. Als Teenager glaubte sie noch, sie müsse sich zwischen jüdischer Musik und Punkrock entscheiden.
"So bin ich mit einem Bad-Religion-T-Shirt in die Synagoge gegangen. Mit zwölf ist das noch ok. Ich war ja da beim Gottesdienst und habe ein Solo gesungen. Ich war halt zwölf Jahre und musste das Bad-Religion-T-Shirt anziehen, weil ich pubertierend war und zu der Zeit gerade Bad Religion und Nirvana und Clawfinger gehört habe. Und zwischen zwölf und 25 ist viel passiert. Zwischen zwölf und 25 habe ich mich entfernt vom Judentum. Das einzige wovon ich mich nicht entfernt habe, war die jüdische Musik."
Die Spiritualität klopfte erneut an ihre Tür
Mit 25 habe erneut die Spiritualität, die sie aus ihrer Kindheit kannte, an ihre Tür geklopft, sagt Flóra Polnauer. Dabei spielte die Musikerin seinerzeit in mehreren Bands gleichzeitig und trat sogar beim berühmten Sziget-Festival in Ungarn vor tausenden von Fans auf.
Ihre Hingabe an die jüdische Musik kam zurück, als sie von einem Rabbiner gebeten wurde, ihn bei einem Gottesdienst zu unterstützen. Zwar hatte sie die Gebete schon als Kind gesungen, aber weil sie ein Mädchen war, hatte sie immer nur passiv am Gottesdienst teilgenommen.
"Diese Passivität hat mich immer auf Distanz gehalten. Plötzlich war die Distanz weg, weil ich diejenige war, die den Gottesdienst gemacht hat, gemeinsam mit dem Rabbiner. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Leuten etwas Großes gebe, was ich noch nie gespürt habe. So bin ich dann nach Berlin gekommen."
"Der Ausgangspunkt ist für mich die jüdische Musik"
Am Kantoren-Seminar in Potsdam hat Flora Polnauer fünf Semester lang studiert. Parallel dazu hat sie ihre Karriere als Sängerin fortgesetzt – egal ob sie mit einem spanischen Flamenco-Gitarristen, Roma-Musikern oder ungarischen Rappern aufgetreten ist.
"Ich bin nicht mit klassischer Musik aufgewachsen wie die meisten Kantoren, die Haydn gehört haben in ihrer Kindheit. Ich bin wirklich mit der folkloristischen jüdischen Welt aufgewachsen, mit den Festen, mit dem ganzen Repertoire. Erst als ich zwölf wurde, habe ich selber angefangen Musik zu hören. Von Take That zu Nirvana. Und dann war ich plötzlich bei Ella Fitzgerald. Und dann habe ich sehr viel Hip Hop und Trip Hop gemacht. Der Ausgangspunkt, wo sich die Schlange in den Schwanz beißt, ist für mich aber die jüdische Musik."
Und diese Musik kann man sich heutzutage entweder in der Synagoge, bei einem egalitären Schabbatgottesdienst oder bei einem Club-Konzert in Berlin oder Budapest anhören. Flóra Polnauer und ihre jüdischen Lieder sind überall zuhause.
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